Danzig. . Mats Hummels und Holger Badstuber bilden in der Nationalelf von Bundestrainer Joachim Löw die Innenverteidigung. Auf dem Platz verstehen sie sich gut, doch beide scheinen den jeweils anderen als Konkurrenten zu empfinden, wenn sie in den Spiegel fragen: Wer ist der beste Verteidiger im ganzen Land?

Holger Badstuber zieht die Augenbrauen so fest zusammen, dass oberhalb seiner Nasenwurzel zwei tiefe Falten entstehen. Er tut das sehr häufig. In den Minuten vor dem Anpfiff im Spielertunnel, wenn er darauf wartet, aufs Feld gelassen zu werden. Konzentriert sieht das aus. Wenn er nach den Spielen Interviews gibt. Angestrengt sieht das aus. Und auch jetzt, als er im deutschen Mannschaftsquartier vor den Kameras der internationalen Medien Platz nimmt. Ernst sieht das aus, denn Holger Badstuber ist ein ernsthafter junger Mann.

So wie Mats Hummels, der zur gleichen Zeit auf der Terrasse vor dem Wintergarten des Mannschafts-Hotels sitzt und die Fragen zur nationalen Fußball-Befindlichkeit beantwortet. Sie sind gefragte Gesprächspartner in diesen Tagen, denn Badstuber und Hummels bilden die deutsche Innenverteidigung bei diesem Europameisterschafts-Turnier in Polen und der Ukraine. Zwei 23 Jahre alte Burschen, beide in München groß geworden, beide beim FC Bayern ausgebildet, beide hoch begabt. Männer, von denen Talent-Entdecker Hermann Gerland schon vor Jahren behauptete, dass sie einmal zusammen in der Nationalmannschaft spielen werden.

Ähnliche Vergangenheit

Nun tun sie es, sehr gut sogar. Das könnte eigentlich eine wundervolle Geschichte sein von Zweien, die eine ähnliche Vergangenheit hinter sich haben und eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft im Nationalteam vor sich. Von Zweien, die sich zusammen als das Nonplusultra deutscher Abwehrkunst begreifen. Stattdessen scheinen beide den jeweils anderen als Konkurrenten zu empfinden, wenn sie in den Spiegel fragen: Wer ist der beste und modernste Verteidiger im ganzen Land?

Das mag an den Umständen ihrer Karrieren liegen. Mats Hummels grämt immer noch ein wenig, es bei den Bayern nicht geschafft zu haben. Mittlerweile ist ihm zwar Borussia Dortmund mehr als ein Zuhause geworden, möglich, dass ihm nie etwas Besseres hätte passieren können als die damalige Flucht aus München. Aber geschafft hätte er es damals schon gern beim großen FC Bayern.

Badstuber schaffte Durchbruch in München

So wie Holger Badstuber, der kurz nachdem Hummels zum BVB gewechselt war, den Durchbruch an der Säbener Straße schaffte. Badstuber jedoch wurmt, dass es nun so aussehen könnte, als habe er es dort nur so schnell gepackt, weil Hummels da schon längst weg war. In der Nationalmannschaft wiederum war Badstuber der Erste, 2010 schon bei der WM war er dabei, während Hummels trotz größter Hoffnungen keine Einladung erhielt.

Überhaupt sah und sieht sich Hummels im Kreise der deutschen Fußball-Elite besonders beäugt. Nach seinen beeindruckenden ersten Spielen bei der EM hielt man ihm vor, dass er seine Belange über die der Mannschaft stelle. Er sagte, dass er zufrieden sei mit dem bisherigen Turnier, „weil ich spiele, wir gewonnen haben und ich meinen Teil dazu beitragen konnte.“ Erst ich, dann wir – das war die Anklage.

Dabei spielt Hummels in Dortmund in einem von Jürgen Klopp sorgsam austarierten System, das vom Gruppengedanken lebt. Wäre Hummels ein Ich-Hummels und kein Wir-Hummels – Klopp hätte ihn längst auf Normalmaß zurechtgebügelt. Aber Hummels ist nun mal die auffälligere, medientauglichere Gestalt, weil er aussieht wie aus einem Hollywood-Streifen, weil er geschliffen formuliert, weil er seine eigenen Ansichten und Vorstellungen von den Dingen hat.

Allzu selbstbewusst

Zum Beispiel die, dass er kein Mitläufer sein möchte, sondern eine Führungskraft, die Verantwortung übernimmt. Als er das sagte, war er noch ein gutes Stück entfernt von seinem jetzigen nationalen Status, weshalb ihn so mancher seitdem für einen allzu selbstbewussten jungen Mann hält, der nicht begriffen zu haben scheint, dass in der Ära Löw alle kantigen Typen mit Hang zum Egoismus aussortiert wurden. Aber das ist es ja: Hummels’ Antrieb ist eher nicht sein Ego, sondern Erfolg. Nur darum geht es ihm, er hat das früh verinnerlicht, bei den Bayern. Wie Holger Badstuber.

„Wir kommen von der gleichen Schule“, sagt der Münchner. Ein paar Spiele haben die beiden bei den Amateuren gemacht und vorher in der U15, Hummels als Stürmer, Badstuber als Mittelfeldmann. Die Zeit reichte offenbar nicht, sie einander näher zu bringen. „Wir verstehen uns jetzt richtig gut“, sagt Badstuber und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: „Auf dem Platz.“