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Das Jahr ist noch nicht um, aber es sind bereits über 330 Veranstaltungen, die Steffi Jones besucht hat, und auf allen hat sie die Werbetrommel für die Frauen-WM im Juni und Juli 2011 gerührt.
Ein einziges Mal hat die Mama dann doch geschimpft.Das ist schon etwas her, es war am Tag nach der Auslosung zur Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland. Steffi Jones, Chefin des Organisationskommitees, hatte vor der Kamera einen Scherz über die WM 2006 gemacht, über das tolle Wetter, das Franz Beckenbauer damals beim Papst bestellt habe. So einen Sommer aus dem Bilderbuch bräuchte man im kommenden Jahr wieder, und auf die Frage danach hat sie sich zu dem Satz hinreißen lassen, sie werde das bei Petrus mit ihrem Charme schon regeln.
Steffi, schimpfte die Mama danach, du kannst dich doch nicht selber loben. „Mama“, hat Steffi Jones darauf geantwortet, „ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.“ Und wie sie diese Anekdote so erzählt, vermittelt sie einem ein knappes halbes Jahr vor Beginn der WM das Gefühl: Eine Bessere für den Job hätte der DFB kaum finden können.
Zumindest keine, die diese Weltmeisterschaft bei aller nach außen getragenen Lockerheit mit mehr Ernsthaftigkeit angeht. Das Jahr ist noch nicht um, aber es sind bereits über 330 Veranstaltungen, die Steffi Jones besucht hat, und auf allen hat sie die Werbetrommel für die Frauen-WM im Juni und Juli 2011 gerührt. „Basisarbeit“ nennt sie das. Bis zum April absolviert sie noch eine Tour durch die 15 übrigen Teilnehmerländer, gleichzeitig hat sie sich noch mehr Arbeit vor Ort vorgenommen. Die Basis, das sind die neun Spielorte der WM. In sechs Städten läuft der Vorverkauf gut, aber Bochum, Leverkusen und Wolfsburg machen dem DFB Sorgen.
Reizpunkte setzen
Dabei sind die Ziele weit gesteckt, nicht nur aus finanziellen Gründen: Jones möchte eine WM mit 32 ausverkauften Spielen präsentieren. Gut 51 Millionen Euro stehen für das Turnier im Budget, sechs Sponsoren schießen jeweils vier Millionen zu, aber 27 Millionen muss der DFB über den Ticketverkauf erlösen – erst bei einer Stadionauslastung von 80 Prozent geht die Rechnung auf. Um 750 000 Karten geht es, 400 000 sind verkauft. Das ist gut, man ist zufrieden beim DFB. Allein in der Nacht nach der Gruppenauslosung wurden 20 000 Tickets im Internet bestellt. „Aber wir verkaufen nicht permanent“, sagt Jones, „wir müssen immer wieder Reizpunkte setzen und auf uns aufmerksam machen.“
Es ist dieser Spagat, den Jones schaffen muss. Einerseits: die WM-Werbetrommel rühren, den Frauenfußball verkaufen. Das wirkt wie eine ihrer leichtesten Übungen.
Steffi Jones, geboren vor fast 38 Jahren in Bonames. Es gibt einfachere Orte, um erwachsen zu werden. Damals war der Frankfurter Stadtteil arm, heute gilt er als sozialer Brennpunkt. Jones wuchs als Tochter eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter auf, der Vater verließ die Familie früh. Man erwischte Jones in jungen Jahren bei einem Kaufhaus-Diebstahl, das wirkte auf sie wie ein heilsamer Schock. Sie absolvierte eine Lehre zur Groß- und Außenhandelskauffrau. Wer sie fragt, dem listet sie die Jobs ihrer Vergangenheit auf: den als Putzfrau, den bei einem Partyservice, den bei Lidl.
Und nun, seit zweieinhalb Jahren und nach einer langen Karriere als Nationalspielerin beim DFB: Sie ist so etwas wie der Franz Beckenbauer der WM 2011, ein Vergleich, der sie nicht stört, der sie „ehrt“. Sie erlebt, wie Türen aufgehen, sie trifft die Bundeskanzlerin und erinnert sich, Demut empfunden zu haben. Sie würde gerne US-Präsident Barack Obama zur WM einladen. Ein Traum, das weiß sie. Obamas Töchter besitzen ein Trikot der deutschen Frauenmannschaft, und „das würde ich gerne noch unterschreiben“, sagt Jones.
Sie weiß, dass es Bestrebungen gibt, die Spielerinnen vor der WM nicht nur als Sportlerinnen zu vermarkten, sondern auf die Karten Lifestyle und in engen Grenzen auch Sexappeal zu setzen. Einige im Kader sind neugierig, andere dagegen blocken ab. „Wir haben jedenfalls viele attraktive Spielerinnen“, sagt Steffi Jones dazu.
Das ist die eine Seite. Die andere ist die, dass sich der deutsche Frauenfußball auch nach der WM weiter entwickeln soll. Der DFB will ihr die Frauenfußball-Abteilung im Verband anvertrauen, eigenständig und eigenverantwortlich. Es wird dann nicht mehr nur darum gehen, 30 000 Zuschauer zu einem Länderspiel zu bewegen, sondern die mal vierstelligen, oft dreistelligen Zuschauerzahlen im Liga-Alltag hochzutreiben. Bisher ist noch jeder Erfolg des Nationalteams nach einer Weile verpufft, lange bevor er in der Liga etwas hätte bewegen können. Trotzdem verknüpfen sich mit der WM im eigenen Land besonders große Hoffnungen. „Ich habe manchmal Angst, dass wir in unseren Erwartungen nicht realistisch bleiben“, sagt Jones.
Aber das sind die Probleme von übermorgen. Erstmal: die WM stemmen. Überlegen, wer einen Kontakt zu Präsident Barack Obama herstellen könnte. „Wenn ich den kriegen kann, will ich den auch haben“, sagt Jones und lächelt. Die Mama kann beruhigt sein: Am fehlenden Charme wird’s nicht scheitern.