Essen. Nach dem Spiel ist vor dem Autokorso: Hupende Jubel-Karawanen gehören mittlerweile fest zum Fan-Programm bei der Fußball-EM. Warum auch nicht? Die Autokorsos sind Ausdruck von kollektiver Euphorie, sie verbinden Menschen. Ein Plädoyer für einen gelassenen Umgang mit den Feier-Fahrten.

Es ist Fußball-EM. Millionen Deutsche fiebern mit, wenn Jogis Jungs auf den Platz gehen - und kaum ist der Schlusspfiff verklungen, drücken die ersten Fans auf die Autohupe. Spätestens seit der WM 2006 im eigenen Land gehören die Autokorsos zu jedem erfolgreichen Spiel. Warum auch nicht?

Die Jubelfahrten sind Ausdruck von kollektiver Freude. Euro-Krise? Vergessen! Stattdessen herrscht nach jedem Sieg der DFB-Elf Euro-Euphorie satt. Was, bitte, ist denn so schlimm daran, wenn Menschen gemeinsam feiern? Zumal über einen durchaus überschaubaren Zeitraum. Drei Wochen dauert die EM, im besten Fall gewinnen die Deutschen sechs Mal. Und dann ist doch auch wieder gut.

Nicht die Autokorsos sind gefährlich, sondern einzelne Teilnehmer

Autokorsos stören? Man kann sich auch anstellen. Wer sich über eine Stunde Gehupe und Getröte am späten Abend aufregt, der ist ein Spaßverderber - und ruft wahrscheinlich auch die Polizei, wenn die Nachbarn einmal im Jahr zur Gartenparty laden. Die meisten Jubel-Karawanen konzentrieren sich eh auf eng abgesteckte Innenstadtbereiche. Wer dort wohnt, muss ohnehin damit rechnen, dass es mal lauter wird. Jenseits der Party-Meilen in den Städten ist es auch kurz nach dem Spiel still.

Autokorsos sind gefährlich? Nein. Nicht die Autokorsos selbst sind gefährlich, sondern einzelne, leichtsinnige Teilnehmer. Das gilt aber für den Straßenverkehr im Allgemeinen. Sicher ist es mehr als unverantwortlich, sich mit dem kompletten Oberkörper aus dem Fenster eines fahrenden Autos zu lehnen oder im offenen Schiebedach zu stehen. Selbstverständlich, auch das soll betont sein, haben Betrunkene und Beschwipste auch beim Autokorso nichts hinter dem Lenkrad verloren.

Autokorsos sind sinnlos - ja und?

Deshalb ist es richtig, wenn die Polizei ein wachsames Auge auf die Autokorsos hat und bei Verstößen hart durchgreift. Man sollte die Korsos aber nicht wegen einzelner Unfälle verdammen. Es ist traurig, wenn es am Rande von Fan-Feiern Verletzte oder gar Tote gibt. Aber Unvernunft und Regelverstöße gibt es im Straßenverkehr immer. Idioten finden sich in jeder Gruppe Menschen. Die meisten Autokorsos gehen dagegen ohne ernste Zwischenfälle zu Ende. Das darf man nicht vergessen.

Autokorsos sind sinnlos? Vielleicht. Ja und? Vielleicht macht gerade das den Reiz aus. Nicht alles im Leben muss einen tiefen Sinn haben. Niemand wird gezwungen, sich in den Autokorso einzureihen. Niemand wird gezwungen, Spaß zu haben. Aber wenn der Fußball und die Freude über einen Sieg Tausende Menschen in Euphorie eint, dann ist das doch sicher nichts Schlechtes.

Mit dem Freudentaumel bei der EM 2012 kann schnell wieder Schluss sein

Autokorsos in der Vorrunde sind übertrieben, moniert dann noch mancher Kritiker bierernst - und fragt sich, wie man das ausgelassene Jubeln nach einem schnöden 1:0 im ersten Spiel der EM 2012 überhaupt noch steigern soll. Die Antwort? Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Wer weiß denn, ob mit dem Freudentaumel nicht schon nach der nächsten Runde Schluss ist?

So lange sollten die Korso-Gegner einfach die Fenster schließen und sich in Gelassenheit üben. Alles hat ein Ende. Auch diese EM.

Hier geht's zum Contra:

Warum Autokorsos nur stören