Essen. Thomas Helmer schreibt in seiner Kolumne diesmal über den Elfmeter-Krimi: “Seine Nominierung im Kader hat er jetzt schon gerechtfertigt.“

Die harsche Kritik von Mehmet Scholl an der Taktik von Bundestrainer Joachim Löw kam überraschend, immerhin haben wir zum ersten Mal eine italienische Mannschaft in einem Turnier bezwungen. Vorab: Mehmets Angriff auf Chefscout Urs Siegenthaler finde ich überzogen. Die Nationalmannschaft hat seit vielen Jahren ein erstklassiges Team hinter dem Team – dazu gehört auch Siegenthaler.

Helmer: "Das Elfmeterschießen war unfassbar dramatisch"

In der Sache kann ich Mehmet aber verstehen. Gegen Italien haben wir unsere Offensive mit der gewählten Dreierkette zugunsten der Defensive geschwächt. Wir haben erneut auf den Gegner taktisch reagiert, dies kann man als Zeichen von Schwäche werten. Andererseits ist auch Löw zuzustimmen, wenn er analysiert, dass diese Abwehrformation ein gutes Rezept gegen den Zwei-Mann-Sturm der Italiener war. Da galt es zunächst die Zentrale abzusichern, dies ist gelungen. Insofern gibt Löw der Erfolg recht.

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Das Elfmeterschießen war unfassbar dramatisch. Ich habe nie in einem so wichtigen Spiel einen Elfmeter schießen müssen, kann nur erahnen, wie lang der Weg für den Schützen von der Mittellinie bis zum Strafraum sein muss. Umso mehr Respekt habe ich vor jedem, der sich dieser Verantwortung stellt. Dies gilt auch für Mesut Özil, der nicht gekniffen hat, obwohl er im Spiel gegen die Slowakei verschossen hatte. Seine Körpersprache war positiv, dass der Ball gegen den Pfosten prallte, auch Pech. Bei Thomas Müller fügte sich der schlecht geschossene Elfmeter in seine gesamte Turnierleistung. Thomas ist bislang unser größtes Sorgenkind. Dennoch ist er eminent wichtig. Allein durch seine Präsenz, durch sein permanentes Attackieren sorgt er für Gefahr und zieht Verteidiger auf sich. Und ich bin sicher, dass er bei dieser EM noch treffen wird.

Bastian Schweinsteiger hätte seine Leistung mit einem verwandelten Elfmeter die Krone aufsetzen können. Aber trotz seines Scheiterns vom Punkt hat er exzellent gespielt. Ich war skeptisch, als er so früh eingewechselt werden musste. Ich hätte nicht gedacht, dass seine Kräfte für mehr als 100 Minuten reichen.

EM-Aus für Gomez, Schweinsteiger und Khedira fraglich

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    Jetzt wird viel davon abhängen, wie sich die Personalsituation entwickelt. Der Ausfall von Mats Hummels durch die Gelbsperre trifft uns sehr. Er spielt bislang ein sehr gutes Turnier. Mir hat auch imponiert, dass er beim Elfmeterschießen getroffen hat, er hat sich von seinem Frust durch die Gelbe Karte nicht irritieren lassen.

    Umso mehr müssen wir jetzt hoffen, dass Jerome Boateng seine Probleme mit der Wade in den Griff bekommt. Auch gegen Italien war er herausragend, so eine Aktion wie bei seinem unnötigen Handspiel kann passieren. Wahrscheinlich hatte der Schiedsrichter vorher ermahnt, nicht mehr zu klammern, also hat Jerome die Arme extra hoch gerissen. Dabei war die Situation nicht besonders gefährlich. Aber als ehemaliger Verteidiger weiß ich, dass du immer nur einen Ausschnitt des Spielfeldes siehst, oft kannst du nicht einschätzen, ob eventuell direkt hinter dir noch ein Gegenspieler steht. Khediras Verletzung ist bitter. Dramatisch würde dieser Ausfall jedoch erst, wenn auch Schweinsteiger passen müsste.

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    Sicher ist bereits das Turnier-Aus für Mario Gomez, ein harter Schlag für Löw. Denn Mario hat an Ballfertigkeit zugelegt, die Vorbereitung zum Führungstor war großartig. In seiner Form können wir ihn nicht gleichwertig ersetzen. An Löws Stelle würde ich Thomas Müller in die Zentrale schicken, das Experiment mit Mario Götze als falsche Neun, also als spielender Stürmer, hat nicht funktioniert.

    Abschließend noch zu Manuel Neuer: Er ist und bleibt für mich der beste Torwart der Welt. Er kann der Garant für den Titel sein.