Dortmund. Der „Manni“, wie Sven Bender beim BVB genannt wird, spielt so unerbittlich wie die Mannschaft spielen muss, wenn sie sich unter Europas Größen durchsetzen will – immer ein paar Schritte über die Schmerzgrenze hinaus. Das bewies der Nationalspieler unlängst gegen Neapel einmal mehr eindrucksvoll.

Der Bezahlsender Sky scheut keine Kosten, wenn es darum geht, die letzten Geheimnisse des Fußballs zu ergründen. Bei der königsklassigen Partie von Borussia Dortmund gegen den SSC Neapel beschäftigte er sogar einen Experten für körperlichen Ausdruck, der Jürgen Klopp ins Visier nehmen sollte. Hier die Ergebnisse, nur leicht gerafft: Der Trainer des BVB lächelte während des Spielgeschehens ausgiebig und hob mehrmals den Daumen, was gewöhnlich mit „Weiter so“ übersetzt wird. Nach dem Schlusspfiff reagierte er dann mit Freude, körpersprachlich so ausgedrückt, dass es auch bei Laien locker die Aufmerksamkeitsschwelle bewältigte.

Nun kann man sagen: Ist doch sowieso klar, wenn es gut läuft beim Kicken und am Ende ein 3:1 herausspringt, das alle Chancen offen hält, das Achtelfinale der Champions League zu erreichen, dann hebt das eben die Stimmung. Doch: Warum begleitete Klopp seine Mannschaft von der ersten bis zur letzten Minute, inklusive der Momente, in denen wieder einmal beste Bälle nicht auf die Verwertungsebene gehoben wurden, in so ausdauernd positiver Weise? Und: Was bewegte diesen Trainersouverän mit Selbstgefälligkeitsanflügen dazu, anschließend die Großkopferten des Klubs, Präsident Rauball und Geschäftsführer Watzke, so ausdrücklich dafür zu loben, dass sie nicht erklärt hatten: „Wenn ihr das verliert, ist alles im Eimer“?

Im Schatten des Selbstzweifels

Die erste Frage lässt sich leicht beantworten. Beim Hinspiel, beim 1:2, war Klopp ausgebrochen wie ein Vulkan. Eine Erinnerung daran wollte er nicht wecken. Außerdem konnte sein durch die Ausfälle von Gündogan, Hummels, Subotic und Schmelzer nicht ganz intaktes Ensemble Aufmunterung brauchen. Frage zwei führt auf Spekulationsterrain. Wahrscheinlich fühlt sich der Trainer einfach wohl in der westfälischen Wagenburg der Nüchternheit. Wahrscheinlich war diese Begegnung mit den Neapolitanern nach drei Pflichtspiel-Niederlagen in Folge aber auch die bislang wichtigste der Saison.

Es herrschte also Druck. Eine Niederlage, selbst ein Remis hätte wegen des parallelen Erfolges von Arsenal bedeutet: Der Finalist der vergangenen Spielzeit ist draußen. Sein gerade zurück gewonnenes Image, zu Europas Größten zu gehören, ist ramponiert. Die nächste Ligapartie am Samstag in Mainz, bei der der tabellarische Anschluss an Leverkusen unbedingt gewahrt werden muss, wird im Schatten des Selbstzweifels ausgetragen.

Klopp wollte wohl, rein verbal, seine Dankbarkeit dafür ausdrücken, dass dieser ohnehin schon massive Druck intern nicht auch noch Verstärker gefunden hatte. Er war von Freude erfüllt über „die Leute, die hier nicht auf dem Platz stehen“, und von Freude über die Angestellten mit Rasenkontakt. Alle kriegten ihr Lob ab. Roman Weidenfeller, der knapp vor dem 2:0 durch Jakub Blaszczykowski (60. Minute) in der Manier eines Nationalkeepers gegen Gonzalo Higuain geklärt hatte. Die Defensiv-Viererkette, in der jedes Glied im Vergleich zum Königsklasse-Endspiel gegen Bayern ersetzt werden musste: „Herausragend gut.“ Henrikh Mkhitaryan, der neue Gestalter, der einen engagierten, intelligenten, kreativen Auftritt absolvierte, einen, wie ihn der Armenier bisher nur einstreut: „Wir werden versuchen, dass wir das irgendwann in jedem Spiel zum Drehen kriegen.“

Bender bleibt am Ball

Das Rollenmodell für Dortmunds Hyperintensivfußball liefert aber Sven Bender. Bis zum 1:0 per Elfer durch Marco Reus (10. Minute, 3:1 durch Pierre-Emerick Aubameyang in der 78.) war das BVB-Spiel zurückhaltend. Danach nahm es unerbittlich Fahrt auf, so unerbittlich wie Bender gegen andere und sich selbst im Einsatz ist. Körpersprachlich drückt sich das bei „Manni“, dem Diesmal-Innenverteidiger, so aus: Jeder sieht das Blut, das aus der Nase fließt. Später erfährt man, dass die Nase in Halbzeit eins gebrochen war, und Klopp erklärt: „Ich habe mich gewundert, dass Frankie, unser Zeugwart, immer noch Trikots nachliefern konnte.“ Der Trainer nimmt aber schlicht an, dass sein Vielgeschundener weiter am Ball sein wird: „Er ist geübt darin, in Maske zu spielen.“ Zum Beispiel, wenn es am elften Dezember in Marseille wieder um alles geht.