Dortmund. .

Die Gegner des Bundesliga-Topspiels stehen für unterschiedliche Modelle im Profifußball. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kämpft um mehr Fernsehgelder.

Mit ausgiebigem Brimborium hat sich Borussia Dortmund im vergangenen Jahr selbst gefeiert. Hundert Jahre BVB – ein Jubiläum voller Stolz, Hingabe, Zusammenhalt. Und mit großer Freude über den aktuellen Gesundheitszustand des keineswegs betagten Klubs. Borussia liebt, Borussia leidet – Borussia lebt. Wen Fußball in Dortmund kalt lässt, der braucht auch in der Wüste kein Deo.

Tradition heißt der Leim, der diesen Verein zusammenhält, Treue wird über Jahrzehnte hinweg familiär vererbt. Einen neureichen Emporkömmling wie Hoffenheim können viele Schwarz-Gelbe nur belächeln, manche konfrontieren ihn auch offen mit Verachtung. Dabei ist der Gegner der 1909 gegründeten Borussen im Bundesliga-Spitzenspiel am Sonntag sogar noch zehn Jahre älter, die Fans von 1899 Hoffenheim betonen dies mit Vergnügen. Ihre Kreisliga-Tradition hilft ihnen allerdings nicht wirklich weiter: Das Schwergewicht Dortmund darf immerhin auf den Gewinn von sechs Meisterschaften verweisen.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. © ddp

Dies betont BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mit Nachdruck, wenn er sich für eine neue Verteilung der Fernsehgelder ab 2013 einsetzt. Eine Verteilung, die er für gerechter hält. Und von der sein Verein natürlich mehr profitieren würde als bisher.

Derzeit werden 412 Millionen TV-Euro pro Saison unter den Bundesligisten verfüttert. Finanziell gewürdigt wird Leistung, messbar am Tabellenstand. Watzke will mit anderen Pfunden wuchern, obwohl der BVB momentan ganz oben steht. „Wer Input bringt, soll auch Output bekommen“, erklärt er neudeutsch und meint: Wer bessere Einschaltquoten bei Live-Übertragungen im Bezahlfernsehen erzielt, wer mehr Fans hat, die ihn auch zu Auswärtsspielen begleiten, der soll dafür auch belohnt werden.

79 000 Karten hat der BVB für das Spiel am Sonntag verkauft. 1320 wurden von Hoffenheim-Anhängern erworben, 600 von ihnen ließen sich kurzfristig durch ein Fanclub-Gewinnspiel zur Fahrt nach Dortmund motivieren. Diese Relation will Watzke bewertet wissen. Deshalb hat er von Konzernen gesponserte Klubs wie Wolfsburg und Leverkusen ebenso ins Visier genommen wie den von Milliardär Dietmar Hopp in die Bundesliga gehievten Dorfverein.

Eine Zeitlang hat der BVB-Chef die direkte Konfrontation mit Hopp provoziert, inzwischen nimmt Watzke die Schärfe aus der Diskussion und sucht sogar die Nähe zum Revierrivalen, um seine Argumente zu stützen: „Hoffenheim ist ein belebendes Element für die Bundesliga“, sagt er, „aber eben lange nicht so belebend wie Schalke.“ Und Dortmund, versteht sich.

Ein grobes Bild der krassen Kontraste ist schnell gezeichnet. Hier die Tradition, dort die Retorte. Hier das Konzept des perspektivischen Aufbaus, dort der schnelle Aufstieg durch eine scheinbar nie versiegende Geldquelle. Hier die glühende Leidenschaft, dort das seelenlose Gebilde. Also auch hier Gut, dort Böse?

Als wenn das so einfach wäre. Es sei daran erinnert, dass es der BVB war, der als erster Bundesligist an die Börse ging; der sich als Branchengigant aufplusterte; der unanständig hohe Ablösesummen und Gehälter zahlte; der unter der erdrückenden Last der Folgen jener Maßlosigkeit beinahe kollabiert wäre.

Hoffenheim im dritten Erstligajahr

Dietmar Hopp zieht diese Trümpfe gern aus dem Ärmel, wenn er sich angegriffen fühlt. Er sieht sich auch von gegnerischen Fans oft zu Unrecht als „Gesicht der Kommerzialisierung“ angeprangert, denn die habe „lange vor meinem Engagement“ eingesetzt. Als Watzke vor einem Jahr ein verbales Duell eröffnet hatte, wehrte sich der SAP-Gründer vehement: „Es gibt Leute, die der Meinung sind, nur Traditionsvereine dürften Geld investieren. Wenn in der Wirtschaft so agiert würde, könnten wir auch gleich wieder in die Steinzeit zurückgehen.“

Im dritten Erstligajahr gibt sich Hoffenheim nicht mehr so extravagant wie zuvor. Durch den Verkauf von Carlos Eduardo nach Russland erzielte der Klub erstmals ein Transferplus. Wann wird Hoffenheim als etabliert gelten? Vermutlich, wenn der derzeitige Regionalligist RB Leipzig in die Bundesliga einzieht – angeschoben von der gigantischen Marketing-Maschine des Getränkekonzerns Red Bull.