Dortmund..

Es hatte etwas von einem Staatsempfang: Vorweg der Pressesprecher, dahinter ein Direktor und der Dolmetscher. Blitzlichtgewitter. Als Shinji Kagawa am Donnerstag um kurz nach 13 Uhr um die Ecke lugt und in ein gutes Dutzend TV-Kameras, doppelt so viele Fotoapparate und 50 Augenpaare blickt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Zu­hause. Nicht daheim, aber zu­hause. Borussias Japaner ist zu­­rück in Dortmund. 13 Tage nach dem Erdbeben.

Und er hat, sportlich be­trachtet­­, gute Nachrichten mit­gebracht. Sein Mittelfußbruch verheilt sehr gut, die Bruch­stel­le ist teilweise schon wieder zusammengewachsen. Der Befund von Mannschaftsarzt Dr. Markus Braun bestätigt, was Sportdirektor Mi­chael Zorc „japanische Wunderdinge“ genannt hat. Kagawa läuft derzeit 15 Minuten am Tag. Jeden Tag. Möglichst noch im April will er wieder spielen. „Im Mannschaftstraining“, wirft Zorc ein. „In der Bundesliga“, kontert Kagawa.

Angetrieben wird er vom Wunsch, seinen Landsleuten zumindest mo­ralisch zu helfen. Ihnen Freude zu bereiten. „Ich konzen­triere mich auf meine Genesung, um allen Ja­panern durch mein Spiel Mut und Kraft schenken zu können.

Während er spricht, hat er die Hände gefaltet. Mal kreisen die Daumen umeinander, mal tippen sie gegeneinander. Shinji Kagawa sagt, er wisse, dass die Menschen in seiner Heimat im Moment nicht viel Zeit haben, Fußball zu schauen. „Wenn aber der Wiederaufbau beginnt, dann kann ich sie durch mein Spiel seelisch un­terstützen.“ Kagawa ist auch ein Botschafter seines Landes.

Das verheerende Erdbeben hat Borussias Nummer 23 im Taxi erlebt. Auf der Rückfahrt von Yokohama, wo er behandelt wurde, nach Tokio. Als sich dann der atomare Super-GAU im Kernkraftwerk Fu­kushima Daiichi abzeichnete, ist er nach Osaka gereist, in die Nähe seiner Heimat Kobe. Dort hat er bei seinem früheren Verein Ce­rezo trainiert.

Direkt betroffen ist Kagawa von der Naturkatastrophe nicht. Auch gibt es derzeit keine konkreten Pläne, seine Fa­milie nach Deutschland zu ho­len. Getroffen aber habe ihn das Leid der Mitmenschen. „Freunden aus der Mittel- und Oberstufe ist das ganze Haus weggespült worden“, berichtet Kagawa, der fünf Jahre in der betroffenen Großstadt Sendai in der Präfektur Miyagi gelebt und Fußball gespielt hat.

Deshalb, vor allem deshalb, beschäftige ihn das Erdbeben und seine Folgen. Deshalb verfolgt er die Nachrichten, mehr als sonst. Und deshalb macht er sich viele Gedanken.

Die hatte er sich auch direkt nach seinem Mittelfußbruch gemacht, den er sich am 25. Ja­nuar zugezogen hatte. Am An­fang war da nur Enttäuschung. „Aber dann“, erzählt Kagawa, „habe ich ge­dacht: Das ist wohl eine dieser großen Hürden im Leben ei­nes Sportlers.“ Eine der Hürden, an der man menschlich wachsen könne. Dass sein Mittelfuß zum zweiten Mal an ex­akt der gleichen Stelle gebrochen war, beunruhigt ihn nicht – zumindest sagt er das. Und eine Erklärung hat er auch:Die Hinrunde sei doch sehr anstrengend und intensiv gewesen. Daraus habe er jetzt ge­lernt. Er habe gelernt, dass er noch viel mehr auf seinen Körper hören und diesen noch viel besser pflegen müsse.

Ganz zum Schluss wird Shinji Kagawa im besten Sinne staatstragend. Er spricht erstmals deutsch. Er sagt: „Japan ist in großer Not. Ich bitte meine deutschen Freunde um Unterstützung.“