Essen. Vor dem Halbfinale bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 zwischen Deutschland und Italien haben wir mit dem Sportpsychologen Andreas Marlovits gesprochen. “Man muss alles in allem sagen, dass Italien vor dieser Partie mental die besseren Startbedingungen genießt“, sagt Marlovits.

Deutschland gegen Italien, Deutschland gegen seinen Angstgegner. Wie geht man mit einem Angstgegner um?

Andreas Marlovits: Joachim Löw hat einen guten Weg gefunden. Er wirkt im Vorfeld des Spiels dem Begriff Angst entgegen, er spricht von Respekt. Das muss er tun, denn Angst wirkt zerstörerisch. Sie setzt beim Individuum an, aber wenn man nicht aufpasst, löst sich am Ende ein ganzes Gefüge auf.

Was hat diese junge Mannschaft mit den Niederlagen der Vergangenheit zu schaffen?

Marlovits: So argumentiert man, um dem Thema Dramatik zu nehmen. Trotzdem steckt der Ruf der Italiener als Angstgegner in den Köpfen. Sollte Italien früh in Führung gehen, kann schon genau der Effekt einsetzen, den man vermeiden möchte. Man muss alles in allem sagen, dass Italien vor dieser Partie mental die besseren Startbedingungen genießt.

Andrea Pirlo hat im Elfmeterschießen gegen England alle Welt mit seinem Lupfer in die Tormitte begeistert. Würde er sich das auch gegen Manuel Neuer trauen?

Marlovits: Es wäre blöd, das noch einmal zu versuchen. Ich kann mir das auch nicht vorstellen, Italien würde mit so einer Aktion beginnen, mit dem eigenen Schicksal zu spielen. Außerdem haben deutsche Torhüter im Gegensatz zu englischen ihren Ruf als Elfmeterkiller. Pirlos Elfer war abgezockt, war Ausdruck von Sicherheit in einer extremen Gefahrensituation. Und an der Grenze zur Überheblichkeit.