Danzig. Überraschend stand Innenverteidiger Mats Hummels vom Deutschen Meister Borussia Dortmund im deutschen EM-Auftaktspiel gegen Portugal in der Startelf. Er nutzte seine Chance eindrucksvoll und überzeugte beim 1:0-Erfolg mit einer brillanten Leistung.

Das lockige Haar steht ein wenig struppig von seinem Kopf ab. Mats Hummels (23) hat es offenbar nicht mehr so recht gebändigt bekommen an diesem Morgen, der schon ein Mittag ist. Es war trotzdem eine kurze Nacht im deutschen Mannschaftsquartier in Danzig, um 3.30 Uhr lag er erst in seinem Bett, und noch immer hüpften da die Gedanken an dieses Spiel in Lemberg durch seinen Kopf wie kleine bunte Flummis. Ein Spiel, das er nie vergessen wird. Ein Spiel wie ein Monument in seiner Karriere. Ein Spiel, an dem er eigentlich nie hätte teilnehmen sollen.

Hummels hat mehr Spielpraxis als Mertesacker

Für Innenverteidiger, wie der Mann von Borussia Dortmund einer ist, sieht der Fußball nun mal nur zwei Planstellen vor. Auf die eine hatte sich nach der Pensionierung von Arne Friedrich der Münchner Holger Badstuber (22) erfolgreich beworben. Und auf der zweiten saß immer Per Mertesacker, ein verlässlicher, loyaler Mitarbeiter, der seinen Chef, Bundestrainer Joachim Löw, vom ersten Tag an im Amt begleitete. Dem 27-Jährigen hatte Löw den anderen Posten in seiner zentralen Defensivabteilung bis 24 Stunden vor dem ersten Spiel bei dieser EM gegen Portugal freigehalten. Er hatte gehofft, dass Mertesacker rechtzeitig nach seiner schweren Knöchel-Verletzung genesen würde. Der meldete sich tatsächlich fit. Aber den Trainer beschlich ein ungutes Gefühl. „Mats kommt mit Rückenwind aus der Saison – und mit Spielpraxis. Das hat mich bewogen, ihm den Vorzug zu geben“, begründete Löw die scheinbar heikle Rochade, die sich aber als brillant entpuppte.

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Denn Hummels war beim 1:0-Erfolg der beste Mann auf dem Platz. Zu Beginn, sagt er, sei er „nervöser gewesen als vor einem Bundesligaspiel“. Ein bisschen wackelte sein Fuß in den ersten Minuten, dann war er drin im Spiel, dann war er der Rückhalt. Er köpfte mindestens ein halbes Dutzend gefährlicher Flanken aus dem eigenen Strafraum, er warf sich erfolgreich in die Schüsse der Portugiesen, war zudem mit seinen Pässen und Soli ein anregender Teil des deutschen Offensivspiels.

Plötzlich war Hummels nicht mehr der, der in Löws Elite-Einheit nach einigen Fehlern zu einem verkopften, verunsicherten, kritisierten Verteidiger geworden war, sondern der Hummels, der sich beim BVB zum besten Innenverteidiger der Liga entwickelt hat. Und dieser Hummels war an diesem Abend in der Ukraine vermutlich besser als es Per Mertesacker je war. Allein schon, weil dem Mann von Arsenal London die Fähigkeit jener Hummelschen Spieleröffnung schon immer fehlte.

Geburtsstunde einer Nationalmannschafts-Karriere?

Nun sitzt Hummels da im deutschen Mannschaftsquartier, die Augen klein, die Hände unter dem Tisch ineinander gelegt. „Ich habe gewusst, dass zumindest eine Chance für mich besteht, zu spielen“, sagt er. So hat er die Zeichen des Bundestrainers gedeutet, das Loben, das Reden, das Durchspielen von Szenen im Training. „Es ist sehr schön, das Vertrauen geschenkt zu bekommen“, sagt Hummels, „zu merken, dass man gebraucht wird, auch wenn alle Mann an Bord sind.“ Ein Gefühl, das ihm im Kreise der Nationalmannschaft bislang weniger deutlich vermittelt wurde als im Verein. Badstuber, Hummels einstiger Wegbegleiter aus der Bayern-Jugend, und Mertesacker standen in der Gunst des Bundestrainers scheinbar stets weiter vorn. Bis jetzt.

Hummels weiß, dass dieser Abend von Lemberg die Geburtsstunde einer erfolgreichen Nationalmannschafts-Karriere gewesen sein könnte. Vor dem Spiel gegen Holland am Mittwoch ist er kaum aus der Mannschaft zu denken. Mit Badstuber zusammen könnte er über Jahre ein brillantes Duo bilden. Könnte. „Wegen eines guten Spiels muss nicht alles positiv sein. So wie nach einem schlechten Spiel nicht alles negativ ist“, sagt Hummels. Er kennt nun beide Welten. In der jetzigen will er bleiben. „Meine und unsere Geschichte hier ist noch nicht fertig geschrieben“, sagt er.

Zusammen mit seinen Kollegen war Hummels im Stadion von Lemberg noch eine Ehrenrunde gegangen. Zum Abschied winkte er noch die Tribüne hoch, dorthin, wo seine Freundin Cathy saß. Sie trug das Trikot mit der Nummer 5. Das Trikot des Nationalverteidigers Mats Hummels.