Dortmund. . In einer Woche beginnt die Rückrunde für Borussia Dortmund: Im Interview sprach Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über die Perspektiven und Stärken des BVB, über Transfers wie den von Marco Reus und über Trainer Jürgen Klopp.
Hans-Joachim Watzke hat im Moment wenig Anlass, unzufrieden zu sein. Borussia Dortmund ist Tabellenzweiter der Bundesliga, hat eine junge Mannschaft mit Perspektive, konnte den Bayern Marco Reus wegschnappen und veröffentlicht beeindruckende Wirtschaftszahlen. Ein Interview mit dem Chef des BVB über risikoreiche Transfers, Milch und Honig aus Bayern und eine Zukunft mit und ohne Jürgen Klopp.
Herr Watzke, intern werden Sie beim BVB schon mal Kanzler genannt. Im Moment dürfte Ihre Arbeit erheblich angenehmer sein, als die von Kanzlerin und Ihrer Parteifreundin Angela Merkel.
Es ist soweit alles okay, wir können sehr zufrieden sein, haben den Klub auf allen Ebenen entwickelt. Politik ist aber viel schwieriger. Wenn eine Entscheidung gefällt wird, weißt du als Politiker manchmal nicht mehr, was du ursprünglich eigentlich initiieren wolltest. Wenn ich morgens eine Idee habe, soll sie am liebsten nachmittags schon umgesetzt sein.
Auch beim BVB müssen Sie strategisch denken und langfristig planen. Es gibt spezielle Analysen, die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken bewerten. Was sind die Stärken des BVB?
Größte Stärke ist die innere Geschlossenheit und Gelassenheit. Zweitens die einmalige Fantreue. Drittens die starke Marke. Und natürlich das Kerngeschäft auf dem Rasen mit einer ambitionierten Mannschaft mit extrem viel Perspektive, Leidenschaft und Charakterstärke.
Welche Schwächen gibt es – insbesondere beim Blick auf den FC Bayern München?
Es ist keine spezifische BVB-Schwäche, aber es gibt den Standortnachteil. Die Bayern, mit denen wir ein respektvoll kollegiales Verhältnis haben, sind seit 40 Jahren erfolgreich. Der Vereinsname besetzt ein ganzes Bundesland, in dem sie inzwischen keine Konkurrenz mehr haben. In Bayern fließen Milch und Honig, dort werden seit Jahren keine Schulden mehr gemacht – genau wie beim BVB. Im wesentlich ärmeren Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es neben uns die veritablen Traditionsklubs Mönchengladbach, Köln und Schalke.
Trotzdem, siehe letzte Saison, sind die Bayern nicht unangreifbar.
Das ist richtig. Die Bayern sind in den letzten fünf Jahren nur zwei Mal Meister geworden. Aber sie kommen immer wieder zurück.
Wo sehen Sie die Chancen des BVB?
Wir haben das größte Stadion, sind in allen Bereichen auf Wachstumskurs. Die Perspektiven des Klubs sind großartig. Aber das Kerngeschäft, die Performance im Fußball, überlagert, ja dominiert alles. Wenn wir erfolgreich und leidenschaftlich Fußball spielen, haben wir jede Menge Chancen. Das ist das Wichtigste. Nicht fußballaffine Geschäftsfelder. Die Bayern haben doppelt so viele Fans, polarisieren aber erheblich mehr, werden deshalb auch abgelehnt. Wir haben jetzt seit Jahren hohe Sympathiewerte.
Bietet auch der Transfer von Marco Reus, mit Blick auf die in dieser Personalie unterlegenen Bayern, Chancen? So hat Mario Götze gesagt, er könne sich eine weitere Vertragsverlängerung vorstellen.
Den Automatismus, zu den Bayern zu gehen, gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Das haben wir bei Vertragsverlängerungen bemerkt, wie bei der von Mats Hummels. Die Spieler wissen, dass wir ein ambitionierter Verein sind, in dem das Individuum sehr geschätzt wird. Bei uns ist auch Spieler Nummer 28 samt seinen Stärken und Schwächen voll integriert. Am Beispiel Nuri Sahin sieht man, wozu ein Spieler in einem intakten Umfeld fähig ist. In einem anderen Umfeld wird es erheblich schwieriger.
Gilt für den bei Real Madrid offenbar unzufriedenen Ex-BVB-Spieler Sahin weiter die Aussage, dass für ihn beim BVB immer eine Tür offen steht?
Ja, die gilt uneingeschränkt. Das habe ich auf der Meisterfeier gesagt, und das bleibt auch so. Voraussetzung ist allerdings, dass es realisierbar sein müsste.
Sehen Sie Risiken, sehen Sie Gefahren für den BVB?
Klar. Wenn wir uns nicht auf die Weise sportlich entwickeln, wie wir es eingeschätzt haben. Auf unserem sportlichen Niveau treffen wir jetzt mehr unternehmerische Entscheidungen, die schwieriger und risikobehafteter sind. Wenn wir für 350 000 Euro Shinji Kagawa holen, ist dieser Transfer nicht vergleichbar mit dem von Marco Reus. Wir müssen die wirtschaftliche Balance halten und möglichst wenige Fehlentscheidungen treffen. Wir werden das in der jetzigen personellen Konstellation hinkriegen, da bin ich sicher. Aber das ist auch ein Risiko, wenn irgendwann die handelnden Personen durch andere ersetzt werden.
Wie Ihr Trainer Jürgen Klopp? Ist das so ein Risiko?
(lacht) Wenn er da ist oder wenn er nicht mehr da ist?
Wenn er nicht mehr da ist. Sein Vertrag läuft bis 2014. Sie würden gerne verlängern.
Jürgen ist als Gesamtpaket aus Trainer, Psychologe, Mensch und Sympathieträger unfassbar werthaltig. Das haben auch andere Vereine verstanden. Aber es ist normal, dass irgendwann jeder Handlungsträger ersetzt werden muss. Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten. Wenn Jürgen mal gehen würde, wäre das eine gewaltige Zäsur. Wir versuchen, diesen Zeitpunkt möglichst weit hinauszuschieben, aber irgendwann war auch die Ära von Otto Rehhagel beendet. Ich sehe aber aktuell keinen Anlass. Jürgen fühlt sich wohl in Dortmund. Wir haben auch was zu bieten. Wenn wir das Gefühl haben, die Zeit ist reif, werden wir im Laufe dieses Jahres miteinander sprechen.
Kommendes Wochenende beginnt die Bundesliga wieder. Beim Blick auf die Tabelle frohlockt der Fan im Fußball-Westen. Werden es am Ende drei Westklubs in die Champions League schaffen?
Borussia Mönchengladbach würde ich es für diese großartige Saison wünschen. Leverkusen hat vom Potenzial gute Chancen, aber erst 26 Punkte. Schalke würde ich gratulieren. Ich habe es ja vor der Saison prognostiziert. Die Schalker haben es nicht geglaubt. Ich hatte da aber offenbar die klarere Einschätzung.