Dortmund. .

„Der BVB ist wieder da!“ Davon sind zumindest alle Dortmunder Fans felsenfest überzeugt. Nach dem 2:0 gegen die Bayern skandierten sie erneut Gesänge, die man hierzulande längst in der Mottenkiste wähnte. Das erneute Ausrufezeichen hinter dem 6. Sieg im 7. Spiel (!) setzte das Team ausgerechnet gegen den Abonnement-Meister von der Isar.

Und während die Bayern jammern (van Bommel: „Wir hätten dieses Spiel gewinnen müssen“), steppt in Dortmund der sprichwörtliche Bär! Ein Großteil der Dortmunder Fans verblieb noch eine gute halbe Stunde auf den Tribünen, um ihre Mannschaft und den Vater der Erfolge zu feiern. Sensationell…

Auch Nuri Sahin war gut gelaunt.
Auch Nuri Sahin war gut gelaunt. © Die Kirsche

Nun mag man das Erlebte ja bewerten wie man möchte. Sicherlich hatte Borussia diesmal auch das „Glück des Tüchtigen“ in der Tasche, keine Frage. Und trotzdem kam die Münchener Elite nicht umhin, dem neuen BVB zumindest Anerkennung zu zollen. Und selbst bei den insgesamt 9.700 Bayern-Fans, die höchst überrascht das Spiel im Stadion verfolgt haben dürften, herrschte anschließend einhellig die Meinung vor, dass dieser 2:0-Sieg nicht unverdient zustande kam.

Zunächst aber ergriff Jürgen Klopp das Heft des Handels und nutzte die Pause zur Fehleranalyse per Video, fand die richtigen Stellschrauben, korrigierte ein paar Details und sortierte das Mittelfeld zum Sturm auf die Südtribüne. Das saß.

Spätestens, als dann Nuri Sahins Freistoß aus 20 Metern in den Winkel einschlug (“Ich hatte ein gutes Gefühl bei dem Freistoß“), bebte Deutschlands größtes Stadion vollends. Anschließend hatten die Gäste sogar noch Massel, dass es die Schwarzgelben in ihrem Übereifer mit der Chancenverwertung erneut nicht so genau nahmen, sonst wären die geschockten Bayern gut und gerne auch mit einem 3:0 oder 4:0 nach Hause gefahren. Den Fans hätte das sicher gut gefallen, denn Siege über den Rekordmeister schmecken immer besonders gut.

Gleich schlägt’s ein: Nuri Sahin bereitet sich auf seinen Freistoß nzum 2:0 vor.
Gleich schlägt’s ein: Nuri Sahin bereitet sich auf seinen Freistoß nzum 2:0 vor. © Die Kirsche

Wie ernst unterdessen die Lage beim „Feierbiest“ & Co. ist, zeigt die von Sportdirektor Christian Nerlinger noch vor der Abfahrt aus dem Westfalenstadion verkündete Entscheidung, den für heute geplanten Wiesn-Besuch der Mannschaft komplett abzusagen. Der Mantel der Nächstenliebe werde nun weggenommen. „Jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir uns nicht mehr in die Tasche lügen“, forderte Präsident Uli Hoeneß und leitete so automatisch eine strengere Gangart ein. „Kaiser“ Franz Beckenbauer ließ es sich nicht nehmen, das Wort zum Sonntag hinterher zu schicken: „Der Zweikampf ist das Salz in der Suppe.“ Und so sollen sie die 30 Millionen Euro, die van Gaal laut ‚Bild‘ im Winter für Neueinkäufe zur Verfügung stehen, meinetwegen gern in ihre Defensive investieren.

Borussia steht zwar hinten mitunter auch schon mal wacklig, aber insgesamt sind die nur fünf Gegentore in sieben Spielen aussagekräftiger Beleg für eine kontinuierliche Stabilität in diesem Mannschaftsteil, die die Münchener so sicher auch gern hätten.

Und so stehen wir jetzt vor einem Dilemma: Auf der einen Seite ist es schade, dass der sehenswerte Lauf durch die Länderspiel-Pause jetzt so jäh unterbrochen wird. Auf der anderen Seite aber ist die nötige Pause zum Durchschnaufen und aktiven Regeneration ebenso notwendig. Wir wollen ja schließlich weiterhin so viel Spaß haben, denn dieser so harmonisch funktionierenden Dortmunder Mannschaft ist tatsächlich eine richtig gute Saison zuzutrauen.

Und da derzeit die guten Nachrichten nicht ausgehen, kann auch der Vorsitzende der Geschäftsführung im Nachgang zu dieser Partie noch einen Nettogewinn vor Steuern von 50 Euro verbuchen. Udo Lattek, der die Wette im „Doppelpass“ fahrlässiger Weise einging, wird es angesichts der gerade in Dortmund erzielten Einnahmen sicher verschmerzen können.

(04.10.10 – Holger W. Sitter – die-kirsche.com)