Düsseldorf. Düsseldorfs Cheftrainer Frank Kramer über seine Arbeit, für die er privat einen hohen Preis zahlt. Die Sehnsucht nach der Familie muss er ausblenden können.

Noch bevor der Fußball auch nur einen Zentimeter gerollt ist, unterbricht ein lauter Pfiff die Passübung. Frank Kramer schüttelt den Kopf, postiert seine Fußballer genau so, wie sich Fortunas Cheftrainer das vorgestellt hat. Die Szene wird sich noch einige Mal wiederholen, ehe das Spielgerät erstmals ohne eingreifende Korrekturen über mehrere Stationen gespielt wird. Wieder und wieder wird abgebrochen, korrigiert, kritisiert, motiviert. Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sich aus den fehlerhaften Versuchen die gewünschten Automatismen ergeben. Akribisch, detailversessen, perfektionistisch – immer wieder fallen diese Worte, wenn man die Zweitliga-Kicker von Fortuna Düsseldorf auf die Charaktereigenschaften ihres neuen Trainers anspricht. Der 43-Jährige würde ihnen sicherlich nicht widersprechen, hätte er es sich nicht zum Grundsatz gemacht, die Beurteilung seiner Person lieber anderen zu überlassen.“ Ich verspüre eine gewisse Rastlosigkeit“, sagt Kramer.

„Ich bin es gewohnt, immer etwas zu vermitteln"

Fast sein halbes Leben verbringt er schon damit, anderen Menschen Wissen und Werte zu vermitteln. Erst Ende des vergangenen Jahres wurde aus dem Teilzeit-Trainer und Gymnasiallehrer für Englisch und Sport der Vollzeit-Coach Kramer. Ob er ein strenger Lehrer war? Das Selbstbild differiert. „Ich war ein konsequenter Lehrer.“ Jene Konsequenz bekommen nun auch die Fortunen im täglichen Training zu spüren. Einige Parallelen zum Pädagogen-Alltag sind dabei natürlich nicht von der Hand zu weisen. „Ich bin es gewohnt, immer etwas zu vermitteln. Wie in der Schule oder an der Uni kann ich auch im Fußball Dinge vermitteln, die häppchenweise umgesetzt werden. Mir liegt es mit Menschen umzugehen“, so Kramer.

Man könnte meinen, die berufliche Laufbahn sei ihm bereits in die Wege gelegt worden. Vater Kurt arbeitete als Hauptschullehrer, war Ehrenspielführer und Trainer beim FC Memmingen. Unterbewusst habe sich der Weg des Vaters beim Sohn vielleicht abgezeichnet, mutmaßt Kramer: „Als ich zur Schule ging habe ich es nicht geplant, als Lehrer wieder herauszukommen!“

Ganz bewusst fiel hingegen der Entschluss, statt Sport und Englisch ausschließlich nur noch Fußball zu unterrichten. Als Lehrgangsbester schloss Kramer seine Trainerausbildung ab. Doch für seinen beruflichen Traum zahlt er privat einen hohen Preis.

"Du kannst in dem Job einfach keine Rücksicht nehmen"

„Die Familie muss wahnsinnig oft zurückstecken, aber du kannst in dem Job einfach keine Rücksicht nehmen. Das würde auch dem gesamten Umfeld nicht gut tun“, sagt Kramer, der Frau Karin und die Kinder Leni und Emil in der fränkischen Heimat zurückließ. Die Sehnsucht nach der Familie ausblenden zu können, lernt man bei keinem Trainerlehrgang. „Natürlich bewegt es einen, wenn die Kinder abends ins Bett gehen und traurig sind, weil der Papa nicht da ist. Ich vermisse meine Familie. Wenn du aber von morgens halb acht bis in die Nacht als Trainer eingespannt bist, hast du keine Zeit dem nachzuhängen.“ Dem großen Ziel wird alles untergeordnet. Es grenzt fast schon an Selbstaufgabe. Trainer und Familie müssen autark funktionieren können. Derzeit würde es keinen Sinn machen, die Familie nach Düsseldorf zu holen. „Dafür genießen wir die wenige Zeit, die wir gemeinsam verbringen können, umso intensiver“, sagt Kramer, der einige seiner Eigenschaften auch bei Sohn Emil feststellen kann: „Er ist total aufgeladen, lebhaft, einfach nicht kaputtzukriegen.“

Die Familie nach Düsseldorf zu holen würde derzeit keinen Sinn machen, sagt Kramer. Er weiß, dass seine Art und seine Arbeit für seine Liebsten eine hohe Bürde sind. „Mit jemandem zusammen zu sein und zusammenzuleben, der eigentlich immer unterwegs ist, der immer auf der Suche nach einer Verbesserung, einer Entwicklung ist, ist nicht einfach. Ich glaube schon, dass es anstrengend sein kann mit mir, aber der Fußball-Film läuft immer weiter.“