Bad Ragaz. Mit seinem Rücktritt vom Kapitänsamt bei Borussia Dortmund hat Sebastian Kehl für große Überraschung gesorgt. Sechs Jahre war der 34-Jährige im Amt - wahrscheinlichster Kandidat auf die Nachfolge ist ein frischgebackener Weltmeister.

Die erste Duftmarke des Tages setzte Sebastian Kehl am Vormittag: Im ersten Testspiel war es der Routinier, der das erste Tor erzielte.

Für deutlich mehr Aufsehen sorgte sein Auftritt einige Stunden später: Da seine letzte Saison als Spieler bevorstehe, habe er entschieden,"mit dem Kapitän jetzt Schluss zu machen".

Es habe ihn "sehr, sehr stolz gemacht, Kapitän von Borussia Dortmund zu sein", sagte der 34-Jährige. "Ich habe diese Verantwortung wahnsinnig gerne getragen."Druckreife Worte, die zeigten, dass sich der Mittelfeldspieler akribisch auf seinen letzten Auftritt als Spielführer vorbereitet hatte. Durchaus typisch für jemanden, der in Dortmund stets für seine große Professionalität gelobt wurde - und für seine Bereitschaft, sich klaglos in den Dienst der Mannschaft zu stellen.

Klopp machte Kehl zum BVB-Kapitän

Im Januar 2002 war er vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund gekommen. Damals stürmten noch Jan Koller und Marcio Amoroso, Tomas Rosicky zog im Mittelfeld die Fäden, vor dem Torhüter Jens Lehmann verteidigten Jürgen Kohler und Christian Wörns. Kehl ist als einziger aus der damaligen Mannschaft noch dabei - im heutigen Profigeschäft eine ungewöhnlich lange Zeit. Er blieb auch, als die Beinahe-Insolvenz den BVB an den Rand des Abgrunds und in die sportliche Bedeutungslosigkeit katapultierte.

2008 kam Jürgen Klopp als Trainer - und machte Kehl zum Kapitän. "Immer wenn man an Dortmund denkt, ist Sebastian der Spieler, der einem zuerst einfällt", begründete er."Außerdem hat er auch fußballerisch alle Möglichkeiten, vorneweg zu marschieren."

Doch dabei kamen immer wieder Verletzungen in die Quere. Die Saison 2010/2011, als eine junge Dortmunder Mannschaft unbekümmert zum Titel stürmte, erlebte er größtenteils von der Tribüne, in der folgenden Sommerpause wurde in der Öffentlichkeit lange über den Kapitän diskutiert. Viele Beobachter sahen keinen Platz mehr für den alternden Anführer, erst spät bekannte sich Trainer Klopp öffentlich zu Kehl.

Kehl gibt den Staffelstab beim BVB freiwillig weiter

Der gab die Antwort auf dem Platz, kämpfte sich zurück in die Mannschaft und durfte im Sommer 2012 erst die Meisterschale und wenig später den DFB-Pokal in die Luft stemmen - als erster BVB-Kapitän überhaupt. "Das war sicherlich ein ganz besonderer Moment", sagt Kehl."Auch sonst habe ich sehr viele schöne Momente mit der Mannschaft erlebt, und die werden in dieser Saison sicherlich noch fortgeschrieben."

Allerdings nicht unter dem Kapitän Kehl, der - das betont er - sein Amt aus eigenem Antrieb abgibt. Schon im März, als sein Vertrag letztmals um ein Jahr verlängert wurde, sei die Entscheidung gereift, nach der abgelaufenen Saison habe er Verein und Trainer informiert. Kehl will "den Staffelstab weiterreichen", solange er noch die Möglichkeit hat, seinem Nachfolger mit Rat und Tat und der geballten Erfahrung aus sechs Jahren Kapitänsamt beizustehen.

Hummels als Nachfolger am wahrscheinlichsten

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Der Kreis der Kandidaten ist überschaubar: Bislang ist Torwart Roman Weidenfeller erster Stellvertreter, doch der ist mit fast 34 eher kein Kandidat für die Zukunft. Nächster in der Rangfolge ist Abwehrchef Mats Hummels - der ist erst 25, genießt nach innen und außen hohes Ansehen und ist im öffentlichen Auftritt ähnlich souverän wie auf dem Platz.

Vieles deutet also darauf hin, dass auf den Vizeweltmeister Kehl ein Weltmeister als BVB-Kapitän folgt.