Évian-les-Bains.. Verteidiger Mats Hummels meldet sich fit fürs zweite EM-Spiel der DFB-Elf gegen Polen am Donnerstag. Die Mission: Europas Top-Torjäger zu stoppen.
Natürlich war Mats Hummels am Tag vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Polen (21 Uhr/ live bei uns im Ticker) im deutschen Mannschaftsbus in Richtung Flughafen dabei. Nicht auf einem Sitz, sondern auf dem Gang. Liegend. „Sorry… No seat for you!“, schrieb Torhüter Marc-André ter Stegen, der Fotograf, bei Twitter dazu. Kein Platz also für Hummels. Ob das nur für die Busfahrt oder auch für die Startelf gegen Polen gilt, wollte Joachim Löw nach der Ankunft in Paris noch nicht verraten. Jerome Boateng ist im Abwehrzentrum gesetzt. Offen bleibt aber, wer sein Nachbar werden soll: Der zuletzt starke Shkodran Mustafi? Oder doch der genesene Hummels?
Deutschland gegen Polen, das ist vor allem das Duell: Deutschland gegen Lewandowski. Und dass da eine ganze Nation besorgt nachfragt, wer Robert Lewandowski nun zähmen wird, dürfte bei einer Bilanz von 47 Toren in 63 Spielen für die Bayern nicht weiter verwundern.
Hinzu kommt, dass in der Zeit nach dem WM-Titel vor zwei Jahren Joachim Löws Defensiv-Abteilung nicht immer souverän wirkte. Von 20 Spielen blieb der Weltmeister nur in sechs Partien ohne Gegentor. Insgesamt kassierte das Land der Kohlers, Schwarzenbecks und Briegels 26 Gegentore.
Hummels' Muskelfaserriss ist ausgeheilt
Das ist insofern verwunderlich, als dass mit Jerome Boateng und Mats Hummels normalerweise zwei der wohl besten Innenverteidiger der Welt diese Abwehr ordnen. Und es bleibt verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Hummels-Vertreter Shkodran Mustafi gegen die Ukraine ein gutes Spiel attestiert wurde, Boateng sogar ein sehr gutes.
Doch Fußball ist nun mal ein hoch komplexes Spiel voll von Widersprüchen. So ist vor allem Deutschlands EM-Qualifikationsspiel gegen Polen in Warschau noch in bester Erinnerung, als der frischgebackene Weltmeister das Spiel im Oktober 2014 fast nach Belieben diktierte, zunächst auch gut verteidigte, dann aber wie aus dem Nichts die Kontrolle abgab. 0:2 verlor die Mannschaft – und keiner wusste so ganz genau warum.
Verteidigen ist gut, weiß Löw spätestens seit diesem Herbstabend in Warschau, Kontrolle ist besser. Vielleicht auch deswegen durfte Weltklasseverteidiger Nummer eins, Mats Hummels, am Dienstag im Training wieder neben Weltklasseverteidiger Nummer zwei, Jerome Boateng, auflaufen. Der hartnäckige Muskelfaserriss, so viel scheint sicher, ist ausgeheilt. Hummels meldete sich für das Duell gegen seinen alten und bald neuen Klubkollegen Lewandowski bereit.
Hummels erwartet "Abnutzungskampf"
„Es ist einfach geil, gegen ihn zu spielen“, schwärmt er. „Robert ist ein Komplettpaket als Stürmer, einer der besten Ballhalter, weil er unglaublich stabil ist und seinen Körper einsetzen kann. Er darf sich gar nicht erst zum Tor hindrehen.“
Erst mal in Fahrt, geht Hummels Eloge noch weiter. „Ich mag es total, gegen so einen tollen Stürmer zu spielen. Das ist dann 90 Minuten lang Abnutzungskampf. Er ist der beste Strafraumstürmer der Welt.“
Und dass Deutschland einen gesunden Hummels im Duell gegen Lewandowski gut gebrauchen kann, wurde trotz der ordentlichen Leistung seines Vertreters im Spiel gegen die Ukraine auch ohne Lewandowski als Gegner deutlich. Auch in Lille dominierte die DFB-Auswahl das Spiel, verteidigte über weite Strecken gut, verlor aber gegen Ende der ersten Halbzeit für zehn Minuten die Kontrolle. „Wir hätten auch das Gegentor zum 1:1 kassieren können“, sagte Mustafi später. Gegen die Ukraine darf man sich so eine Phase der Schwäche erlauben. Gegen Polen und vor allem gegen Lewandowski nicht.
Mustafi im Zweikampf sehr stark
„Mustafi und Boateng haben unheimlich viele Zweikämpfe gewonnen“, hatte Löw nach dem 2:0 gegen die Ukraine gelobt. Mustafi, der beim BVB ausgerechnet als Hummels-Nachfolger im Gespräch sein soll, hatte sogar ein herrliches Tor geköpft, Boateng mit einer artistischen Rettungstat ein Tor verhindert. Doch nun trifft Deutschland auf die mutmaßlich beste Nummer neun der Welt. Und ob nun Mustafi oder doch Lewandowski-Experte Hummels Boateng unterstützen sollen, will Löw der Mannschaft erst am Spieltag verraten. „Er hat zweimal trainiert, allerdings auch nicht allzu lange“, so Löw gestern. „Ich gehe auf keinen Fall ein Risiko ein.“
Die 80 Millionen Bundestrainer in der Heimat werden wohl sogar bis kurz vor dem Anpfiff warten müssen. Erst dann soll die Aufstellung veröffentlicht werden.