Düsseldorf. Im Interview vor dem großen Spiel gegen Bayern München am Samstag spricht Trainer Norbert Meier vom Aufsteiger Fortuna Düsseldorf über den unverhofften Aufstieg der Fortuna und den veränderten Umgang mit jungen Spielern.
Die Zeit drängt bei Norbert Meier. Der Trainer von Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf ist derzeit ein gefragter Mann: „Fangen wir gleich an“, sagt Meier. Bitte sehr.
Herr Meier, wie schlägt man Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr, live im DerWesten-Ticker)?
Norbert Meier: Darüber mache ich mir erst intensive Gedanken, wenn es unmittelbar auf das Spiel zugeht. Natürlich bereite ich mich vor, aber wir pflegen unsere Dinge, was den Gegner angeht, relativ spät anzugehen. Vorher kann einfach noch zuviel passieren. Ganz ehrlich? Das Spiel sehe ich völlig entspannt.
Weil es ein so gutes Gefühl ist, dass man in Düsseldorf überhaupt wieder nach den Bayern fragen kann?
Meier: Zumindest konnte keiner erwarten, dass wir aus der 2. Liga in kurzer Zeit in die Bundesliga vorschießen. Das war kein geplanter Aufstieg.
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Nun sind Sie oben...
Meier: Das eine ist der Aufstieg. Das andere ist, dass man strukturell wächst. Hier arbeiten alle sehr honorig, alle tun ihr Bestes. Aber es geht nicht von heute auf morgen. Sie können nicht innerhalb kurzer Zeit aus einer Imbissbude eine Großraumdisco machen.
War Fortuna, als Sie vor viereinhalb Jahren kamen, eine Imbissbude?
Meier: Nein, das meinte ich nicht, das sollte nur als Vergleich dienen. Sie können glauben, dieser Verein hat auch damals gelebt. Mit seiner ganzen Tradition.
Macht Tradition das Arbeiten schwierig, weil die Erwartungen in diesen Vereinen so hoch sind?
Meier: Nein, eigentlich nicht. Hier herrscht eine realistische Einschätzung der Dinge. Und zwar im Verein und auch bei den meisten Fans. Dass die Leute im Moment euphorisch sind, ist ja in Ordnung. Aber intern müssen wir auf dem Teppich bleiben. Sehen, was machbar ist. Und ruhig weiter arbeiten.
Sind Sie denn nicht auch vom guten Start überrascht?
Meier: Wir sind unsere Spiele so angegangen, wie wir das immer gemacht haben. Vielleicht gibt es in der Bundesliga für andere leichte Spiele. Für uns nicht. Bayern ist für uns ein besonderes Spiel, aber das heißt nichts. Weil für uns jedes Spiel in dieser Liga ein besonderes ist. Wir werden mit Rückschlägen klar kommen müssen. Da müssen wir resistent sein, uns nicht unterkriegen lassen. Wir wollen die Liga halten. Nur darum kann es gehen. Und dann schauen, wie wir uns auf Dauer etablieren können.
Sie sind seit Januar 2008 Trainer in Düsseldorf. Am Samstag werden Sie der Trainer sein, der bei der Fortuna an einem Stück am längsten im Amt war.
Meier: Keine Ahnung. Ist das so?
Ist so. Bedeutet Ihnen das etwas?
Meier: Eher wenig. Mir macht es seit viereinhalb Jahren Spaß in diesem Verein und mit der Mannschaft zu arbeiten. Es war gewiss nicht immer einfach hier, aber was ist schon einfach? Also, wenn Sie so wollen: Wir freuen uns jetzt mal, das spricht ja für unsere Arbeit in der sportlichen Leitung.
Ist es schwieriger geworden, als Trainer länger bei einem Verein zu arbeiten?
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Meier: Ja, das ist wohl so. Es hat sich vieles verändert im Fußball.
Die Spieler?
Meier: Sagen wir so: Wir Trainer müssen uns auf eine andere Generation einstellen. Junge Spieler ticken heute anders als wir früher. Sie wachsen anders auf, oft werden sie in Internaten ausgebildet. Man holt sie zum Training ab, fährt sie wieder nach Hause. Das gab es früher nicht. Ich bin als Jugendspieler beim FC St. Pauli noch mit der S- und der U-Bahn zum Training gefahren. In Hamburg war ganz schön was los, und wenn man abends um 22 Uhr am Millerntor in die U-Bahn eingestiegen ist, musste man ab und zu ein bisschen aufpassen. Andererseits ist die Freizeit heute weniger geworden, die jungen Spieler haben viel mehr Termine, sie stehen mehr in der Öffentlichkeit als wir damals. Für uns Trainer bedeutet das eine erweiterte Berufsbeschreibung.
Was muss man anders machen?
Meier: Früher wurde das Leben als Profi von uns doch eher kritiklos angenommen. Man hat sich den Dingen einfach gestellt. Heute kommen Spieler auch mit privaten Dingen zu einem. Natürlich zählt in erster Linie die Leistung, aber man muss sich schon mit dem Menschen beschäftigen, der da vor einem steht. Spieler wie eine Nummer zu behandeln, funktioniert nicht mehr.
Kann man noch mit Geschichten von früher kommen?
Meier: Doch, sehr gut. Solange man nicht alles glorifiziert und die Jungs erfahren, dass man selber auch mal einen aus zwei Metern zur Eckfahne statt ins Tor gedroschen hat.
Warum Fortuna-Trainer Meier kein Freund der sozialen Medien ist
Nach dem 4:4 der Nationalelf gegen Schweden ist die Debatte um die Notwendigkeit von Führungsspielern wieder entbrannt. Hat Ihr Team eine eher flache Hierarchie, oder haben die Leitwölfe das Sagen?
Meier: Ach, das weiß ich gar nicht so genau. Wir haben zum Beispiel mit Jens Langeneke und Andreas Lambertz noch zwei Spieler dabei, die bei Fortuna waren, als ich vor viereinhalb Jahren anfing. Natürlich haben die ihren Stellenwert. Beide sind mit ihren Aufgaben gewachsen. Andreas Lambertz hat hier in der vierten Liga gespielt. Seitdem hört er nach jedem Aufstieg: Na, ob das jetzt noch reicht? Und jetzt spielt er in der Bundesliga. Das ist doch eine herrliche Geschichte. Hierarchie ergibt sich doch oftmals aus den Leistungen auf dem Feld. Wer auf Strecke herausragend spielt, ist unantastbar.
Formulieren wir die Frage anders: Sterben im Fußball die Typen aus?
Meier: Ja, das kann schon sein. Es wird inzwischen alles beobachtet, man muss in jeder Szene aufpassen, ob nicht eine Kamera auf einen gerichtet ist, wenn man den Finger in der Nase hat. Wir sind alle gläsern geworden. Ich kann schon verstehen, dass Spieler keinen Bock mehr haben, sich zu jedem Mist äußern zu müssen. Heute lesen Journalisten mitunter auf Facebook und Twitter mit. Alles ist sofort öffentlich. In der Konsequenz ist es so, dass die Baslers, die auch mal polarisiert haben, weniger werden.
Sind Sie eigentlich bei Facebook?
Meier: Das fehlte mir noch. Urplötzlich hat man 15 000 Leute zur Geburtstagsfeier eingeladen und weiß gar nicht, warum. Danke. Da frage ich mich: Was soll da noch alles kommen?