Kiew. Früher galten die großen Turniere Welt- und Europameisterschaften als die Messen des Weltfußballs, wo international unbekannte Spieler zu Weltstars werden konnten. Heute sind die meisten Teilnehmer auch dank der Champions League gut bekannt, dennoch kann die EM den Marktwert der Spieler beeinflussen.

Horst Heldt dürfte sich insgeheim gefreut haben. Das sagt der Sportdirektor von Schalke 04 natürlich nicht, und erst recht würde er dies nicht im Vier-Augen-Gespräch mit Klaas-Jan Huntelaar äußern. Doch dass der Bundesliga-Torschützenkönig bei den drei EM-Pleiten der Niederländer kaum zum Einsatz gekommen war und schon nach der Vorrunde wieder seine Koffer packen musste, dürfte Heldt bei den anstehenden Vertragsgesprächen in die Karten gespielt haben.

Huntelaar hatte die finalen Gespräche über eine Verlängerung des 2013 auslaufenden Vertrages auf den Zeitraum nach der EM vertagt. Aus gutem Grund: Hätte der "Hunter" ebenso regelmäßig getroffen wie in der Liga, wäre sein Marktwert in die Höhe geschnellt und die Interessenten aus ganz Europa hätten Schlange gestanden. Auch Edelreservist Rafael van der Vaart gehört zu den Verlieren der EM. Und sollten die Schalker tatsächlich den früheren HSV-Star zurück in die Bundesliga holen wollen, müssten sie kaum mehr als die vor gut einem Monat kolportierten 15 Millionen Euro auf den Tisch legen.

So läuft es auf der großen Bühne EM. Ein starkes Turnier, und schon schnellt der Marktwert eines Spielers in manchmal astronomische Höhen. Bestes Beispiel war der frühere portugiesische Mittelfeldstar Luis Figo. Nachdem er im Jahre 2000 zum besten Spieler der EM ausgezeichnet worden war, wechselte er anschließend für die damalige Rekordsumme von 60 Millionen Euro vom FC Barcelona zum Erzrivalen Real Madrid. Die "Königlichen" waren es auch, die 2006 nach dem WM-Titel der Italiener deren Abwehrchef Fabio Cannavaro verpflichteten. 20 Millionen Euro waren damals im Paket mit Emerson an Juventus Turin fällig.

Besonders junge Spieler können Marktwert steigern

"Der Marktwert eines Spielers kann sich bei einer EM verändern, aber in der Regel nicht entscheidend. Der Marktwert der großen Spieler ist schon vor der EM gemacht", sagt Roger Wittmann von der Spielerberatungsagentur ROGON der Nachrichtenagentur dapd: "Der von Cristiano Ronaldo lag bei 90 Millionen Euro. Bei dem weiß man, was er kann. 180 Millionen Euro würde wohl schwerlich jemand bezahlen können. Bei jungen Spielern kann sich da mehr tun."

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Oder etwa bei den positiven Überraschungen wie Stürmer Mario Mandzukic vom VfL Wolfsburg. So dürfte Trainer Felix Magath die Spiele der Kroaten mit Dollarzeichen in den Augen verfolgt haben, als der Stürmer in der Vorrunde gleich dreimal zuschlug. Der Stürmer will den Verein verlassen, und dass plötzlich Vereine wie FC Barcelona, Juventus Turin, Paris St. Germain oder AC Florenz als mögliche Abnehmer gehandelt werden, kommt Magath nur zupass.

Mandzukic ist einer der Gewinner, aber längst nicht der einzige. "Prozentual dürften das natürlich die Spieler sein, die mit einem eher geringen Marktwert in das Turnier gestartet sind, da sie bisher in den kleineren Ligen gespielt haben und die EM als Sprungbrett in die europäischen Top-Ligen nutzen", erklärt Experte Matthias Seidel vom Internetportal transfermarkt.de auf dapd-Anfrage: "Als Beispiele würden mir spontan die Tschechen Pilar und Gebre Selassie oder auch der Däne Krohn-Dehli einfallen." Auf zwei der Shootingstars darf sich auch die Bundesliga freuen. Selassie wechselt zu Werder Bremen, Pilar zieht es nach Wolfsburg.

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Hummels im Gegensatz zum Polen-Trio ein Gewinner

Auch im deutschen Team gibt es Gewinner. Seidel nennt Sami Khedira oder Mats Hummels. Insbesondere der Dortmunder Verteidiger, der vor dem Turnier noch nicht einmal einen Stammplatz bei Joachim Löw sicher hatte, wird nach seinen starken Leistungen längst zu den besten Verteidigern Europas gezählt. Ein Status, den Hummels Dortmunder Teamkollegen Marek Lewandowski, Jakub Blaszczykowski und Lukasz Piszczek beim Vorrunden-Aus des Gastgebers nicht untermauert haben. So dürfte die Prophezeiung von Polens Nationalcoach Franciszek Smuda kaum eintreffen, wonach alle drei Spieler zu einem der europäischen Top-Klubs wechseln.

Da sind Stars wie Cristiano Ronaldo (Real Madrid), Mario Gomez (Bayern München), Zlatan Ibrahimovic (AC Mailand) oder Wayne Rooney (Manchester United) längst zu Hause - und nach ihren Toren bei der EM wird sich daran auch nichts ändern. "Grundsätzlich wird der Marktwert eines Spieler in der Bundesliga und dann in der Champions League gemacht, wo der Spieler eine ganze Saison lang sein Können beweisen muss", ergänzt Wittmann. (dapd)