Dortmund. Der BVB hat beim Remis in Mönchengladbach nicht gut gekickt, die eigentlich auf dem Silbertablett servierten drei Punkte leichtfertig liegen gelassen. Aus sportlicher Sicht also ein eher maues Wochenende, aber aus Fansicht dennoch ein interessantes.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke wird nicht müde, die Fahne der Traditionsvereine in der Fußball-Bundesliga hochzuhalten und gewisse Privilegien für Vereine wie unsere Borussia, den Revierclub aus Gelsenkirchen oder auch „verdiente“ Zweitligisten wie den 1.FC Köln oder die 'Roten Teufel' aus Kaiserslautern anzuregen. Das sagte der Vereinschef unlängst bei einem Kongress in Düsseldorf, wo Sponsoren, Marketing-, Medien- und Sportexperten tagten.
Was ihm vorschwebt, ist beispielsweise eine Änderung bei der Verteilung der Fernsehgelder. Diese sollte nicht mehr nach dem jetzigen Schlüssel vorgenommen werden, findet er. Mindestens die Hälfte sollte seiner Meinung nach zwar weiter abhängig vom sportlichen Erfolg der Vereine aufgeteilt werden. Allerdings möchte er künftig auch weitere Parameter berücksichtigt wissen, die bislang keine Rolle spielen: Zuschauerzahlen nannte er als Beispiel, Zuschauerquoten, aber auch die schwer messbare Größe Popularität könnten über das Maß an Zuwendungen für die jeweiligen Vereine entscheiden.
Eindringliche Warnung vor noch mehr Werksclubs
Watzke hat Angst, dass das derzeitig so prosperierende Spiel namens Bundesliga nicht mehr funktioniert, wenn auf Dauer die Stadien nicht mehr voll sind. Deswegen warnte er sehr eindringlich vor weiteren Werksclubs in der höchsten deutschen Spielklasse. „Wir können nicht noch drei Mannschaften gebrauchen, die vor 25.000 Zuschauern spielen und auswärts nur 500 Zuschauer mitbringen. Da kollabiert das System, dann ist es vorbei mit der Roadshow im Ausland“, erklärte er.
Watzke hat sich nicht zum ersten Mal in dieser deutlichen Form geäußert, nicht zum ersten Mal verspürte er Gegenwind ob seiner Ansichten. Bei der genannten Veranstaltung verwahrten sich Wolfgang Holzhäuser aus der Chefetage von Bayer Leverkusen sowie Thomas Röttgermann, Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, gegen Watzkes Schlussfolgerung. Auch fern von Düsseldorf, im Kraichgau, wurden die Äußerungen mit Grimm vernommen. Bei der TSG Hoffenheim sah man sich veranlasst, via Homepage Stellung zu nehmen.
Watzke hat einfach nur Recht!
In dem Beitrag heißt es, unter anderem: „Wer allein Tradition gelten lassen will, und das auch noch regional einseitig, liegt komplett falsch und setzt sich dem Verdacht aus, einfach nur die eigene Marken-Identität stärken zu wollen. (…) Wer so denkt, will Erstliga-Fußball nur in Ballungsräumen zulassen.“ Nun maße ich mir nicht an, beurteilen zu können, was Aki Watzke denkt und was er will. Aber an dieser Stelle wird es allerhöchste Zeit, als Fan eines sogenannten Traditionsvereins zu sagen, der Mann hat doch einfach nur Recht! Es ehrt ihn darüber hinaus, dass er so deutlich sagt, was sehr, sehr viele Fußball-Fans denken, egal welchem Verein sie anhängen.
Das vergangene Wochenende war geradezu ein Musterbeispiel für die Entwicklung, die der Dortmunder Vereinsboss auf dem Düsseldorfer Kongress anprangerte. An diesem Wochenende spielte bekanntlich seine bei der von den Schwarz-Gelben „falsche“ Borussia genannten. Ein Spiel zweier Traditionsvereine im besten Sinne. Bereits zum 90. Mal standen sich beide gegenüber. Ein ausverkauftes Stadion, unter den 54.000 Zuschauern waren tausende Anhänger des Gastvereins. Aus neutraler Sicht also ein perfekter Rahmen für ein ordentliches Bundesligaspiel.
Mönchengladbach - Tradition in der Provinz
Wenn sie in Hoffenheim also argumentieren, es gebe Bestrebungen, „Erstliga-Fußball nur in Ballungsräumen zulassen“, dann sei ihnen ein Ausflug an den Niederrhein ans Herz gelegt. Ganz schöne Gegend dort. Aber ein Ballungsgebiet? Da kämen wohl selbst größten Lokalpatrioten die Bedenken. Sicher, mit einer Viertelmillionen Einwohner ist Mönchengladbach keine Kleinstadt, aber ein Ballungsgebiet ist dieser Zusammenschluss aus Dörfern und Kleinstädten eher nicht, dafür liegt zu viel Provinz in der Luft.
Eines allerdings gibt es dort unbestritten: Eine gewachsene Fußball- und Fankultur. Das eigene Stadion ist stets gefüllt, in die Fremde reisen regelmäßig Tausende grün-schwarz-weißer Borussen. Unter der Woche sogar 10.000 nach Rom. Davor kann man nur den Hut ziehen. Über die Reiselust von uns Schwarzgelben muss man ohnehin nichts mehr sagen, sie ist bereits Legende, wie auch beim Pokalspiel in München am Mittwoch wieder zu sehen und vor allem zu hören sein wird.
Hoffenheim mit 150 Fans in Augsburg
Und Hoffenheim? Die haben ein eminent wichtiges Spiel, da sie in diesem Jahr ums sportliche Überleben kämpfen. Als 16. der Tabelle spielt ihre Mannschaft beim Vorletzten Augsburg, es ist DAS Kellerduell. Zwischen Hoffenheim nach Augsburg liegen circa zweieinhalb Autostunden, beide liegen direkt an der Autobahn. Und wie viele Fans aus Hoffenheim begleiten ihre Mannschaft zu diesem bedeutenden Spiel? Etwa 150, seriösen Medienangaben ('Focus') zufolge. Diese Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 150! Selbst die doppelte Anzahl wäre ein trauriger Scherz. Aber sie ist kein Scherz, sondern bitterer Ernst.
Wer vor diesem Hintergrund Kritik an den ehrlichen Ausführungen von Hans-Joachim Watzke vornimmt, sollte sich zwei Fragen beantworten: Wie viel verträgt das System Bundesliga davon noch? Und will man wirklich noch mehr davon? Ich nicht!
25.02.2013, Uli Vonstein, Gib mich DIE KIRSCHE