Ascona. . Auf Schalke steht heute für die Nationalelf gegen Ungarn der letzte EM-Test an. Für zwei heutige und drei ehemalige Königsblaue ist dies kein gewöhnliches Spiel.

Bei sich daheim hat Benedikt Höwedes ein Zimmer eingerichtet. Sportzimmer sagt er dazu. Dort hängen vier Trikots, liegen vier Medaillen, stehen vier Paar Schuhe. Es sind Erinnerungsstücke an vier besondere Tage. Tage, an denen „ich was gerissen habe“, sagt der Profi des FC Schalke 04. Er meint: Titel gewonnen. A-Jugend-Meister mit Schalke 2006, DFB-Pokalsieger mit Schalke 2011, Europameister mit der U21-Nationalelf 2009, Weltmeister 2014.

Mit 28 Jahren könnte das Sportzimmer des Verteidigers längst viele weitere Exponate beherbergen, aber das ist nicht immer so einfach, wenn man in Gelsenkirchen Fußball spielt. Aber genau so will es der Schalker, der am Freitag mit der Nationalmannschaft aus dem Trainingslager in Ascona abreiste und sich auf den letzten Test vor dem Beginn der EM in Frankreich vorbereitet. An diesem Samstag (18 Uhr/ZDF/live in unserem Ticker) trifft Deutschland auf Ungarn. Spielort: Gelsenkirchen. Der Ort, an dem nicht nur der aktuelle Schalker Kapitän Höwedes ausgebildet wurde.

Dank an A-Jugend-Trainer Elgert

Leroy Sané ist die jüngste königsblaue Entdeckung, auch Manuel Neuer (Bayern München), Mesut Özil (Arsenal London) und Julian Draxler (VfL Wolfsburg) kehren in ihre fußballerische Heimatstadt zurück. Dort wurden sie groß, reiften sie unter der Anleitung von A-Jugend-Trainer Norbert Elgert, machten sie in der Arena ihre ersten Schritte im Profifußball. Nun sollen sie dazu beitragen, dass Deutschland auch den Europameister-Pokal ins Land holt. Eine zufällige königsblaue Häufung?

„Nein“, sagt Höwedes, „Schalke hat eine hervorragende Jugendarbeit. Ich habe Norbert Elgert viel zu verdanken. Er hat mich menschlich und taktisch unheimlich nach vorn gebracht. Und er hat immer gepredigt, dass man nur als Team Erfolg hat“, sagt Höwedes stellvertretend für das Quintett: „Wir wissen alle, wo wir herkommen.“

Draxler hat für Familie und Freunde 13 Karten für das Länderspiel geordert, „ich hoffe, dass ich die auch bekomme“, sagt der Mittelfeldmann. Auch Mesut Özil schwärmt vor der Rückkehr: „Mit Gelsenkirchen verbinde ich großartige Erinnerungen, das ist meine Heimat. Ich bin dort aufgewachsen, Familie und Freunde leben dort. Ich war immer Schalke-Fan, werde das auch immer bleiben.“

Beim Blick auf diese Nationalelf dürften Fans wehmütig werden und sich wünschen, Özil und Co. wären nicht Schalke-Fans, sondern Schalke-Spieler geblieben. „Schön wär’s“, sagt auch Höwedes. Er hat gerade erst seinen Vertrag bis 2020 verlängert, er ist längst auf dem Weg, eine Schalker Legende zu werden. Die Treue zu seinem Verein ist ihm wichtiger als mehr Geld und mehr Titel bei vermeintlich größeren Vereinen. „Jeder muss selbst wissen, wie und wo er Fußball spielen möchte“, sagt er.

Rolle von Höwedes noch ungeklärt

Sein Vereinskollege Sané scheint schon in diesem Sommer vor dem Absprung zu stehen. Die Zauberer und Hexer zieht es fort, der Mann mit den verlässlichen irdischen Kräften bleibt. Ohne Groll, ohne Reue. „Vielleicht hätten sich Manuel und Mesut ohne einen Wechsel nicht so entwickelt, wie sie es getan haben. Sie spielen bei internationalen Top-Vereinen, haben die Champions League gewonnen und bis hierher riesige Karrieren hingelegt. Jeder muss seinen Weg finden.“

Höwedes ist mit sich im Reinen, spätestens seit er Weltmeister ist. Angereist war er 2014 nach Brasilien als Wackelkandidat, am Ende hatte er als Linksverteidiger keine Sekunde verpasst. Bundestrainer Joachim Löw schätzt seine Zuverlässigkeit. Vor dem nun nahenden Turnier in Frankreich scheint die Rolle des Schalkers erneut noch nicht abschließend geklärt. Eine Verletzung setzte ihn in der Rückrunde lange außer Gefecht, erst zum Saisonfinale kehrte er zurück. Wo er spielt? Ob er spielt? „Ich lasse das entspannt auf mich zukommen. Das ist besser, als mich unnötig unter Druck zu setzen.“

„Bene“, wie sie ihn rufen, ist ein Guter für die Gruppe, einer, der sein Ego hinten anstellen kann, weil er weiß, dass Mannschaften nur so funktionieren. Das ist Schalker Schule. Und Löws Schule. Vielleicht klappt es ja. Im Sportzimmer wäre noch Platz.