Essen. “Patriotismus? Nein Danke!“ - Dieser Spruch auf einem Aufkleber der Grünen Jugend sorgt für reichlich Wirbel - und beschert den Nachwuchs-Grünen verbale Hiebe von der Jungen Union: Beim Fußball müsse Fahnenschwenken wohl erlaubt sein. Die Grünen wehren sich: Sie würden “zu Staatsfeinden gemacht“.

Deutschland-Fähnchen an Autos und Fenstern, schwarz-rot-goldene Schminke im Gesicht: Auch bei der EM 2012 zeigen zahlreiche Fans wieder Flagge, Deutschland-Flagge. Der Grünen Jugend, der Nachwuchs-Organisation der Grünen, geht das zu weit. Für ihren Geschmack wird damit ein Patriotismus bedient, den sie in gefährlicher Nähe zu Rassismus sehen.

In ihrem Online-Shop verkaufen sie einen Aufkleber, der schon bei der WM 2010 für Aufsehen gesorgt hatte. "Patriotismus? Nein Danke" steht drauf, aufgemacht ist er in der Optik der bekannten Anti-Atomkraft-Aufkleber aus den 80ern. Verkauft wird er im Online-Shop der Grünen Jugend. Stückpreis: acht Cent.

Junge Union lacht über Grünen-Aufkleber

So viel Widerstand gegen die fröhliche Feierei sorgt für Unmut in der Jungen Union. Mit dem Aufkleber gäben sich die Grünen der Lächerlichkeit preis, heißt es in einer Erklärung der beiden Vorsitzenden Philipp Mißfelder und Dorothee Bär. Die deutsche Flagge sei ein "Symbol der nationalen Identität", mit der Beflaggung von öffentlichen und privaten Räumen werde die "Verbundenheit zu unserem Vaterland" zum Ausdruck gebracht. Es gebe vielerlei Gründe, stolz auf "unser Vaterland" zu sein, heißt es weiter. Deutschland werde weltweit für seine Errungenschaften bewundert, "sei es in der Wirtschaft, der Kultur, im sozialen oder politischen Bereich".

Der Aufkleber des Anstoßes:
Der Aufkleber des Anstoßes: "Patriotismus? Nein Danke! steht auf dem Sticker, den die Grüne Jugend zur EM 2012 vertreibt. © Grüne Jugend | Grüne Jugend

Diese Erwiderung wiederum veranlasste den Grünen-Nachwuchs zu einer langen Stellungnahme, in der sie ihre Motive erklären. Nein, sagen sie gleich zu Beginn, sie seien keine Patrioten. Es gebe viele Dinge, die ihnen wichtiger seien als Deutschland.

"Alle Jahre wieder kriechen auch die aus ihren Löchern, die uns noch bevor wir den Nationalsozialismus erwähnen, auffordern, darunter doch endlich einen Schlussstrich zu ziehen", schreiben die Grünen und beziehen sich namentlich auf die "Junge Freiheit", eine rechte Zeitung, die die jungen Grünen im Zuge der Aufkleber-Debatte als "Deutschlandfeinde" bezeichnet hatte.

Für die Grünen lassen sich Party-Patriotismus und Fremdenfeindlichkeit nicht trennen

Doch geht es nicht auch eine Spur weniger scharf? Schließlich haben Mißfelder und Bär in ihrer Erklärung ausdrücklich betont, dass der Patriotismus, den sie verteidigen, nichts mit nationalistischem Gedankengut zu tun habe. Diese Trennung lassen die Grünen nicht gelten: Die Trennung zwischen "guten Patrioten" und "schmuddeligen Nationalisten" gebe es nicht, "der positive Bezug zum eigenen Vaterland bedeutet immer auch die Abwertung von Anderen", heißt es.

Dass Fahnenschwenken und Fremdenfeindlichkeit nicht voneinander zu trennen sind, dafür führen die Grünen wissenschaftliche Belege an. Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer hat sich während der WM 2006 in Deutschland mit dem Fan-Patriotismus beschäftigt - und kam zu eindeutigen Ergebnissen: Die These vom "toleranten Patriotismus" sei "gefährlicher Unsinn, ein Stück Volksverdummung", erklärte er bei der Vorstellung seiner Studie. Zusammen mit Kollegen hatte er vor und während der Weltmeisterschaft Menschen zum Thema Fremdenfeindlichkeit befragt. Das Ergebnis: Nach der WM waren nationalistische Tendenzen verbreiteter als vorher.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Aufkleber sei zur EM 2012 neu aufgelegt worden. Dieser Eindruck entstand, weil er am Donnerstag noch im Shop als "neu" gekennzeichnet war. Die Pressestelle der Grünen Jugend sagte uns aber, dass der Aufkleber nicht neu ist - und auch nicht neu aufgelegt wurde.