Belek. . Wer sich mit der besonderen Entwicklung von Borussia Mönchengladbach beschäftigt, kommt an Max Eberl nicht vorbei. Ein Interview mit dem Manager.

Wer sich mit der besonderen Entwicklung von Borussia Mönchengladbach beschäftigt, kommt an Max Eberl nicht vorbei. Seit 2008 lenkt der ehemalige Profi als Sportdirektor die Kaderplanung und genießt in der Branche als Pfiffikus mittlerweile enormen Stellenwert. Das Wort des 41-Jährigen gewinnt in der Fußball-Bundesliga zunehmend an Gewicht. Eberl erklärt im Trainingslager im türkischen Belek auch, nach welchen Kriterien er neue Spieler aussucht.

Trainingslager ist bei Ihnen ja wörtlich zu nehmen: Fast bei jeder Übungseinheit sieht man Sie schwitzend um den Trainingsplatz joggen. Mit welchem persönlichen sportlichen Ziel ist der Sportdirektor nach Belek gereist?

Max Eberl: Ich habe mir keine Kilometer-Vorgabe gemacht, weil es am Ende wohl erschütternd wäre, wie wenig dabei zusammengekommen ist (lacht). Im Ernst: Ich möchte einfach im Trainingslager näher an der Mannschaft sein, was während der Saison schwer möglich ist, weil ich während des Trainings im Büro meine Arbeit erledige.

Vor dreieinhalb Jahren spielte Borussia Mönchengladbach noch in der Relegation, und sie mussten sich Beschimpfungen anhören, eine Initiative plante den Umsturz. Heute klatschen mitgereiste Anhänger Applaus, wenn Sie vorbeilaufen. Empfinden Sie Genugtuung?

Eberl: Das sehe ich als Zeichen von Anerkennung für unsere Entwicklung. 2011 war eine unheimlich lehrreiche Erfahrung, auch für mich. Letztlich ist der ganze Verein aus dieser Phase gestärkt hervorgegangen. Wenn ich hier immer noch die Realität in den Vordergrund rücke, dann vor diesem Hintergrund.

Sie haben jetzt gesagt, Sie seien für „populistische Euphorie“ nicht zu haben. Ist es ein Problem der Branche, zu schnell Urteile zu fällen?

Eberl: Wir sind in der Hinrunde ernsthaft damit konfrontiert worden, wir sollten uns als Bayern-Jäger outen. Wir versuchen, diese Extreme in die Bahnen zu lenken.

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Außer Bayern, Dortmund, Leverkusen und Schalke hat aber nur Ihr Klub in den vergangenen drei Jahren einen einstelligen Tabellenplatz belegt.

Eberl: Weil alle Verantwortlichen bei uns in eine Richtung arbeiten. Es hilft nichts, wenn in der Führung der eine offensiv denkt und der andere defensiv spricht. Dann kommt es zu einem schlecht beherrschbaren Ping-Pong-Spiel.

Nur Typen ohne Ecken und Kanten? Nicht bei Gladbach 

Borussia Mönchengladbach hat sich mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro, aber mit nur 36 Millionen Euro Lizenzspieleretat in die Spitzengruppe geschlichen. Heribert Bruchhagen, der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt, sagt voraus, dass Sie gar nicht umhin kommen, die Gehälter anzuheben oder die wichtigsten Spieler zu verlieren. Hat er Recht?

Eberl: Ich bin nicht so lange im Geschäft wie Heribert, aber ich habe in meinen sechs intensiven Jahren als Sportdirektor auch meine Erfahrungen gemacht. Wenn ein Verein überraschend erfolgreich ist, droht immer ein Verkauf wichtiger Spieler – das haben wir erlebt, als wir Vierter wurden und mit Marco Reus, Roman Neustädter und Dante drei Topakteure verloren haben. Derzeit geht immer nur einer: Marc-Andre ter Stegen vergangene Saison, Christoph Kramer nach dieser Spielzeit. Natürlich kann es uns passieren, dass sich Topvereine wie Bayern oder Barcelona bei uns bedienen,
aber die Zeiten sind vorbei, dass Bremen, Hamburg oder Stuttgart zugreifen.

Sie haben jemanden, der Ihnen etwas über die charakterliche Eignung eines neuen Spielers erzählt. Wer ist das?

Eberl: Diese Person möchte ich nicht nennen – es ist aber kein Geheimagent. Aber er nimmt uns viel Arbeit ab, denn das Fußballerische ist nur eine Facette. Wenn man einen Transfer tätigt, dann erwirbt man ja keine Maschine, sondern einen Menschen mit Seele, Psyche und Vorleben. Es geht dabei auch um seine Familie, seine Ausbildung oder seine Verletzungen. Dieses Gesamtpaket versuchen wir vorher zu ergründen.

Ist das heutzutage noch wichtiger, weil die Profis längst Personen des öffentlichen Lebens sind? Marco Reus wird den Makel nie mehr los werden, jahrelang ohne Führerschein unterwegs gewesen zu sein.

Eberl: Das beispielsweise habe ich auch nicht gewusst. Ich wusste, dass er anfangs keinen Führerschein besaß, weil ihn Tony Jantschke häufiger mitgenommen hatte. Als er dann irgendwann mit dem Wagen vorgefahren kam, bin ich davon ausgegangen, dass er die Fahrerlaubnis besitzt. Aber wir führen ja keinen Charaktertest durch. Und wenn einer in seinem Leben mal einen Fehler gemacht hat, ist das auch nicht unbedingt ein K.-o.-Kriterium. Es würde unserem Kader bestimmt nicht guttun, nur Typen ohne Ecken und Kanten zu holen.

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Wie überzeugen Sie das nächste Toptalent? Laden Sie es in den Borussia-Park zum Europa-League-Spiel gegen den FC Sevilla ein?

Eberl: Das wäre nicht so schlau, weil bei solch einem Spiel das Medieninter­esse sehr groß ist – da setze ich mich besser nicht mit einem neuen Spieler auf die Tribüne.