Warschau . Wer bei Twitter und Facebook auf intime Kabinen-Details der EM-Stars hofft, wird enttäuscht. Kaum ein Spieler traut sich, mehr als Banalitäten oder Werbung für die eigenen Sponsoren zu verbreiten.
Pikante Fotos aus der Kabine? Lästereien über den nächsten Gegner? Die Aufstellung schon am Vortag? Wer bei Twitter und Facebook auf intime Details der EM-Stars hofft, wird schnell enttäuscht. Beim interaktiven Doppelpass mit ihren Fans haben die übervorsichtigen Spieler meist nicht mehr zu sagen als ein simples: „Hallo, sind gut angekommen“. Wohl auch, um keine Strafe zu riskieren.
Als Folge jagt in den sozialen Netzwerken eine Banalität die nächste. Bastian Schweinsteiger: „Aufgabe Nummer zwei erfüllt! Jetzt wollen wir gegen Dänemark den Gruppensieg klar machen.“ Holger Badstuber: „Heute hatten wir wieder Training in Danzig. Viele Grüße nach Deutschland.“ Mario Gomez: „Das war ein hartes Stück Arbeit. Vielen Dank für Eure tolle Unterstützung!“. Postkarten-Sätze statt Inhalt, seichte Unterhaltung statt Information.
Werbung wird geduldet
Vorzuwerfen ist das niemandem. Denn wie bei fast allen Mannschaften gibt es auch im DFB-Team einen Internet-Knigge. „Wenn sich ein Spieler auf der Terrasse fotografiert und das Bild auf seine Facebook-Seite stellt, ist das okay. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Intimität verlieren und den Mannschaftsgeist verraten“, sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff dem SID. Auch negative Kommentare über gegnerische Mannschaften, Spieler und Schiedsrichter sind verboten.
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Geduldet wird dagegen kaum kaschierte Werbung. „Am Samstag gehts los! Dann werde ich auch den neuen adidas Predator Lethal Zones tragen“, verriet Thomas Müller vor dem EM-Start dem interessierten Fan. Kollege Marco Reus verweist auf ein „tolles Tippspiel“ auf der Homepage seiner Agentur („Schaut doch mal vorbei!“). Der direkte Draht zu den Fans als Möglichkeit zur kostenlosen Werbung - auch das sind die sozialen Netzwerke.
Doch es gibt Lichtblicke. Der deutsche „Facebook-König“ Mesut Özil (5,3 Millionen Fans) etwa veröffentlichte nach dem Besuch von Angela Merkel im DFB-Quartier ein Foto mit der Bundeskanzlerin. „Eine beeindruckende Persönlichkeit“, schrieb der Weltstar. Oder Mario Götze: Der BVB-Profi postet regelmäßig Bilder aus seinem Hotelzimmer oder vom Sonnenbad mit den Kollegen. Sogar Fotos vom Geburtstagsessen mit seinen Eltern in der „Lotusblume“ teilt der 20-Jährige mit seinen Fans.
Wäre Götze allerdings Däne, hätte er dafür eine Strafe kassiert. Der deutsche Gruppengegner verhängte vor der EM ein komplettes Twitter- und Facebook-Verbot, das Kulturminister Uffe Elbaek prompt als „Eingriff in die Meinungsfreiheit“ kritisierte. Aufgehoben wurde das Verbot nicht - anders als bei Titelverteidiger Spanien. Allen voran Cesc Fabregas postet nun wieder fleißig Fotos aus seinem Leben, zuletzt von einem Treffen mit Ex-Schiedsrichter Pierluigi Collina.
Cristiano Ronaldo versorgt Fans mit Infos
Als eifrigste Netzwerker haben sich die Nachbarn aus Portugal erwiesen. Cristiano Ronaldo, mit knapp 45 Millionen Fans weltweit die Nummer eins, schreibt regelmäßig aus Polen, zeigt Bilder vom Training oder setzt Links zu seinem aktuellen Lieblingssong. Noch fleißiger ist Pepe, der nahezu täglich in Bus oder Flugzeug auf den Auslöser drückt oder auch mal Fußball-Legende Eusebio mit Sonnenbrille auf dem Trainingsplatz ablichtet. Die Fans sind begeistert.
Ob das alles von Interesse ist? Ansichtssache. Manch ein EM-Star sollte sich aber besser ein Beispiel an Polens Torhüter Wojciech Szczesny nehmen. Der war einst ein eifrigerer Twitterer, dann kam der 22. Januar. „Es ist Zeit für mich, erwachsen zu werden, Twitter zu löschen und mich auf Fußball zu konzentrieren“, schrieb der Arsenal-Schlussmann. Seither herrscht Funkstille. (sid)