Stuttgart. . Als Rentner im Unruhe-Zustand hat der Fußball Ottmar Hitzfeld längst nicht losgelassen. Als TV-Experte teilt er sein Wissen mit der Fußballwelt. Der ehemalige Meistertrainer glaubt fest daran, dass für Borussia Dortmund der Erfolg in der Bundesliga zurückkehren wird.

Eine Stilikone wie David Beckham wird Ottmar Hitzfeld wohl nicht mehr werden. Aber der gebürtige Lörracher war 1991 bei seinem Amtsantritt bei Borussia Dortmund der erste Trainer, der sich bei einem Bundesligaspiel im Anzug an der Seitenlinie präsentierte. Nicht nur dadurch verdiente er sich den Titel „Gentleman“. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich der 65-Jährige an diesem Nachmittag sichtlich wohlfühlt in einem Stuttgarter Modehaus, in dem er als Markenrepräsentant eines Herrenausstatters in einem dunkelblauen Anzug eine Autogrammstunde gibt.

„Ein Spieltag war für mich immer ein Festtag, und ich war schließlich Repräsentant des Vereins“, sagt Hitzfeld. Ein bisschen sieht er sich schon als Trendsetter, mittlerweile tragen ja auch andere Fußball-Lehrer edlen Zwirn auf der Trainerbank – vor allem bei Auftritten in Europas Königsklasse Champions League.

Hitzfeld ist der Rentner im Unruhezustand

Ottmar Hitzfeld verrät aber auch, dass selbst er nicht immer ganz stilsicher gewesen ist. „Der Frank Mill hat damals zu mir gesagt, ich soll doch bitte keine weißen Socken dazu tragen“, erzählt Hitzfeld und schmunzelt. Er sieht prima aus dabei. Keine Tränensäcke, kaum Falten, von der Sonne vermittelter Teint – da ist jemand mit sich im Reinen nach dem bewegenden und endgültigen Abschied, den er bei der Weltmeisterschaft in Brasilien Anfang Juli als Trainer der Schweizer Nationalmannschaft vollzogen hat. Jetzt verfolgt er den Fußball aus einer anderen Perspektive, kann er die Theaterbesuche mit seiner Frau genießen, weil er nicht über eine passende Aufstellung nachdenken muss. Arbeitslos ist der Rentner Hitzfeld deswegen nicht. Vielmehr im Unruhestand.

Hitzfeld analysiert als TV-Experte für Sky und das Schweizer Fernsehen, hält Vorträge und nimmt viele Termine für seine fünf Werbepartner wahr. Auch in dieser Rolle ist er noch immer ein Meister der Zurückhaltung und der Höflichkeit. Im Modehaus schreibt er ausgiebig Autogramme, lässt er sich mit seinen Fans fotografieren. Als Trainer feierte er Tore meist auf dem Fleck, mit durchgestrecktem Rücken, und ballte beide Hände zu Fäusten. Der Südbadener wahrte immer Würde und Disziplin.

BVB-Zeit für Hitzfeld „ein wichtiger Lebensabschnitt“

Auch in den bitteren Momenten wie beispielsweise am letzten Spieltag im Mai 1992, als er sich als Coach von Borussia Dortmund beim Spiel in Duisburg mit einer 1:0-Führung zumindest für vier Minuten als Meister fühlen durfte, ehe Guido Buchwald beim Spiel des VfB in Leverkusen die Stuttgarter mit dem 2:1 zum Titel köpfte. „Da war ich so nah dran und dachte, das schaffst du wohl nie mehr“, sagt Hitzfeld.

Es kam anders. Hitzfeld gewann mit dem BVB zweimal die Schale und einmal die Champions League. „Die Zeit in Dortmund war für mich ein wichtiger Lebensabschnitt“, sagt Hitzfeld. Deshalb rätselt er natürlich über die zwei Gesichter der heutigen Spieler in Schwarzgelb, hat aber keine schlüssige Erklärung dafür, warum die Borussia im europäischen Vergleich regelmäßig glänzt, dafür aber im heimischen Wettbewerb zuletzt schwer taumelte.

Klopp sollte nach Hitzfeld öfter Anzug tragen

„In der Bundesliga wird der erste Fehler gleich bestraft, und dann wird das Ganze zur Kopfsache“, sagt Hitzfeld, der auch auf den Substanzverlust in der Mannschaft durch die vielen verletzten Spieler hinweist. Dem modebewussten Coach ist natürlich nicht entgangen, dass der überzeugte Trainingsanzugträger Jürgen Klopp in der Königsklasse Stoffhose, Sakko und sogar eine Krawatte bevorzugt.

„Das scheint ihm Glück zu bringen. Vielleicht sollte er den Anzug auch in der Bundesliga tragen“, sagt Hitzfeld und lacht. Natürlich will er Klopp keine Ratschläge geben: „Er ist ein Motivationskünstler, und sie werden jetzt auch in der Liga den Hebel umlegen.“