Dortmund. .

Nuri Sahin überragt derzeit als Spielgestalter des BVB. Nun brennt der junge Türke auf einen Einsatz im Qualifikationsspiel gegen Deutschland. Dabei galt er schon als Gescheiterter.

„Bei uns“, sagt Sahin nach dem 2:0 über Bayern München, dem sechsten Sieg im siebten Bundesliga-Spiel für Borussia Dortmund, den Sahin selbst mit einem filigranen Freistoßtreffer besiegelte, „fängt niemand an, zu träumen.“ Die Bodenhaftung ­wollen sie sich bewahren in Dortmund, ebenso diesen zauberhaften Fußball. Für beide Prägungen steht der Name Nuri Sahin.

Das ist keineswegs selbstverständlich, schließlich war der 22-Jährige einst, als er mit 16 Jahren in der Bundesliga ankam, mit Superlativen überhäuft worden und drohte irgendwo zwischen den ganzen Lobeshymnen und Auszeichnungen unterzugehen. So wie vor ihm schon die Tankos und Buts und wie die jungen, talentierten Burschen nicht alle hießen. 2007 wurde Sahin von Trainer Thomas Doll in Dortmund aussortiert. Zu schlapp, keine Perspektive, der nächste bitte. Ein Schlag in die Magengrube für Sahin, für einen, der sich als Dortmunder fühlt, der den BVB lebt. Sahins Liebe wurde plötzlich nicht erwidert. Feyenoord Rotterdam lieh ihn aus. „Irgendwann“, sagte Sahin damals bei seinem Abschied, „irgendwann werde ich diese Mannschaft führen können.“

Extraschichten für den Erfolg

Nicht wenige hätten ihm damals zurufen wollen, dass er ganz offenbar ein Träumer sei, einer, dem der frühe Ruhm ein wenig den Blick auf die Dinge verbogen hat. Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall. Kaum jemand sieht die Dinge so klar wie Nuri Sahin, kaum jemand begreift den Beruf Fußballer so professionell wie Nuri Sahin. Wenn die Freistöße und Ecken nicht kommen, legt er Extraschichten ein. Wenn die Saison beginnt, hat er längst seine ersten Einheiten absolviert. Wenn das Spiel vorbei ist, lässt er sich alle seine Daten liefern und analysieren. Und wenn der Erfolg alle ins Staunen versetzt, dann ist Sahin der erste, der zur Besonnenheit aufruft. Und genau deshalb ist das, was der aus Meinerzhagen im Sauerland stammende Türke damals prophezeite, nun Wirklichkeit.

„Ich ziehe das Beste aus beiden Kulturen“, hat Nuri Sahin kürzlich in einem Interview gesagt. Zu sehen ist das in seinem Fußballspiel: Es ist preußisch diszipliniert und von südländischer Spiellust geprägt. Hinzu gesellt sich auf dem Platz ein seltenes Gespür für Raum und Zeit. Sahin ist eine der überragenden Figuren der Liga. Umso erstaunlicher, dass er in der Nationalmannschaft bisher kaum eine Rolle spielte.

Nicht geschmollt, sondern angepackt

Zuletzt verbannte ihn Nationaltrainer Guus Hiddink sogar auf die Tribüne. Geknickt kehrte Sahin von der Reise nach Dortmund zurück. Doch er schmollte nicht, sondern packte an. Ein Tor gegen Wolfsburg, drei Vorlagen gegen Kaiserslautern, nun dieser Freistoß unter den Augen Guus Hiddinks. Am Freitag, wenn Deutschland in der EM-Qualifikation auf die Türkei trifft, wird Hiddink kaum um Sahin herum kommen. Keine Frage, der Freitagabend könnte ein besonderer werden für Sahin. „Ich bin zwar Türke, aber auch ein bisschen Deutscher. Ich bin stolz, hier geboren und aufgewachsen zu sein“. sagt er. Hiddink betont: „Wir sind im Umbruch und Sahin wird sehr wichtig.“

Es wäre nicht der erste Umbruch, bei dem Sahin eine zentrale Rolle spielt. In Dortmund hat er während dieses Prozesses den Platz gefunden, den er sich so sehr wünschte. Vielleicht auch bald in der Nationalelf? Er sagt: „Ich will Spuren hinterlassen.“ Dazu muss er nur so weitermachen - nur in Anführungszeichen.