Dortmund. Torwart Roman Weidenfeller von Borussia Dortmund spricht im Interview über Langeweile mit Sportfreunden, die Null, die stehen soll - und möglichst wenig über die Nationalmannschaft.

Mittagessenszeit ist vorbei im Trainingszentrum von Borussia Dortmund. Torhüter Roman Weidenfeller erscheint. Entspannt. Lächelnd. Das Gespräch mit dem 33-Jährigen wird auf dem Trainerpodium im Pressesaal geführt. Erst Sonntag steht die Bundesligapartie in Frankfurt (17.30 Uhr, live in unserem Ticker) an. Sie ist noch wichtiger geworden. Die Bayern haben in Freiburg zwei Punkte liegen lassen.

Herr Weidenfeller, über Sie liest man im Internetlexikon Wikipedia: „Sein Vater trainierte ihn privat auf der Wiese.“ Korrekt?

Weidenfeller: Das war so. Das Elternhaus steht direkt gegenüber vom Platz der Sportfreunde Eisbachtal. Und ich bin mit fünf Jahren in den Verein und habe mit meinem Vater Sonderschichten geschoben, wenn kein Training war.

Sie waren Torhüter, mit Fünf?

Weidenfeller: Ja. Zwischendurch kam mal Langeweile auf, da die Sportfreunde damals sehr stark waren. Als Kind möchte man ja gerne mal im Mittelpunkt stehen, und von daher wollte ich Bälle halten, aber es gab wenige zu parieren. Und dann habe ich die Position auch gewechselt.

Beim letzten Spiel gegen Bremen war die Situation für Sie ähnlich...

Weidenfeller: Ja. Stimmt. Es gab wenig zu halten. Aber dann musste ich eben doch entscheidend eingreifen.

In der Statistik waren sechs Torchancen für Werder aufgelistet. Wie viele hat der Torhüter gefühlt?

Weidenfeller: Zwei.

Ist das der Dortmunder Plan für die aktuelle Saison? Arbeitsreduzierung für den Torhüter?

Weidenfeller: Ja. Die Null soll stehen. Absolut.

In der vergangenen Saison kassierte der BVB 42 Treffer, Meister Bayern aber nur 18. Wie wurde das im Einzelnen analysiert?

Weidenfeller: Das ist uns allen bewusst gewesen. Wir haben sehr viele unnötige Gegentore bekommen. Und das kann nicht unserem Anspruch genügen. Das war der Punkt, an dem wir ansetzen mussten.

Wie setzt man konkret an?

Weidenfeller: Natürlich wird die taktische Ausrichtung vom Trainer vorgegeben. Diese Ausrichtung hatten wir im letzten Jahr auch. Aber es gab diese vielen Leichtsinnsfehler. Und das hat dann weniger mit Lernen zu tun, mit Trainingseffekt. Es weiß ja jeder, wo er zu stehen hat. Er muss dann nur auch da stehen. Deshalb muss die Konzentration sehr, sehr hoch gehalten werden. Und dafür sind alle verantwortlich. Dafür muss jeder sensibilisiert sein.

Für den Torwart kann weniger Arbeit ein Problem sein. Der Bayern-Kollege Manuel Neuer musste über die gesamte letzte Saison hinweg erklären, warum er sich trotzdem gut ausgelastet fühlte...

Weidenfeller: Für den Torwart ist es sogar bedeutend schwieriger, wenn er weniger auf das Tor bekommt. Er muss ja dennoch sehr gut halten, wenn er dann ein einziges Mal gefordert ist.

Und mit den Sportfreunden haben Sie sich gelangweilt...

Weidenfeller: Nur zwischendurch.

Durch die Spielstärke des BVB ergeben sich Partien wie die gegen Bremen. Zwei vom Torhüter gefühlte Torchancen des Gegners. Und bei den Bayern sind 75 Prozent Ballbesitzzeit schon ein niedriger Wert. Kann man pointiert sagen: Diese beiden Mannschaften sind zu stark für die Bundesliga?

Weidenfeller: Nein. Ich denke schon, dass die Liga noch sehr attraktiv ist. Letztendlich weiß man nie, wie es ausgeht. Das konnten Sie ja beim Spiel der Bayern gegen Freiburg sehen. Vom Papier her sind die Bayern stärker, aber Freiburg hat ihnen zwei Punkte abgeknöpft.

Das Dortmunder Spiel in der vergangenen Saison in Frankfurt endete 3:3, Trainer Jürgen Klopp musste auf die Tribüne. Also: richtiger, echter, kerniger Fußball?

Weidenfeller: Da ging es hin und her. Aber unser Plan ist: Wir wollen es diesmal nicht so spannend machen. Wir haben mit 2:0 zur Halbzeit geführt, das Spiel war komplett positiv für uns, dann noch einmal so den Faden zu verlieren, das zum Beispiel war fahrlässig.

Themenwechsel. In der Öffentlichkeit wurden Sie lange als selbstbewusst, fordernd, manchmal aufbrausend wahrgenommen...

Weidenfeller: Ich wurde in der Vergangenheit sehr oft falsch eingeschätzt.

In weiten Teilen Deutschlands denkt man nun, dass Sie in die Nationalmannschaft gehören. Sie haben erklärt, Sie kämen auch als Nummer drei. Der Bundestrainer hat Sie dennoch für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele nicht berufen. Welche Botschaft haben Sie für Joachim Löw?

Weidenfeller: Ich möchte eigentlich gar nicht mehr viel dazu sagen. Ich nehme es, wie es kommt.

Der Ersatz ist die große Vereinsbühne Champions League?

Weidenfeller: Das hat mir in den letzten Jahren sehr viel bedeutet. Wembley war ein außergewöhnliches Erlebnis für mich persönlich, für das gesamte Team, für Dortmund. Das gibt Kraft für neue Aufgaben. Wir durften diese Atmosphäre erleben, und deshalb werden wir immer diesen Traum haben, vielleicht wieder reinzurutschen in dieses Finale.

So denkt BVB-Torwart Weidenfeller über seine "Karriere nach der Karriere" 

BVB-Torwart Roman Weidenfeller
BVB-Torwart Roman Weidenfeller © Adrian Dennis / afp

Was erträumen Sie sich für den BVB in der Bundesliga?

Weidenfeller: Wir möchten wieder attraktiven Fußball zeigen und die Leute begeistern. Und wir wollen natürlich auch im nächsten Jahr wieder international Fußball spielen.

Noch einmal zurück zu den Sportfreunden Eisbachtal, zu Kindheitsträumen. Haben Sie Ihre Träume von damals verwirklicht, obwohl Sie noch nie für die Nationalmannschaft spielen durften?

Weidenfeller: Ich habe die eigenen Erwartungen sogar schon übertroffen. Und darauf bin ich stolz, und ich denke, dass ich noch ein paar weitere gute Jahre haben werde. Für drei habe ich bei Borussia Dortmund noch einmal unterschrieben...

Weil wir hier auf dem Trainerpodium sitzen noch diese letzte Frage: Wollen Sie irgendwann in offizieller Funktion von einem solchen Platz Richtung Presse reden?

Weidenfeller: Ich weiß aktuell noch nicht, wie es nach der Karriere weitergehen wird. Im Fokus stehen erst einmal diese drei Jahre, die ich mit Borussia nutzen will.