Gladbach. . Berti Vogts holte mit Borussia Mönchengladbach viele Titel und hatte als Nationalspieler und Bundestrainer Erfolg. Dennoch fehlte ihm ein Bonus.

„Einer wie ich hätte in meiner Mannschaft heute keine Chance mehr.“ Berti Vogts sagte diesen Satz, als er Bundestrainer war, er referierte damals in den Neunzigern über die Anforderungen an einen Außenverteidiger modernen Zuschnitts. Und mit modern war ein Stefan Reuter gemeint, noch lange kein Philipp Lahm.

Aber nicht einmal mit dem Renner Reuter sah sich Berti Vogts spielerisch auf einer Höhe – eine bemerkenswerte Selbsteinschätzung. Schließlich war er 1974 Weltmeister geworden, und die goldenen Jahre der Mönchengladbacher Borussia hatte er nicht nur miterlebt, sondern auch mitgeprägt. Aber damals hatte es eben noch gereicht, wenn ein Rechtsverteidiger kämpfen und grätschen konnte. War der Ball erobert, spielte ihn Berti Vogts brav zu einem, der sensibler damit umzugehen wusste.

An diesem Freitag wird der Mann, der oft verkannt wurde, 70 Jahre alt.

Der Terrier

Er war der Terrier, der Wadenbeißer. Wer ihn so nannte, machte ihm ein Kompliment. Denn niemand erledigte den Auftrag des Abwehrarbeiters gewissenhafter und besser als Berti Vogts. Seine enorme Kampfkraft bei einer Körpergröße von nur 1,68 Metern erklärt sich mit seiner Herkunft. Berti, offiziell: Hans-Hubert, wuchs in Büttgen in bescheidenen Verhältnissen auf, schon als Junge hatte er seine Eltern verloren. Er ließ sich zum Werkzeugmacher ausbilden – und als sich ihm mit 18 Jahren die Chance bot, Fußballprofi zu werden, ergriff er sie. Dem legendären Gladbacher Trainer Hennes Weisweiler imponierte der große Wille dieses jungen Kerls, der fehlendes fußballerisches Talent mit beispiellosem Ehrgeiz ausglich. „Ich musste mir alles hart erarbeiten“, hat Vogts oft gesagt. Sein Einsatz zahlte sich aus.

Der Titelsammler

Fünfmal riss er die Meisterschale hoch, seiner Borussia blieb er bis zum Karriere-Ende 1979 treu. Höhepunkt der Laufbahn: der Gewinn des Weltmeistertitels 1974 in München. Angeblich war es kein großes Problem, das niederländische Ausnahmeteam um den genialen Johan Cruyff im Finale mit 2:1 zu schlagen. „Wir Niederrheiner kennen den holländischen Fußball doch in- und auswendig“, sagt Vogts. Und lacht.

Der Aufrechte

Als der erfolgreiche U21-Nationaltrainer Berti Vogts 1990 das Erbe Franz Beckenbauers antrat und Bundestrainer wurde, war die deutsche Nationalmannschaft gerade Weltmeister geworden. Ihr Teamchef ohne Trainerschein hatte sie im Leichtsinn auf Jahre für unbesiegbar erklärt, und nun kam der Fußballlehrer Vogts mit seinen Prinzipien daher. Einer seiner Grundsätze war, keine Zeitung exklusiv zu versorgen. Auch das brachte ihm im Laufe der Jahre mehr Kritik und Häme ein, als er verdient hatte.

1996 machte er ein Team mit nur wenigen Hochbegabten zum Europameister. Sein Motto hieß: „Der Star ist die Mannschaft.“ Am Ende, nach dem 2:1-Finaltriumph gegen Tschechien im Londoner Wembleystadion, stand der Trainer allein vor der deutschen Kurve, er machte vor den Fans zuerst den Diener und dann die Welle. Die Spieler hielten Abstand – aus Respekt.

Bei der WM 1998 in Frankreich prügelten deutsche Hooligans den Polizisten Daniel Nivel in Lens fast zu Tode. DFB-Präsident Egidius Braun schämte sich dafür so sehr, dass er daran dachte, das deutsche Team von der WM abzumelden. Energisch lehnte sich der Bundestrainer dagegen auf. Weil er der Überzeugung war, dass seine Spieler das nicht verdient gehabt hätten.

Zwei Monate nach dem Viertelfinal-K.o. gegen Kroatien bei jener WM trat Vogts zurück.

Der Ungelenke

Berti Vogts wurde manches Mal über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus veralbert. Denen, die nicht viel von ihm hielten, bot er allerdings Angriffsflächen. Nie tanzte er leichtfüßig über das öffentliche Parkett, so manchen Satz formulierte er anders, als er ihn gemeint hatte. Wie diesen: „Hass gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“ Es sei auch dahingestellt, ob er gut beraten war, im Tatort eine Gastrolle zu übernehmen („Gib dem Kaninschen eine Möhre extra, es hat uns das Leben gerettet“). Vogts wusste aber um seine Wirkung. „Wenn ich übers Wasser laufe, heißt es: Nicht mal schwimmen kann er!“

Der Weltenbummler

Nach einem 2001 gescheiterten halbjährigen Versuch als Bundesligatrainer in Leverkusen zog es Berti Vogts ins Ausland. Er wurde Nationaltrainer von Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidschan. Zuletzt beriet er US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann bis zu dessen Entlassung. Berti Vogts wohnt in Korschenbroich, die Heimspiele seiner Borussia besucht er am liebsten gemeinsam mit seinem 27-jährigen Sohn Justin, der in Mönchengladbach als Berufsfeuerwehrmann arbeitet. Ein neues Engagement im Fußball kann sich Berti Vogts gut vorstellen. „Zu Hause sitzen oder jeden Tag auf dem Golfplatz den Ball ins Aus hauen, das kann ich nicht“, sagt er – dem Siebzigsten zum Trotz.