München. Eigentor und Spiel verloren: Rückkehrer Mats Hummels ist gegen Frankreich der Pechvogel. Nun muss der BVB-Profi Topstar Ronaldo stoppen.
Es war eine ungewohnte Position, auf der Mats Hummels den Schlusspfiff zur Kenntnis nahm. Ziemlich weit vorne auf dem Feld nämlich, Thomas Müller war der einzige deutsche Nationalspieler, der dem französischen Tor noch ein wenig näher stand. In den Schlussminuten sollte Hummels, als Innenverteidiger eigentlich für das Verhindern von Toren zuständig, vorne den Rammbock geben und die 0:1 (0:1)-Niederlage zum Europameisterschafts-Auftakt gegen Frankreich mit seiner Größe und seiner Kopfballstärke irgendwie noch abwenden. Vergeblich.
Das erinnerte auf fatale Weise an Südkorea, an das klägliche 0:2, das das Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 besiegelt hatte. Damals hatte Hummels beim Stand von 0:0 kurz vor Schluss eine gigantisch gute Kopfballchance vergeben und das frühe Aus maßgeblich mitgestaltet.
Löw stempelt Eigentor als Pech ab
Gegen Frankreich traf der 32-Jährige nun, blöderweise aber ins eigene Tor. Die Flanke von Lucas Hernandez erwischte er zwar vor dem lauernden Kylian Mbappé, aber nur mit dem Schienbein, von dem der Ball unhaltbar in den Winkel flog (20.). „Da kann man ihm keinen Vorwurf machen, das ist irgendwie Pech“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw später. „Für Mats war es schwer, den Ball zu klären.“
Irgendwie Pech – das fasst die jüngere Vergangenheit von Mats Hummels mit der Nationalmannschaft treffend zusammen. Bald nach Südkorea und dem vermasselten Kopfball hatte Joachim Löw ihn aussortiert, jüngere Spieler sollten die Chance zur Entwicklung haben. Das aber klappte nicht wie gewünscht, und so wurde Hummels wieder aufgenommen in den Kreis der DFB-Auswahl. „Gott hab ich Bock auf dieses Spiel“, hatte er vor der Frankreich-Partie noch auf Instagram geschrieben. Es folgte das erste Eigentor eines Deutschen bei einer EM, das zur ersten EM-Auftaktniederlage der deutschen Nationalmannschaft führte – und eine zerknirschte Botschaft: „Die Niederlage schmerzt uns sehr und mich besonders, weil mein Eigentor das Spiel am Ende entschieden hat.“
Das Biest ist geweckt
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Allerdings verfügt der Profi von Borussia Dortmund über ein beachtliches Selbstbewusstsein, das Missgeschick dürfte ihn nicht allzu sehr aus der Bahn werfen. Er hatte gegen die derzeit wohl beste Offensive des Planeten ja auch gezeigt, dass er noch einiges kann. Karim Benzema, den Rückkehrer der Franzosen, meldete er weitgehend ab. Allerdings hatte das Spiel auch gezeigt, was Hummels nicht so gut kann, Sprintduelle gewinnen nämlich. Kylian Mbappé nahm ihm auf 30 Metern etwa 20 ab – bevor der Innenverteidiger die Situation mit einer hochriskanten Grätsche bereinigte.
Ganz so schnell wie Mbappé ist Cristiano Ronaldo nicht mehr, er ist ja auch schon 36 Jahre alt. Flinker als der vier Jahre jüngere Hummels ist er dennoch,. Beim 3:0-Sieg über Ungarn erzielte der Portugiese die Treffer zwei und drei und überholte damit Michel Platini. Mit nun elf EM-Toren bei fünf EM-Teilnahmen ist der Profi von Juventus Turin Rekordtorschütze bei Europameisterschaften. „Sie haben das Biest geweckt“, frohlockte die Sportzeitung „Record“ nach dem Spiel. Das sind keine gute Nachrichten für das deutsche Team. Ronaldo ist mit Portugal am Samstag (18 Uhr/ARD) der nächste Gegner der Deutschen. Und der vom Außen- zum Mittelstürmer mutierte Ronaldo ist dann der direkte Gegenspieler des zentralen Innenverteidigers Hummels.
Zwei Siege in zwei Länderspielen
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Es ist ein Duell mit einiger Historie: In zehn Spielen standen sich der portugiesische Stürmerstar und der deutsche Abwehrspieler gegenüber, und die Bilanz fällt zweigeteilt aus: Sechs Tore erzielte Ronaldo in acht Spielen, wenn er gegen den BVB oder den FC Bayern spielte. Eines davon legte ihm Hummels mit einem fiesen Patzer im Champions-League-Halbfinale 2013 praktisch selbst auf. Mit der Nationalmannschaft gelangen Hummels dagegen zwei Siege in zwei Spielen und mit einem Tor genau eins mehr als Ronaldo – beim 4:0 im Auftaktspiel der WM 2014 traf Hummels per Kopf. 2012, beim 1:0-Sieg zum EM-Auftakt, lieferte er eines seiner besten Spiele im Nationaltrikot ab.
Daran gilt es nun anzuknüpfen, nach der Auftaktniederlage gilt: Verlieren verboten, gewinnen dringend erwünscht. Oder, in Hummels Worten: „Auf drei Punkte am Samstag im nächsten Kracher!“