Dortmund. . Am Samstag sieht sich Roman Weidenfeller im Topspiel gegen Leverkusen wieder einem deutlich jüngeren Torhüter gegenüber: Dem 19-jährigen Bernd Leno. Er ist wie auch Hannovers Zieler ein Beispiel für die verschärften DFB-Ausbildungsanstrengungen.
In der kommenden Woche wird Manuel Neuer seinen Sprachkurs in Bayern unterbrechen und für ein paar Tage in den heimatlichen Klangraum auf Schalke zurückkehren. Der Terminplaner des Deutschen Fußball-Bundes wollte es so. Die EM-Qualifikationspartie der Nationalmannschaft gegen Österreich findet am Freitag in Gelsenkirchen statt, in der Arena, in der der Torhüter quasi mit königsblauer Muttermilch groß gezogen wurde, so groß, dass er jetzt die deutsche Nummer eins ist, in München beim Renommierklub sein Geld verdient und mit seinen 25 Jahren schon zu den Jung-Senioren der Bundesliga zählt.
Neuer sorgte für die Wende
Vom Alter wird ja behauptet, es sei eine Frage des Em-pfindens. Es ist aber auch eine Frage der Vergleichswerte. Als Neuer Anfang Mai 2010 nach dem verletzungsbedingten Ausfall René Adlers von Bundestrainer Joachim Löw zur ersten Wahl für die WM erklärt wurde, war diese Entscheidung eine mutige. Neuer galt als blutjung, als möglicherweise nicht reif genug, um der Auswahl in Südafrika Stabilität verleihen zu können. Gerade erst etwas mehr als ein Jahr ist seitdem verstrichen. Und doch hat sich seit Neuers gelungener Inthronisation Deutschland einig Torhüterland radikal verändert.
Als blutjung galt Neuer im Mai 2010, weil in der Bundesliga die Anfang- bis Enddreißiger Frank Rost, Raphael Schäfer, Faryd Mondragon, Christian Wetklo, Jaroslav Drobny, Hans-Jörg Butt, Jens Lehmann Tore hüteten und Mitt- bis Endzwanziger wie Tim Wiese, Philipp Heerwagen, Diego Benaglio, Logan Bailly, Simon Pouplin und Daniel Haas das Feld mit weiteren Jahren füllten. Im August 2011 gehört Neuer zum Mittelbau, weil er a) ein bisschen gealtert ist, b) die Lehmänner nicht mehr dabei sind und c) stattdessen die Liga im Jungbrunnen plätschert wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte. Offensichtlich hat sie nur auf ein Vorbild für die Wende gewartet, auf ein funktionierendes. Und der Bundestrainer hat es ihr geliefert. Mit dem programmatischen Namen: Neuer.
Gegen Leverkusen trifft Weidenfeller auf den jungen Leno
Am Samstag wird Roman Weidenfeller wieder konfrontiert werden mit einem Knaben aus der Nach-Wendezeit. Und wahrscheinlich wird Borussia Dortmunds Torhüter nach der Partie bei Bayer Leverkusen auch wieder danach gefragt werden, wie er denn diesen so irrsinnig jugendlich 19-jährigen Bernd Leno einschätze, der auf Leihbasis vom VfB Stuttgart ins Rheinland wechselte, mit der Reputation von exakt null Erstligaspielen im Kreuz. Innerhalb von ein paar Monaten hat sich Weidenfeller schließlich in der öffentlichen Wahrnehmung von einem Keeper in den besten Jahren in einen Greis verwandelt, der bestenfalls auf der breiten Basis seiner vielfältigen Erfahrungen ein fachkundiges Urteil über die Jugend fällen kann.
Richtig eingefunden hat sich der seit drei Wochen 31-Jährige in diese Rolle noch nicht. Nachdem der Bundestrainer verkündet hatte, dass der neue dritte Hüter der Nationalelf der 22-jährige Hannoveraner Ron-Robert Zieler sein werde, erlaubte sich Weidenfeller im Anschluss an den 2:0-Sieg des BVB über den 1. FC Nürnberg seine eigene berufliche Qualifikation hervorzuheben: „Haben Sie unser 1:0 gesehen? Ball abgefangen, sofort abgeworfen und damit ein Tor eingeleitet. Macht das nicht einen modernen Torhüter aus?“ Wie ein beruhigtes Zurücklehnen wirkte das nicht. Thematisch korrekt war es aber schon. Sie soll in dieser Region verlaufen, die Grenze zwischen Mittelalter und Neuer-Zeit, zwischen der überholten und der brandaktuellen Torhüterschule: in dieser Region, in der die dumpfen Wegbolzer von den klugen Mitspielern geschieden werden sollen.
Früchtchen der verschärften DFB-Ausbildungsanstrengungen
Bernd Leno könnte als Beispiel für die Früchtchen der verschärften Ausbildungsanstrengungen des DFB und der Vereine herhalten. Aber auch Marc-Andre ter Stegen, der 19-jährige Mönchengladbacher Stammtorhüter, der mit der U 17 2009 Europameister wurde und einen gewissen Leno dabei auf einen Bankplatz verwies. Oder der Freiburger Oliver Baumann (21). Oder Patrick Rakowsky, der 18-jährige Ex-Schalker, der mit Nürnberg in Dortmund zu Gast war. Oder Zieler, der mit der U 19 den Europameistertitel feierte. Dass Weidenfeller mithalten kann, dass er zum besten Torhüter einer U-17-WM gewählt wurde, bringt ihm nichts. Das war 1997. Das ist lang her. Dass es ihm auch nichts bringt, dass er in der vergangenen Saison sein Tor am reinlichsten hielt (22 Gegentreffer), darf ihn dagegen ärgern. Deshalb ist die Partie des Meisters beim Vizemeister für ihn einmal mehr auch: eine Beweisführung in eigener Sache.