Dortmund. . Borussia Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke gibt sich unbeeindruckt von allen Störgeräuschen rund um seine Mannschaft. Er ist sicher: Auch in der kommenden Spielzeit wird eine starke Dortmunder Mannschaft auflaufen.

Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund spielt in der Champions League die Sterne vom Himmel, Jungstar Mario Götze wechselt nach München, Robert Lewandowski will ebenfalls weg. Ein Gespräch mit Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung, über bewegte Zeiten.

Herr Watzke, das Spiel gegen Real Madrid war ein großer Abend für den BVB. Wie sehr können Sie bei all den Nebengeräuschen um Mario Götze und Robert Lewandowski einen solchen Abend genießen?

Hans-Joachim Watzke: In meiner Position ist man nicht fürs Genießen da. Natürlich ist es wunderschön zu erfahren, was wir den Menschen in dieser Region geben. Dieses Spiel gegen Real – wenn nicht noch größere Dinge geschehen - wird ja in der Retrospektive das Spiel gegen Benfica Lissabon von 1963 ablösen, bei dem heute auch noch 500 000 Menschen behaupten, dass sie live dabei waren.

Sie waren dabei.

Watzke: Ich habe so unter Anspannung gestanden, dass sich diese erst spät gelöst hat. Ich habe noch mit ein paar Freunden zusammengesessen und mich so weit es ging entspannt. Anschließend war ich Zuhause, habe das Spiel noch einmal geguckt und bis 5.30 Uhr Musik gehört. Das lässt dich nicht los, die Begleiterscheinungen waren auch nicht so positiv.

Was meinen Sie genau?

Watzke: Ohne Medienschelte betreiben zu wollen: Ich fand, dass die Leistung der Mannschaft einen Tag danach nicht ausreichend gewürdigt wurde, weil sofort das größte Thema gestern war: Bricht Borussia Dortmund auseinander? Das fand ich nicht angemessen!

Aber das ist das Gefühl, das manche Fans gerade beschleicht.

Watzke: Das Gefühl wird künstlich erzeugt. Ich verlasse mich auf das, was ich mit unseren Spielern bespreche. Mario Götze besaß eine Ausstiegsklausel, die er nur deshalb hatte, weil wir ihn vor einem Jahr schon nicht hätten halten können. Robert Lewandowski könnte sich vorstellen zu wechseln, aber er hat - und das ist der entscheidende Unterschied - keine Ausstiegsklausel. Wir werden darum kämpfen, ihn zu überzeugen, noch ein Jahr bei Borussia Dortmund zu spielen.

Kein Wort zu Lewandowski 

Wie?

Watzke: Da gibt es nur einen Weg: mit ihm reden. Und zwar persönlich, nicht über die Öffentlichkeit. Wir werden zum Thema Lewandowski gar nichts mehr sagen.

Es ist ein wahrer Hype entstanden um Borussia Dortmund. Fast minütlich hat Ihr Verein gerüchteweise neue Zu- und Abgänge zu verzeichnen. Mats Hummels soll nach Barcelona, Mario Gomez war angeblich zum Gesundheitscheck in Dortmund. Wie empfinden Sie diese Hysterie?

Watzke: Das mit Mario Gomez haben mich sogar Spieler gefragt. Und wenn ich dann sage, dass ich das wissen müsste, dann sagen die: Aber er ist gesehen worden. Wir sind Opfer dieser von mir ohnehin nicht sehr geschätzten sozialen Medien. Da wird ein Wahnsinn verbreitet, dass es einem manchmal schlecht wird. Aber diesen Geist kriegen wir alle nicht mehr in die Flasche!

Sie haben an dieser Stelle die Möglichkeit, Fakten zu schaffen. Droht der Ausverkauf?

Watzke: Es gibt von den anderen prägenden Spielern keinen, der den Klub verlassen möchte. Das sind Medien-Geräusche.

Warum entstehen diese?

Watzke: Wir haben uns sportlich auf eine Ebene katapultiert, die wir wirtschaftlich nicht darstellen. In der letzten Bilanz haben wir bei den Personalaufwendungen einen Betrag von 74 Millionen Euro ausgewiesen. Bei Bayern steht da eine 166. Von Madrid und Barcelona weiß ich, dass die Ausgaben allein für die Mannschaft jenseits der 200 Millionen Euro liegen. Es ist also klar, dass wir das gallische Dorf unter lauter Römern sind.

„Der Rest der Welt glaubt uns nicht“ 

Wie begegnen Sie diesen Aufgeregtheiten?

Watzke: Wir im innersten Zirkel sind vollkommen unbeeindruckt, weil wir das alles kennen. Nur was nützt es, wenn wir das extrem gelassen hinnehmen, aber der Rest der Welt glaubt es uns nicht?

Aber ist es nicht so, dass die Spieler, die den Verein verlassen, ein Signal an die anderen senden?

Watzke: Das sehe ich nicht so. Das würde nur ein Signal senden, wenn man uns nicht zutraute, die Spieler adäquat zu ersetzen. 2011 haben alle vermeintlichen Experten gesagt: Nuri Sahin, der Kopf der Mannschaft, wenn der geht, bricht alles zusammen. 2012 war es Shinji Kagawa. Da haben alle gesagt: Wenn der jetzt weg ist, geht’s endgültig den Bach herunter. Und dann sind angeblich immer drei andere auch gleich weg. Jetzt also Mario Götze. Der Junge ist außergewöhnlich, ich kann mich aber auch daran erinnern, dass wir Bayern München mal mit 5:2 geschlagen haben, obwohl er gar nicht gespielt hat. Wir werden auch diese Situation meistern. Ich bin ganz, ganz, ganz sicher, dass die Mannschaft im nächsten Jahr kaum Veränderungen zu diesem Jahr aufweist und wir ihr weitere Qualität zuführen werden.

Die Bayern holen Mario Götze und wollen auch Robert Lewandowski. Überrascht es Sie, wie tief der Stachel bei den Bayern nach den vergangenen beiden Jahren sitzt?

Watzke: Sagen wir mal so: Es überrascht mich in diesem Geschäft nichts mehr. Es ist ja in der freien Marktwirtschaft nichts Ungewöhnliches, dass der Marktführer einen aufstrebenden Konkurrenten gern möglichst klein hält.

Keine Denkverbote 

Haben Sie den Eindruck, dass München versucht, Sie platt zu machen?

Watzke: Kein Kommentar.

Liegen Ihnen irgendwelche Angebote oder Anfragen für Spieler vor?

Watzke: Nein.

Macht die Dortmunder Philosophie, junge, entwicklungsfähige Spieler für vergleichsweise wenig Geld zu verpflichten, nun einer auf klangvolle Profis setzenden Einkaufspolitik Platz?

Watzke: Ich habe ja gesagt: Es gibt keine Denkverbote. Aber die Grundphilosophie ändert sich nicht. Das Geschäftsmodell von Borussia Dortmund ist, dass wir Spieler mit erheblichem Entwicklungspotenzial holen. Da ist dann heute nicht mehr so wichtig, ob er teuer ist oder nicht. So wie bei Marco Reus. Das heißt aber nicht, dass bei fünf Transfers nicht einer dabei ist, von dem wir sagen: Der tut uns sofort gut, hat aber nicht das höchste Entwicklungspotenzial. Der sollte dann aber nicht unfassbar viel Geld kosten.

Das sind Luxusprobleme, wenn man bedenkt, dass Sie vor wenigen Jahren noch zwei Millionen Euro von Bayern München erhalten haben, um die Existenz zu sichern.

Watzke: Wir sollten hier mal mit einer Legende aufräumen. Es hat zwei Millionen Euro von Bayern München gegeben, als Kredit, aber nicht an mich. Darauf lege ich großen Wert. Ich wäre lieber persönlich betteln gegangen, als mir von den Bayern Geld zu leihen. Das Geld hat München 2004 an meine Vorgänger gezahlt. Ungeachtet der zwei Millionen war der BVB im Februar 2005 fast pleite und musste die Gläubiger um Hilfe und zeitlichen Aufschub bitten. Eine meiner ersten Amtshandlungen mit den Gläubigern war, die Zustimmung einzuholen, dass Bayern München das Geld in vollem Umfang zurückbekommt, was andere Gläubiger sich nur wünschen konnten. Bayern hat zur Vermeidung einer Insolvenz von Borussia Dortmund keinen Beitrag geleistet, hat einen hohen Zinssatz bekommen und das volle Geld zurück. Wer heute behauptet, dass München in irgendeiner Weise Borussia Dortmund in der Version 2.0, solide wirtschaftend, geholfen hätte, der sagt wissentlich die Unwahrheit.