Wiesensee. Axel Bellinghausen geht mit Fortuna Düsseldorf in seine letzte Saison als aktiver Spieler. Im Interview spricht er über Torturen und Tränen.

Es gibt sie tatsächlich. Jene Fußballprofis, die ein Trainingslager genießen können. Fortuna Düsseldorfs Dauerbrenner und Publikumsliebling Axel Bellinghausen zählt dazu. Der 34-jährige Außenbahnläufer leitet seine finale Zweitliga-Saison schweißtreibend ein. Erst eine Woche am Wiesensee im Westerwald, dann geht’s ins zweite Camp nach Maria Alm/Österreich. Ein Jahr noch kicken, dann ist für Bellinghausen Schluss. Mit 35. Ein selbst gewähltes Ende, dass Düsseldorfs Kämpfer-Ikone ein Jahr Fußball mit Genuss bescheren soll.

Löst Ihr letzter Trainingslager-Sommer als Profi bei Ihnen Wehmut aus?

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Axel Bellinghausen: Nein, ich habe das ja bewusst so gewählt. Weder ein Arzt, noch Mitleid sollten bestimmen. Ich wollte nicht so traurig abtreten wie jetzt Claudio Pizarro oder Ivica Olic. In Bremen wird ein so verdienter Spieler wie Pizzaro weggeschickt. Olic hat sich im Laufe seiner Karriere für jede Elf so unheimlich reingehauen, da taten mir sein Abstieg mit 1860 und die Umstände des letzten Spiels echt weh.

Hat auch Ihre lange Verletzungspause in der Saison 2013/14 eine Rolle gespielt, das Karriereende festzulegen?

Bellinghausen: Ich habe da erkannt, dass alles schnell am seidenen Faden hängen kann. Letztlich aber hat mir die Knieverletzung damals mehr gegeben als genommen.

Das müssen Sie erklären…

Bellinghausen: Die lange Auszeit hat meine Sinne dafür geschärft, wirklich den geilsten Job der Welt zu haben, viel rumzufahren, viele Kontakte aufzubauen, das zu tun, was einem am meisten Spaß macht. Das sollte sich jeder Profi ab und zu vor Augen führen.

Dabei sah es am Anfang Ihrer Karriere gar nicht so gut aus. Sie sind 2002 gleich mit Fortuna in die Oberliga abgestiegen.

Fortuna-Spieler Axel Bellinghausen (l.) beim Interview mit Redakteur Michael Ryberg.
Fortuna-Spieler Axel Bellinghausen (l.) beim Interview mit Redakteur Michael Ryberg. © Michael Ryberg

Bellinghausen: Und doch war es im Nachhinein fast das Beste, was mir damals als A-Jugendlicher passieren konnte, auch wenn es für den Verein beschissen lief und wir nur drei Wochen von der Insolvenz entfernt waren. Ich durfte eine Menge spielen.

Eine Woche vor Ihrem Debüt in Münster haben die Fans beim 0:2 gegen Magdeburg Mülltonnen auf den Rasen des Paul-Janes-Stadions geworfen und so einen Trainerwechsel provoziert.

Bellinghausen: Bei Fortuna waren schon immer große Emotionen im Spiel. Das macht ja auch einen Verein aus. Und mit Düsseldorf habe ich ja auch einen noch bitteren Moment erlebt.

Den Bundesliga-Abstieg 2013.

Bellinghausen: Ja, zehn Spiele lang haben wir es nicht hinbekommen, drei Punkte zu machen. Dass es uns in den letzten fünf Spielminuten der Saison in Hannover erwischt, war ein harter Tiefschlag.

Ihr emotionalstes Spiel hatte auch mit dem Abstieg zu tun.

Bellinghausen: Im Mai 2008 musste ich mit Kaiserslautern das letzte Zweitliga-Spiel gegen Köln gewinnen, sonst wären wir in die 3. Liga gefallen. Das war eine psychische Tortur, die ich kein zweites Mal brauche.

Ist doch aber gut gegangen, oder?

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Bellinghausen: Aber nur, weil Helmes für Köln gegen den Innenpfosten schießt und wir im Gegenzug in der 70. Minute das 1:0 machen. Danach öffnet der Himmel für 20 Minuten die Schleusen: Fritz-Walter-Wetter! Wir gewinnen 3:0, in der Stadt wird mehr gefeiert als nach der Meisterschaft.

Fritz Walter hat es von oben mitentschieden, oder?

Bellinghausen: (lacht) Ein Zufall war es jedenfalls nicht.

Dass Sie sich gegen Ihren alten Lieblingsklub Köln gerettet haben, wohl auch nicht.

Bellinghausen: Müngersdorf war in meiner Jugend von Siegburg aus das nächste Bundesliga-Stadion. Ich war mit meinem Papa häufig dort. Als Pierre Littbarski sein Abschiedsspiel gab und nach Japan gewechselt ist, habe ich geheult.

Haben Sie das Ihrem Idol später mal erzählt?

Bellinghausen: Ja, per Zufall. Bei meinem Abschied vom FC Augsburg hat mir Radio Fantasy eine vierstündige Sendung gewidmet. Da war dann auch plötzlich Litti in der Leitung und hat mir erklärt, warum er damals nach Japan gegangen ist.

Wäre für Sie ein Wechsel nach Japan auch ein ernstes Thema gewesen?

Bellinghausen: Die Möglichkeit war nie da. Ich hatte aber auch so viel Glück, bei drei tollen Vereinen spielen zu dürfen.

Düsseldorf bleiben Sie erhalten, was machen Sie im Verein ab Sommer 2018?

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Bellinghausen: Es gibt gewisse Ideen, aber noch keine 1A-Lösung. Da tasten wir uns ran. Ich will mich erst einmal sportlich mit einer guten Saison verabschieden.

Ist ohne Dominatoren wie Hannover und Stuttgart in der 2. Liga die Chance größer, in die Bundesliga zurückzukehren?

Bellinghausen: Das werden viele Teams neben uns denken. Das Rennen wird ein knappes Höschen.