Bad Ragaz. Und jährlich grüßt das Kämpfertier: Kapitän Sebastian Kehl hofft nach langen Jahren der Rückschläge auf einen festen Platz in der Startformation von Borussia Dortmund.
Neulich war er wieder da, im Kopfkino, dieser folgenreiche Moment aus dem Spiel von Borussia Dortmund bei den Bayern am 11. August 2006. Der Zusammenprall mit Hasan Salihamidzic, der für immer ein Wendepunkt in der Karriere von Sebastian Kehl sein wird. Bei einem Zweikampf erwischte der Bayer den Dortmunder böse am Knie. Für Kehl war das Spiel beendet. Für Kehl war die Saison beendet. Bis heute steht diese Verletzung für den Beginn seines langen Leidenswegs.
Wenn Borussia Dortmund in der neuen Saison gegen VfL Wolfsburg spielt, könnte Sebastian Kehl erstmals wieder auf Hasan Salihamidzic treffen. Der kehrt nach Auslandsjahren bei Juventus Turin in die Bundesliga zurück. „Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass mir bei dieser Nachricht kein Gedanke an die Verletzung aufgekommen ist“, gesteht Kehl im BVB-Trainingslager im idyllischen Bad Ragaz. Als „Jungbrunnen Europas“ firmiert das Schweizer Berg- und Bäderstädtchen stolz, und in diesem Jungbrunnen möchte auch der 31-jährige Sebastian Kehl Kraft und Stärke tanken. „Ich bin noch nicht bei 100 Prozent. Aber ich bin guten Mutes, dass ich das noch im Trainingslager aufholen kann“, sagt er.
Kehl weiß, dass die Vergabe der Startelf-Plätze näher rückt. Und der bekannt ehrgeizige Kapitän möchte einen dieser Plätze besetzen. So wie vor einem Jahr, im Sommer 2010. Nur zog sich Kehl dann am Saisonbeginn eine langwierige Verletzung zu. Und fiel, nachdem auch noch eine Knie-Operation notwendig wurde, fast die gesamte Meister-Saison aus. Am Ende kam er auf sechs Liga-Einsätze und damit auf so viele wie schon in der Saison davor. Auf ganze 60 Bundesliga-Spiele ist der BVB-Kapitän in den fünf Jahren seit dem Tritt von Hasan Salihamidzic gekommen. 61 Spiele waren es in den gerade mal zwei Spielzeiten davor. „Es ist ja nicht so, dass mein Körper nicht für den Profisport geeignet ist“, sagt er.
Fast ein Dutzend Verletzungen
Es ist nur so, dass Kehl seit 2006 eine schier unglaubliche Verletzungsmisere hat. Knochenstauchung, Sehnenentzündung am Schambein, Sehnenriss im Hüftbeuger: Fast ein Dutzend Verletzungen haben ihn immer aus der Bahn geworfen. „Diese langwierigen Verletzungen kosten Kraft, sie zermürben dich“, gesteht der Mann, der die Rubrik „Comeback-Versuche“ im „Guinness-Buch der Rekorde“ längst anführen dürfte.
Gerade arbeitet er wieder mal an einem, an seinem Comeback. „Ich kämpfe jeden Tag. Ich glaube an meine Leistungsfähigkeit. Ich habe es immer als Herausforderung gesehen, zurückzukommen“, sagt Kehl und vertraut auf die Weisheit eines Udo-Jürgens-Schlagers: „Ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf. Denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.“
Kehl "will spielen"
Den Urlaub hat er freiwillig früher beendet. Ein persönlicher Physiotherapeut hat ihn bei der Aufbauarbeit am Körper unterstützt. Die Vorbereitung läuft bislang gut. Kehl hat die ersten Testspiel-Einsätze hinter sich. „Ich mache jeden Tag einen Schritt vorwärts.“ Er weiß, dass auf seiner Position im defensiven BVB-Mittelfeld Sven Bender gerade Nationalspieler geworden ist. „Ich will spielen. Das ist mein Anspruch“, stellt der Kapitän Kehl klar. Und wirbt für den Routinier Kehl: „Es wird eine herausfordernde Saison für unsere junge Mannschaft und ich glaube, dass der eine oder andere mit Erfahrung hilfreich sein kann.“
Als Kehl 2002 mit Dortmund Meister wurde, war er als junger Spieler mittendrin. Als Kehl 2011 mit dem BVB Meister wurde, „war es eine andere Freude, von draußen die Meisterschaft mitzuerleben.“ Inzwischen ist Kehl der drittälteste Spieler im BVB-Kader. Und kein Borusse hat mehr Erstliga-Einsätze als der Kapitän, dessen Vertrag am Ende dieser Saison ausläuft. Beim nächsten Titelgewinn der Borussen will er wieder als Spieler auf dem Rasen stehen und nach Abpfiff die Trophäe in die Luft recken – beim Supercup am 23. Juli in Schalke könnte es soweit sein.