Mönchengladbach. . Borussia Dortmund und RB Leipzig sieht Max Eberl als Konkurrenten für die Münchener – mit Gladbach geht der Sportdirektor einen anderen Weg.
Neujahrsvorsätze hängt Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl nicht an die große Glocke. „Wenn alle gesund bleiben, auch privat, dann bin ich schon zufrieden“, sagt der 44-jährige Münchener bescheiden. Der sehnliche sportliche Wunsch, einen Pokal mit der Borussia gen Himmel zu stemmen, bleibt auch 2018 unerfüllt. Nach dem DFB-Pokal-Aus gegen Leverkusen steht die neuerliche Europapokalteilnahme als Ziel im Vordergrund. Sonntag (15.30 Uhr/Sky) startet für Gladbach die Bundesliga mit dem Derby beim 1. FC Köln.
Herr Eberl, Sie haben mehrmals betont, dass die jüngsten Gladbacher Erfolge mit zwei Saisons in der Champions League keine Selbstverständlichkeit sind. Durchläuft Ihr Sonntagsgegner 1. FC Köln genau das Szenario in der Bundesliga, vor dem Sie die eigenen Anhänger immer warnen?
Max Eberl: Der letzte Platz für die Kölner ist ein Indiz dafür, wie kompliziert die Bundesliga ist. Und wie dramatisch eine Serie laufen kann. Unser guter Lauf seit 2012 ist keine Selbstverständlichkeit. Erfolg und Misserfolg sollte man richtig einschätzen. Das muss ich gelegentlich betonen, auch wenn das nicht immer populär klingt.
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Wie nach dem 3:1 über den Hamburger SV am 15. Dezember, als Sie manch einen Zuschauer wegen zwischenzeitlicher Pfiffe in der ersten Erregung beschimpft haben. Haben Sie mittlerweile eine Klage wegen Beleidigung am Hals?
Eberl: (lacht) Nein, aber es gibt immer noch Resonanz auf meine Worte, auch mehr als drei Wochen nach dem HSV-Spiel. Das erwarte ich aber auch und ist auch gut so.
Was muss die Borussia im Jahr 2018 besser machen?
Eberl: 56 Punkte im Kalenderjahr 2017 besagen, dass wir nicht so viel verkehrt gemacht haben. Würde die Jahrestabelle zählen, wären wir Tabellenfünfter geworden. Aber im Fußball kann man nie sagen, wir haben fünf Dinge gut gemacht, jetzt verbessern wir Nummer sechs und sieben, und dann wird es noch besser. Dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten und große Konkurrenz. Grundsätzlich: Wir wollen mehr unsere Großchancen nutzen und 25 Punkte plus X holen.
Hat 2017 gerade im DFB-Pokal gegen Frankfurt und Leverkusen oder auch in der Europa League gegen Schalke der Punch gefehlt?
Eberl: Ja, zum Beispiel gegen Schalke in der Europa League. Nun ist es aber mit dem Platzfehler und dem unberechtigten Elfmeter ein Spiel für die klubinterne Ewigkeit, leider zu unseren Ungunsten. Doch wir sind auf dem Weg, wieder Typen zu entwickeln, die man in solchen Spielen braucht. Wie Kapitän Lars Stindl vornweg geht, wie sich Jannik Vestergaard hinten stabilisiert, wie Chris Kramer sich entwickelt hat – solche Spieler wachsen in die Rolle hinein. Dass wir in den vergangenen Jahren stets zwei oder drei eklatant wichtige Spieler verloren haben, spielt ebenso eine Rolle. Andreas Christensen (zu FC Chelsea, d. Red.) und Mo Dahoud (zu Borussia Dortmund, d. Red.) muss man erstmal ersetzen.
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Sorgt es Sie, wenn Typen wie Vestergaard oder Torjäger Thorgan Hazard im Transferfenster des Winters in England gehandelt werden?
Eberl: Nein, wir haben schließlich das Heft des Handelns in der Hand, leben aber auch nicht auf einer Insel der Glückseligkeit. Natürlich kann Jannik Vestergaard wegen seiner Spielweise für England interessant sein. Im Winter werden wir niemanden abgeben. Was im Sommer passiert, ist wie immer schwer vorhersehbar. Wir können nicht zu allem Nein sagen. Angebote sind immer auch ein Indiz für Qualität.
Wieviel Euro würden Sie denn bei Vestergaard aufrufen, wenn ein Virgil van Dijk aus Southampton den Liverpoolern schon 85 Millionen Euro wert ist?
Eberl: Es sind Wahnsinnssummen unterwegs. Bei Topspielern wie Neymar mag das ja vielleicht noch nachvollziehbar sein. Er gehört zu den Top-3-Spielern der Welt. Aber andere Spieler machen gerade knapp 70 Premier-League-Spiele und kosten 85 Millionen, da fehlt mir jeglicher Sinn, das ist einfach Wahnsinn. Der Markt wird mit falschen Zahlen überrollt. Für normale Spieler 30 Millionen zu bezahlen, macht jeden Wechsel kompliziert.
Fühlen Sie sich mittlerweile nur noch als Ausbildungsverein, wenn europäische Topklubs im Zweifelsfalle utopische Zahlen aufrufen, denen niemand widerstehen kann?
Eberl: Nein, und das würde auch dem Wettbewerb Bundesliga nicht gerecht werden. Wir arbeiten alle für unseren Verein, für den größtmöglichen Erfolg. Es ist ein normaler Prozess, dass es immer einen Größeren geben wird. Das gilt auch für die Gesellschaft. Jeder strebt nach höherem. Und bei den Topklubs reden wir ja auch nur über einen kleinen Kreis. Real Madrid, Barcelona, Paris, Bayern München, Manchester City, vielleicht noch Arsenal, Chelsea oder Manchester United. Die können sich wegen ihrer Finanzkraft und der Möglichkeit, Titel zu holen, alles leisten. Wir werden darauf reduziert, dass sich bei uns die Bayern viel leisten können, fast immer Meister werden und die Bundesliga langweilig wird.
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Haben Sie Gegenargumente?
Eberl: Alle müssen etwas dagegen tun. Die Ergebnisse der Bayern sind ja meist nicht so klar. Wenn ich Rennes gegen Paris schaue, und es steht nach 23 Minuten 0:3, dann schalte selbst ich ab. In anderen Ligen ist es nicht spannender. Manchester City, PSG und Barcelona haben auch großen Vorsprung.
Sehen Sie einen anderen Meister als die Bayern, irgendwann?
Eberl: Wir haben die Bayern in dieser Saison geschlagen. Dass Gladbach nur einen Bruchteil des Personaletats der Bayern stemmen kann, macht die Sache für uns schwierig. Ich sehe in Dortmund und Leipzig derzeit zwei Klubs, die Bayern gefährlich werden könnten. Zumal die Bayern angedeutet haben, das ganz große Transfertreiben nicht mitgehen zu wollen.
Wie kann Gladbach näher an Bayern heranrücken sportlich?
Eberl: Wir werden weiter Toptalente finden und entwickeln, die uns sportlich und finanziell weiterbringen. Das ist in den vergangenen Jahren sehr gut gelungen. Da reden wir über Marc-André ter Stegen, Mahmoud Dahoud, Patrick Herrmann, Granit Xhaka, Marco Reus oder Nico Elvedi. Wir gehen den Weg nicht zum Selbstzweck, sondern um uns besser zu machen. Diese Entwicklung im Kader haben uns Spieler wie Andreas Christensen, Thorgan Hazard, Denis Zakaria oder Mickael Cuisance beschert.
Wird sich die Diskussion um den Video-Assistenten in der Rückrunde der Fußball-Bundesliga zumindest etwas legen?
Eberl: Das weiß ich nicht. Alle müssen aber wieder das Gefühl haben, dass der Schiedsrichter auf dem Platz entscheidet. Das war in der Hinrunde oft nicht der Fall.
In welchen Situationen sollte der Video-Assistent nur noch eingreifen dürfen?
Eberl: Abseits, Tätlichkeit hinter dem Rücken des Schiedsrichters, Tor oder kein Tor, bei einer krassen Fehlentscheidung. Auch bei einer eindeutigen Schwalbe im Strafraum, nicht aber bei einem Rempler. Im Fußball schätzt man nun einmal 80 Prozent der strittigen Situationen subjektiv ein.