Ottawa. Nach dem 4:1-Erfolg gegen Schweden geht es für die DFB-Frauen über den Trans-Canada-Highway nach Montreal, dort steigt am Freitag das Viertelfinale.

Selbst dem gemeinen Kanada-Touristen wird in diesem speziellen Fall ausnahmsweise von der Flugreise im Riesenland abgeraten. Von Ottawa bis Montreal sind es nur 200 Kilometer, weshalb es sich anbietet, einen der Greyhound-Busse zu nehmen: Fahrzeit zweieinhalb Stunden. Alternative wäre noch eine mit 2:20 Stunden veranschlagte Zugfahrt mit Rail Canada. Teilnehmer der Frauenfußball-WM haben es noch besser: Für sie hält der vom Fifa-Sponsor gestellte Bus direkt vor dem Teamhotel. Und so kam die fast 50-köpfige Delegation der deutschen Frauen-Nationalmannschaft am Sonntag zur Mittagszeit in den Genuss, sich über den Trans-Canada-Highway direkt ins Zentrum der pulsierenden Metropole am Strome des St. Lawrence chauffieren zu lassen.

Dort, in Montreal, wartet am Freitag mit dem Viertelfinale die nächste Aufgabe auf dem Weg zum Titel. „Es wird nicht einfacher für uns. Wir sind noch lange kein Weltmeister“, hatte Silvia Neid nach dem bisweilen beeindruckenden 4:1 (2:0) im Achtelfinale gegen Schweden gesagt, wohl wissend, dass sich ihr Team mit diesem kämpferisch wie spielerisch überzeugenden Vortrag in den Kreis der engsten Turnierfavoriten gespielt hatte.

Abwehrspielerin Bartusiak gesperrt

Und platzte die Bundestrainerin nicht fast vor Stolz über einen Triumph, der in Toren von Anja Mittag (24.), Celia Sasic (36./Foulelfmeter und 78.) und Dzsenifer Marozsan (88.) bei einem Gegentreffer von Linda Sembrant (82.) seinen Ausdruck fand? „Wir sind überglücklich. Das war ein wahnsinnig gutes Spiel von uns. Riesenkompliment an diese tolle Mannschaft.“

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Das Eingangsstatement einer emotional am Spielfeldrande coachenden Trainerin („Ich kann mich doch nicht in einen Sessel legen“) auf der Pressekonferenz drückte eine innere Genugtuung aus – anders als bei der Heim-WM 2011 hatte ihr Kader im ersten K.o.-Kriterium nicht verkrampft gewirkt, sondern punktgenau geglänzt. Und das bei extremen äußeren Bedingungen. „Es waren 38 Grad. Mir war daher wichtig, dass wir zwei gute Halbzeiten hingelegt haben. Das war vielleicht ein Schlüsselspiel, weil wir noch nicht so viele hatten von dieser Qualität“, sagte die 51-jährige Chefin, die ihren Spielerinnen am Sonntagmorgen eine Regenerationseinheit verordnete. Der kommende Gegner wurde in der Nacht zum Montag zwischen Frankreich und Südkorea (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) ermittelt.

DFB-Frauen gleichzeitig kämpferisch und locker

Der nächste Prüfstein muss allerdings ohne Saskia Bartusiak bezwungen werden: Die Frankfurter Abwehrspielerin handelte sich nach einem unglücklichen Einsteigen bereits die zweite Gelbe Karte ein und fehlt gesperrt. Auf die Zähne beißen will Vereinskollegin Simone Laudehr, die auf dem aufgeheizten Kunstrasen im sonnenüberfluteten Lansdowne Stadium so böse umgeknickt war, dass die Zuschauer bei der Wiederholung auf der Videowand mitleidig aufstöhnten, aber die Diagnose lautete lediglich: leichte Bänderdehnung im Sprunggelenk. „Das tat kurz weh, aber nach 20 Jahren ständigen Umknickens merke ich nix mehr“, meinte das „Kampfschwein“ (Eigenbeschreibung Laudehr) lapidar.

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Es ist diese Mischung aus Hingabe und Opferbereitschaft, Kampfkraft und Spielwitz, Einsatzwillen und Lockerheit, die der deutschen Elf gerade viel Qualität gibt. Deshalb hat auch die sonst so kritische Kapitänin Nadine Angerer mal einen ersten imaginären Lorbeerkranz geflochten: „So will man eine deutsche Mannschaft sehen.“

Finale am 5. Juli in Vancouver

Und doch tut die DFB-Auswahl gut daran, keinen Überschwang walten zu lassen. Experten wie Ralf Kellermann, der zum Welttrainer im Frauenfußball gekürte Titelsammler des VfL Wolfsburg, zeigte sich vor Ort in Ottawa geradezu entsetzt, wie konzept- und kopflos der Weltranglistenfünfte Schweden agierte.

Während Schweden nach Hause fährt, hat die Reise des Europameisters erst angefangen. Jedenfalls, wenn man der Schwedin Sofia Jakobsson folgt: „Wenn die Deutschen so weiterspielen, sind sie sogar besser als die USA. Die können es hier ganz weit bringen.“ Sogar bis nach Vancouver, den Endspielort am 5. Juli. Dorthin, ganz an die Westküste ginge es dann aber garantiert wieder mit dem Flugzeug.