London. Borussia Dortmund muss im Champions-League-Spiel in London unbedingt gewinnen, um noch ins Achtelfinale einziehen zu können. Für Kevin Großkreutz geht ein Traum in Erfüllung. “Ich wollte immer in England spielen“, sagte Großkreutz.

Diese Szene ist verbürgt. Keine Fantasie, kein übertriebenes Geschwafel – genau so war es. Als Dortmund am 12. Mai dieses Jahres bereits tief im Meisterjubel versank, stand Kevin Großkreutz noch in den Katakomben des Stadions, hämmerte mit den Händen gegen die Wand und sagte in der Pause zwischen zwei Liedern: „Ich habe Gänsehaut, ich zittere am ganzen Körper.“

Für Großkreutz war nicht nur irgendein Traum in Erfüllung gegangen. Nein, den Titel mit Borussia Dortmund, mit seinem BVB zu holen, das war für ihn, den Dortmunder Jungen aus der Nordstadt, mehr gewesen: der Lebenstraum. Ein Ziel, für das er jahrelang alles andere hinten angestellt hatte.

Ist das eine, das größte, erstmal erreicht, tritt selbst bei Fußball-Profis wie Großkreutz häufig ein Domino-Effekt ein. Wenn er also heute Abend mit dem deutschen Meister in der Champions League beim FC Arsenal London (20.45 Uhr, live Sat1, Sky und im DerWesten-Ticker) gastiert, schließt sich der nächste Kreis, erfüllt sich die nächste Sehnsucht des 23-Jährigen. Bereits nach dem Sieg in München sagte Großkreutz fast andächtig: „Es war immer mein Traum, in England zu spielen. Dieser Traum geht nun in Erfüllung.“ Plumps, liegt der nächste Stein.

Großkreutz laut Zorc das "Symbol des Vereins"

Dabei taten vor knapp zehn Jahren nicht wenige sämtliche Äußerungen des pubertierenden Kevin in Richtung deutsche Meisterschaft oder Nationalelf als Fantasterei, vielleicht noch als Romantik eines jungen Dortmunder Fußballers ab. Über zwei Vorort-Klubs hatte sich Großkreutz in die Jugendabteilung des BVB gespielt – und wurde von den damals Verantwortlichen doch aussortiert. Sie hielten ihn nicht für robust genug.

Großkreutz, Dauerkarten-Inhaber auf der Südtribüne, ging 2002 zum Amateurverein RW Ahlen, bei dem er 2006 als Herrenspieler in der drittklassigen Regionalliga debütierte und zu diesem Zeitpunkt auf einen Bekannten aus Dortmund traf: auf Marco Reus. Auch er war durch das Raster der Borussia gefallen und zu Rot-Weiss gewechselt.

Während es Großkreutz 2009 wieder in seine Heimatstadt zog, entschied sich Reus für die Mönchengladbacher Borussia. Faszinierend daran: Mittlerweile sind beide Nationalspieler und mischen die Bundesliga auf.

Dennoch ist Großkreutz seinem Kollegen aus Ahlener Zeiten einen gewaltigen Schritt voraus. Er hat wie sein Klub eine Mini-Krise zu Saisonbeginn überstanden und kämpft heute Abend im Scheinwerferlicht der europäischen Königsklasse um den Verbleib in eben dieser. Nur ein Sieg gegen die Engländer lässt der Borussia theoretische Chancen auf den Einzug in das Achtelfinale.

Großkreutz, den Sportdirektor Michael Zorc einst als „Symbol des Vereins“ bezeichnete, scheint diese Ausgangslage allerdings nicht zu bedrücken. Sie stachelt ihn vielmehr an. „Wir sind erfolgsgeil und wollen in London ein geiles Spiel abliefern“, erklärte er in der ihm eigenen Art und Ausdrucksweise. Und natürlich: „Wir werden alles raushauen.“

In der Gruppenphase seit 25 Spielen ungeschlagen

Das müssen die Dortmunder auch. Immerhin sind die „Gunners“, die mit einem Sieg vorzeitig in die K.o.-Runde einziehen, in der Gruppenphase der Königsklasse seit 25 Spielen ungeschlagen, 20 davon endeten mit einem Sieg. Die letzte Heimniederlage datiert vom 17. September 2003 – ein 0:3 gegen Inter Mailand.

„Die Mannschaft weiß, dass sie mit einer ähnlichen Disziplin wie gegen die Bayern auch in London gewinnen kann“, sagte Trainer Jürgen Klopp. Allerdings ist in der prickelnden Atmosphäre des Arsenal-Stadions mehr Offensivgeist gefragt als in München. Was auch Torwart Roman Weidenfeller weiß. „Wir wollen in London nachlegen, dann sehen wir weiter“, sagte er.

Eine Gänsehaut dürfte sein Kollege Großkreutz bereits beim Einmarsch ins Stadion bekommen. Aber sollte die Erfüllung seines nächsten Traums sogar einen Sieg beinhalten, dürfte sich wohl auch ein kurzes, kräftiges Zittern einstellen.