Dortmund. .
Als Jürgen Klopp in der 62. Minute Robert Lewandowski vom Feld holt und dessen Landsmann Jakub Blaszczykowski bringt, scheint es so, als wolle Borussia Dortmunds Spieler mit der Nummer 16 nahtlos an seine zuletzt gezeigten Leistungen anknüpfen.
Und die waren, um es mal euphemistisch auszudrücken, eher durchwachsen. Kubas erste Amtshandlung in Hamburg bestand darin, einen katastrophalen Fehlpass zu produzieren, der Unverständnis hervorrief. Unverständnis, das viele Fans schon fast die ganze Saison über beim Gedanken an diesen Spieler beschleicht. Warum ist sie stumpf geworden, die „Waffe“, wie Trainer oder Manager den pfeilschnellen Außenbahnspezialisten so gern bezeichneten?
Seufzer der Erleichterung
Man kennt es ja zur Genüge, wie man sich im Laufe einer Saison mit Kritik auf einen Spieler „einschießen“ kann, so wie einst auf Nelson Valdez. Den man lange lieben musste ob seiner Dauereinsatzbereitschaft, dessen Dauerversagen vor des Gegners Tor eines Tages aber einfach nicht länger tolerierbar war. Kuba schien zuletzt leider ebenfalls in diese Richtung zu tendieren. So auch an Hamburg, mit seinem misslungenen Einstand. Erinnerungen wurden wach an Kubas desaströsen Auftritt gegen Mainz, wo ein kollektiver Seufzer der Erleichterung durchs Stadion ging, als Klopp ihn und uns per Auswechslung erlöste. Oder an den unfassbaren Fehlschuss von Freiburg, als er kurz vor Spielende letztlich Gott sei Dank folgenlos den Ball freistehend über das leere Tor zimmerte.
Schnell keimte die Frage auf, wann Kuba uns eigentlich das letzte Mal Freude bereitet hat, so richtig Freude? Das ist schon einige Zeit her, am 11. Spieltag war es. Beim phänomenalen Auswärtstriumph in Hannover brannte er nach seiner Einwechslung ein imposantes 15-Minuten-Feuerwerk ab, erzielte einen wunderschönen Treffer, bereitet einen weiteren klasse vor und initiierte noch einen Platzverweis für den Gegner (weil Haggui sich zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ). In der Folgezeit konnte Kuba nur noch ein weiteres Mal statistisch aussagekräftig in Erscheinung treten, mit einem ‘Assist’ beim 2:0 gegen Werder Bremen. Hernach stand er zumeist nicht in der Startelf, als Einwechselspieler setzte er in der Regel kaum oder keine Akzente.
Bis zum Samstag. Da ließ er seinen doofen Fauxpas schnell vergessen, belebte die Borussen-Offensive und krönte seinen Auftritt mit einem fulminanten Treffer. Grenzenlos der Dortmunder Jubel, grenzenlos die Erleichterung. Wohl auch beim Torschützen selbst, den man lange nicht mehr mit so fröhlichem Gesicht auf dem Rasen gesehen hat. Jetzt wäre es zu schön, diesem Glanzlicht würden mal in kürzerer Zeitfolge weitere folgen - Du kannst es doch, Kuba! Wir wollen unsere „Waffe“ wiederhaben!
Halbvoll oer halbleer?
Nach dem Spiel reduzierten sich die Gespräche schnell wieder auf die uralte Philosophenfrage nach dem halbvollen oder halbleeren Glas. Hat die Borussia in Hamburg einen Punkt gewonnen oder hat sie zwei verloren? Nicht nur meiner Meinung nach war der Zähler hochverdient, natürlich war aufgrund der einseitigen zweiten Hälfte mehr drin. Aber wenn Du nach 90 Minuten immer noch zurück liegst, dann ist ein Remis ein Erfolg. Ein schöner zudem, weil Du die Partie innerlich eigentlich schon abhaken musstest.
Also, nehmen wir das Positive mit: Wieder fein gespielt (zumindest nach dem Seitenwechsel), zum wiederholten Mal einfach kein Glück gehabt. Das belegen folgende Fakten: Der reguläre Führungstreffer von Lucas Barrios wurde wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben. Den Elfmeter für Hamburg hätte es nicht geben dürfen, weil zuvor eine tatsächliche Abseitsstellung übersehen wurde. Dazu kommen die ärgerlichen Aluminium-Treffer und das Pech des Mario Götze, als Gojko Kacar ein beinahe sicheres Tor auf der Linie verhinderte.
Sehen wir es doch mal so: Zum zweiten Mal in Folge hat die Mannschaft einen Rückstand weggewischt wie ‘Rotz am Ärmel und ist spektakulär ins Spiel zurückgekommen, hat den Platz nicht mit leeren Händen verlassen. Das spricht für eine großartige Moral, für eine tadellose Einstellung und für ein stabiles Nervenkostüm.
Als Tabellenführer in die Sommerpause
Selbst wenn Leverkusen den Abstand weiter reduzieren sollte, muss einem um diesen BVB nicht bange sein. Wenn die Truppe weiterhin so auftritt, wird sie den Wunsch von Nobby Dickel erfüllen und als Tabellenführer in die Sommerpause gehen. Vorher, am 14. Mai, weinen wir dann alle zusammen ein bisschen: Freudentränen über die geilste Borussen-Saison aller Zeiten und Abschiedstränen für und mit unserem Dede. Die Mannschaft könnte dabei neben Dickels auch einen meiner Wünsche (den ich ganz sicher nicht allein hab’) erfüllen: Was könnte es Geileres geben, als dass diese sympathische und charakterstarke Truppe den Spieler mit der Nummer 17 als Ersten die Schale hochhalten lässt?
Uli Vonstein, (www.die-kirsche.com) 10. April 2011