Färjestaden. . Nach der 0:1-Niederlage bei der Europameisterschaft gegen Norwegen macht sich leichte Unruhe im Lager der DFB-Frauen breit. Am Sonntag trifft die deutsche Mannschaft im Viertelfinale auf Italien. „Wenn wir nicht bald den Arsch hochkriegen, wird das kein gutes Turnier“, warnt Kapitänin Nadine Angerer.

Es ist nicht angenehm, wenn mitten im südschwedischen Sommer wieder palettenweise Koffer und Kisten verladen werden müssen. Zeugwart Stephan Borde kam gestern zur Mittagszeit vor dem Mannschaftshotel in Färjestaden mächtig ins Schwitzen, als es galt, den nächsten Umzug der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft abzuwickeln. Draußen stapelten sich die stählernen Ungetüme, die nun wieder von der Ferieninsel Öland zurück ins Landesinnere müssen. Nach Växjo, wo diese diffuse deutsche EM-Vorrunde begann. In dem Studentenstädtchen steigt am Sonntag das Viertelfinale gegen Italien (18 Uhr/ARD). Die Partie zweier Gruppenzweiter gilt als Schlüsselspiel für die deutsche Jugendbewegung – vor vier Jahren gab es gegen denselben Gegner in Finnland ein 2:1.

Auf der Suche nach Antworten

Spanien weiter - Losentscheid für Dänemark

Spanien hat das Viertelfinale der Fußball-EM der Frauen in Schweden erreicht. Am 3. und letzten Spieltag der Gruppe C behauptete die Auswahl von Trainer Ignacio Quereda den zweiten Tabellenplatz durch ein 1:1 (1:1) gegen Russland und trifft im Viertelfinale am Montag auf Norwegen (18.00 Uhr). Im zweiten Spiel des Abends besiegelten die bereits sicher qualfizierten Französinnen das Aus Englands durch ein hochverdientes 3:0 (1:0).

Über den letzten Platz in der nächsten Runde entschied am späten Abend der Losentscheid zwischen den punktgleichen Gruppendritten Russland und Dänemark (Gruppe A). Dabei hatte Dänemark mehr Glück als Russland. Schweden, Sieger der Gruppe A, empfängt somit am 21. Juli Island (Dritter Gruppe B). Frankreich trifft auf Dänemark. Die deutschen Frauen spielen am Sonntag gegen Italien um den Halbfinal-Einzug.

In Norrköping erwischte Spanien den besseren Start und ging durch Veronica Boquetes (14.) frühen Treffer verdient in Führung, doch Jelena Terechowa (44.) gelang unmittelbar vor der Halbzeitpause der Ausgleich. Im zweiten Spielabschnitt rettete Russland das Unentschieden dann über die Zeit.

Mitfavorit Frankreich diktierte in Linköping von Beginn an das Geschehen, Eugenie Le Sommer (9.) sorgte für die frühe Führung des WM-Vierten von 2011. Die hoffnungslos unterlegenen Engländerinnen mussten im zweiten Spielabschnitt noch weitere Gegentreffer durch Louisa Necib (62.) und Wendie Renard (64.) hinnehmen und schieden mit nur einem Punkt als Gruppenletzter aus.

„Wenn wir ins Halbfinale kommen, fragt keiner danach, wie das zustande gekommen ist“, gab Celia Okyoni da Mbabi auf der Pressekonferenz die Losung aus. Die Torjägerin stellt mit ihrer Einsatzfreude noch immer ein Vorbild dar, und deshalb hat sie zusätzlich versichert, dass bitteschön niemand Parallelen zum Viertelfinal-Trauma 2011 ziehen soll. „Das ist weit weg, das belastet uns nicht.“ Das mag ja sein, doch all die Zuversicht auf den achten EM-Titel, die per Armbändchen („Laganda 008“) ausgedrückt wird, scheint nach dem in jeder Hinsicht Besorgnis erregenden 0:1 gegen Norwegen latenten Selbstzweifeln gewichen. Der Eindruck: Ratlosigkeit greift um.

Und die Wortwahl wird drastischer. „Wenn wir nicht bald den Arsch hochkriegen, wird das kein gutes Turnier“, warnt Kapitänin Nadine Angerer. Abwehrchefin Annike Krahn sagt: „Unser Spiel war auf Deutsch gesagt Scheiße.“ Und: „Die richtigen Antworten haben wir auch nicht.“ Wenn selbst eine Welt- und Europameisterin nicht erklären kann, was Silvia Neid („Ich habe einige Fragen an die Spielerinnen“) bei der Analyse in Erfahrung bringen will, schrillen die Alarmglocken.

Ein Vorwurf der Bundestrainerin zielt auf Bequemlichkeit ab: „Wenn man sich nicht wohlfühlt, muss man sich reinbeißen.“ Talent genügt nicht, wenn der Wille fehlt – Spielmacherin Dzsenifer Marozsan darf sich angesprochen fühlen. Was bei ihr hilflos aussieht, schaut bei anderen kraftlos aus. Nadine Keßler hat wegen des Triple mit dem VfL Wolfsburg genau wie die erkrankte Lena Goeßling offenbar fast alle Reserven aufgezehrt; Simone Laudehr läuft nach einem Knorpelschaden ihrer Fitness hinterher. Damit stellt das angedachte Kraftzentrum im Mittelfeld die entscheidende Schwachstelle dar.

Es gibt keinen Plan B

Offenkundig zudem, dass intern kein Plan B existiert, wenn das Kombinationsspiel stockt; dass es keine Spielerin in den Vordergrund drängt, wenn der Gegner Widerstand bietet. Dabei lief die Vorbereitung bereits am 2. Juni an – dieser in drei Lehrgängen zusammengezogen Kader besaß fast alle Zeit der Welt, Laufwege, Automatismen oder Standards einzuüben.

Frankfurts Manager Siegfried Dietrich, einflussreiche Kraft im deutschen Frauenfußball sagt, es gebe noch immer „eine Ausgangslage, mit der alles erreicht werden kann.“ Sein Potsdamer Pendant Bernd Schröder stellt bei einer Pleite die Position der Cheftrainerin infrage und hat als Nachfolgerinnen bereits Maren Meinert von der U 20 und die Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg genannt.

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Der Verband möchte die Debatte nicht führen. Präsident Wolfgang Niersbach, der sich zu einem eventuellen Halbfinale ankündigt, gefällt das Team – „egal, wie diese EM ausgeht.“ Aber würde ein zweites Viertelfinal-Aus in Folge ohne Konsequenzen bleiben? DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg, die die deutsche Delegation leitet, gefällt die Fragestellung nicht. „Welche Fehler macht Silvia Neid? Sie kann doch nicht selbst mitspielen!“ Die Bundestrainerin, so ist zu hören, braucht auf jeden Fall am Sonntag einen Sieg, um den südschwedischen Sommer ein bisschen unbeschwerter genießen zu können. Und Stephan Borde würde gewiss gerne wieder anpacken, um dann die Weiterreise nach Göteborg anzugehen.