Mönchengladbach. Weltmeister Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach hält eine Saison ohne Europapokal “auch mal normal“ für seinen Klub. Ein Interview.

Nach siebenwöchiger Knieverletzungspause geriet die Rückkehr von Weltmeister Christoph Kramer bei Borussia Mönchengladbach zur Nebensache. Der defensive Mittelfeldspieler sorgte mit kritischen Sätzen an die unzufriedene Anhängerschar nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg für mediale Aufmerksamkeit

Herr Kramer, nach dem Augsburg-Heimspiel haben Sie jene Fans kritisiert, die gepfiffen haben, und empfohlen, sie mögen doch bitteschön eine Bratwurst essen gehen. Ist die Erwartungshaltung mancher Gladbacher Anhänger zu hoch?

Christoph Kramer: Dieses Thema gehört sicher zum privilegierten Leben eines Fußballprofis immer dazu. Jeder Mensch entwickelt aber ein Gespür dafür, wann Kritik berechtigt ist und wann nicht. Im Erfolg ist alles easy, da kann man immer coole Sprüche machen. Und natürlich sind auch Pfiffe erlaubt. Aber egal, wie ein Spiel ausgeht: Letztlich sind wir doch alle Gladbach.

Auch interessant

War Ihre Kritik nach Augsburg berechtigt?

Kramer: Ja, die Meinung zu einem Fußball-Nachmittag kann ja auch mal eine konträre sein. Die Pfiffe der Fans waren in der Mannschaft übrigens kein großes Thema. Wir haben eine schwache Leistung gezeigt und trotzdem noch 1:1 gespielt. Der Punkt kann wertvoll werden, auch wenn er nach dem 2:1 in Mainz für uns sicher nicht Gold wert war.

Die Borussia bestreitet am Samstag in Wolfsburg das 50. Pflichtspiel. Ist eine schwache Leistung gegen Augsburg auch eine Folge der psychischen Belastungen in dieser Saison?

Kramer: Für den Kopf sind viele Spiele in schneller Folge sehr anstrengend. Es ist eine Herausforderung, stets den Fokus auf dem Rasen zu haben. In Englischen Wochen, von denen wir ja immerhin 16 hatten, ist die mentale Belastung enorm. Auch die Reiserei strengt an. Da steht das andere Leben, das es ja auch noch neben dem Profibereich gibt, ziemlich weit hinten an.

Europa ohne Gladbach wäre ...

Kramer:... auch mal normal.

Keine Lust auf Europa?

Kramer: Natürlich, riesengroße sogar. Und wir haben in Wolfsburg und gegen Darmstadt noch alle Chancen mit zwei Siegen. Unser Kader hat Europa auch drauf. Aber wir spielen mit einer Menge an jungen Spielern, da kann nicht alles klappen.

Sie sind mit 26 auch noch jung, oder?

Kramer: Und doch merke ich, dass ich mehr Erfahrung habe als mit 18 oder 19.

Logisch, machen Sie sich Sorgen, dass ohne einen Gladbacher Start im Europapokal auch die Nationalmannschaft für Sie in weite Ferne rückt?

Kramer: Die Nationalelf ist nicht aus meinem Kopf gelöscht. Ich muss mich aber so oder so über Leistungen empfehlen, dann wir der Bundestrainer anrufen. So simpel ist das. Planen kann man es für sich ohnehin nicht. Die WM 2014 mit meinem Finaleinsatz war ja auch nicht vorhersehbar.

Würde es helfen, wenn Sie ein Angebot aus Italien annehmen würden?

Kramer: Die Gerüchte um Milan, Neapel oder Juventus, die in den Medien genannt worden sind, sind Unsinn. Ich habe reinen Tisch gemacht und bei Gladbach für fünf Jahre unterschrieben. Ich bin erst das zweite Mal in meiner Profikarriere kein Leihspieler mehr. Das ist eine schöne Situation.

In der neuen Saison wird der Video-Assistent den Schiedsrichter bei Torentscheidungen unterstützen. Eine gute Sache?

Kramer: Ich bin da im Zwiespalt: Auf der einen Seite wird der Fußball fairer. Wir wären gegen Schalke nicht in der Europa League ausgeschieden mit Assistent.

Sie hätten aber auch nicht dank Lars Stindls Handtor in Ingolstadt in der Bundesliga gewonnen.

Kramer: Stimmt. Aber allein aus der Tatsache, dass wir über das Tor von Lars noch einmal reden, erwächst bei mir der Zwiespalt. Die Diskussionen und Meinungen über strittigen Szenen, die den Fußball auch ausmachen, werden abnehmen. Ich sage aber auch: Die Schiedsrichter kommen ein wenig aus der Schusslinie, wenn es weniger grobe Fehlentscheidungen geben wird.

Zwei Pflichtspiele sind es noch bis zur Erholung: Wie entspannt Christoph Kramer im Sommer?

Kramer: Ich habe mir vorgenommen, mit Freunden mal vier Tage am Stück zu wandern. Ganz ohne Mobiltelefon. Einfach mal abschalten.