Dortmund. . Das Westfalenstadion leerte sich nicht erst nach, sondern schon während der BVB-Niederlage gegen den HSV. Rafael van der Vaart gab einmal mehr ein schlechtes Bild ab — und fokussierte so die Abneigung Fußball-Dortmunds auf sich. Dass er vereinzelt mit Gegenständen beworfen wurde, ist trotzdem unverzeihlich.

Für den Fußballfan in Schwarz und Gelb hat es schon schönere Spieltage gegeben, als den vergangenen. Nicht nur, weil die Borussia beim Heimspiel gegen Hamburg einen gebrauchten Tag erwischt hatte oder weil der sicherlich nicht unverdiente HSV-Sieg bei Betracht des Spielverlaufs deutlich zu hoch ausgefallen war, sondern auch wegen der Diskussionen um den Platzverweis für Robert Lewandowski, Wurfgeschossen von Süd- und Osttribüne und des Umstandes, dass viele Plätze im Stadion schon einige Zeit vor dem Abpfiff verwaist waren.

Diese Begleitumstände der dritten Saison-Heimniederlage des Ballspielvereins dominierten dann nach dem Spiel auch die Gespräche an den Tresen der Dortmunder Fußballkneipen.

Die rote Karte für Robert Lewandowski machten die meisten als spielentscheidenden Wendepunkt aus. Der polnische Stürmer hatte zuerst mit schöner Einzelleistung seine Farben in Front gebracht und war dann kurze Zeit später, als der Gast aus der Hansestadt das Spiel bereits gedreht hatte, Hauptdarsteller einer dieser Zweikämpfe, die Urteile im gesamten Ermessensspielraum zwischen Verwarnung und Platzverweis zulassen.

Und dieser Spielraum wurde auch ausgenutzt – von „Klare Rote Karte“ bis „noch nicht mal mehr Gelb“ war alles dabei. Ich fand die Entscheidung zu hart. Im Gegensatz zum Mainzer Shawn Parker, der tags darauf nach einer vergleichbaren Situation des Feldes verwiesen wurde, traf Lewandowski seinen Gegenspieler nicht mit gestrecktem Bein und nicht im Gesicht, sondern am Knie.

Die häufig dokumentierte Sichtweise des Mainstreams der Medien, der Feldverweis für Lewandowski wäre folgerichtig und der für Parker eine Fehlentscheidung gewesen, ist verhältnismäßig seltsam. Genau wie das peinliche Verhalten von Rafael van der Vaart, der nach der Aktion von Lewandowski höchstselbst äußerst rumpelstilzchenhaft eine Rudelbildung anzettelte, um dann bei der kleinsten Berührung einen doppelten Rückwärtssalto Richtung Grasnarbe aufs Parkett zu zaubern.

Ähnliche Magie war wohl im Spiel, als der Mann, für den in Hamburg häusliche Gewalt als Kavaliersdelikt gewertet wird, von einem Feuerzeug in der Bauchgegend getroffen wurde und sich in der Folge das schmerzverzerrte Gesicht hielt. Nach der Partie gab Van der Vaart schließlich noch an, er habe nach dem Lewandowski-Foul eben „ein bisschen Theater“ machen müssen, weil Schiedsrichter Gräfe sonst den roten Karton hätte stecken lassen.

Sportliche und charakterliche Bankrotterklärung

Einmal mehr ist das Verhalten von Van der Vaart eine sportliche und charakterliche Bankrotterklärung und es ist verständlich, dass er sich so nicht in die Herzen der gegnerischen Fans schauspielert. Trotzdem ist es nicht nur falsch, von ihm oder dem insgesamt guten Gräfe die Niederlage abhängig zu machen, wie es nicht wenige Dortmunder Zuschauer taten, es ist auch absolut unverzeihlich, dass Becher und Gegenstände auf den Holländer geworfen werden.

Zuallererst ist so ein feiges Suppenkasper-Attentat aus dem Schutze der Masse heraus dumm, feige und gefährlich. Darüber hinaus schadet es in einer Zeit, in der der DFB fünfstellige Geldstrafen für Konfetti im Stadion verhängt, dem eigenen Verein und der eigenen Fanszene. Letztere kämpft heutzutage in einem schwierigen Medienumfeld für den Erhalt der Fankultur, welche häufig in der Öffentlichkeit falsch bewertet wird. Und zu dieser Kultur gehört mit Sicherheit nicht das Werfen von Gegenständen.

Gegenstände flogen auch von teuren Sitzplätzen

Dass jetzt die „Experten“ von Sky eine sportgerichtliche Untersuchung des Falles herbeireden, ist vorhersehbar wie folgerichtig, dass hingegen keinem Offiziellen oder Reporter im Stadion aufgefallen sein will, dass Van der Vaart nicht nur von den oftmals irrational kritisierten Stehplätzen, sondern eben auch von den teureren Sitzplätzen beworfen wurde, ist ein Ärgernis. „Liebe Fans von der Südtribüne, unterlasst bitte sofort das Werfen von Gegenständen“ hallte es durch die Lautsprecher. Wenigstens wurde nicht auch noch durchgesagt, dass die Getränkewürfe von der Osttribüne im vor der Saison horrend erhöhten Eintrittspreis enthalten sind.

Schlechtes Verhalten gibt es überall, wo 80.000 Menschen zusammenkommen. Also auch beim Fußball. Und dort eben nicht nur auf den „billigen Plätzen“. Diese „billigen Plätze“ beherbergten übrigens auch nach dem Abpfiff noch Fußballfans, die die spielerisch schwache, aber kämpferisch starke Leistung ihrer Mannschaft mit Applaus und aufmunternden Gesängen honorierten. Erschreckend große Teile der Sitzplätze waren schon zehn Minuten vor Spielende verwaist.

Einige der notorisch über alles meckernden Mehrzahler von der Ost- und Westtribüne täten besser daran, einzusehen, dass ein Sky-Abo für sie billiger und stressfreier wäre. Ihre begehrte Dauerkarte könnten sie Fans überlassen, die die Mannschaft bis zum Abpfiff unterstützen.

Gib mich DIE KIRSCHE