Marbella. Der Nationalspieler spricht im Interview über die inkonstante Hinrunde, ein Gespräch mit dem Bundestrainer und Mats Hummels.

Nico Schlotterbeck hat gerade im Mannschaftshotel im spanischen Marbella zu Abend gegessen, als er zum Interview erscheint. Der 24-jährige Innenverteidiger von Borussia Dortmund hatte wie sein Klub in der Hinrunde Auf und Abs. Hier spricht er darüber, was in 2024 unbedingt besser werden muss.

Herr Schlotterbeck, wie war Ihr Ausflug zur Darts-WM zwischen den Feiertagen?

Nico Schlotterbeck: Ein Erlebnis! Ich war vor sechs Jahren schon mal mit meinen Jungs da und schaue sie regelmäßig im Fernsehen. Wir waren insgesamt drei Tage in London und hatten uns Tickets für den „Ally Pally“ besorgt. Diesmal waren im Vergleich zu damals allerdings viele deutsche Fans vor Ort – da wurde ich für meinen Geschmack ein bisschen zu häufig erkannt. (lacht)

Hat auch Sie der erst 16-jährige Luke Littler fasziniert, der einen Top-Spieler nach dem anderen besiegt hat?

Ja, seine Auftritte waren beeindruckend. Ich bin aber weniger Fan von einem Spieler, sondern mag die Sportart insgesamt. Ähnlich wie beim Fußball gibt es auch da Wunderkinder, die plötzlich auftauchen, überragend spielen und bis ins Finale kommen. Das war schon krass. Leider hat er sein Spiel im Finale nicht durchbekommen.

BVB-Profi Nico Schlotterbeck über die Atmosphäre im Dortmunder Stadion

Das perfekte Spiel ist ein sogenannter 9-Darter, also neun Pfeile, um 501 Punkte auszuspielen. Was ist der 9-Darter im Fußball?

Vielleicht der Meistertitel.

Oder für einen Stürmer drei Tore in einem Spiel…

… der Verteidiger sagt da eher: 34 Spiele zu Null in einer Saison. (lacht)

BVB-Profi Nico Schlotterbeck im Testspiel gegen Alkmaar.
BVB-Profi Nico Schlotterbeck im Testspiel gegen Alkmaar. © DPA Images | David Inderlied

Gibt es eine Eigenschaft, die Sie sich – so unterschiedlich die Sportarten sind – vom Darts abschauen können? Die Nervenstärke?

Ein bisschen was, aber jetzt auch nicht so viel. Man darf ja nicht vergessen, dass das eine ein Einzel- und das andere ein Mannschaftssport ist. Darts ist kein physischer Sport, da geht es viel um das Mentale. Ich glaube, der Druck da ist genauso hoch wie bei uns.

Warum?

Zu Borussia Dortmund kommen alle zwei Wochen über 81.000 Fans ins Stadion, deren Laune in der folgenden Woche zu einem großen Teil von unserer Leistung abhängig ist. Beim Darts sind es eher Zuschauer, die nicht ganz so sehr mit einer Person mitfiebern.

Ist es für Sie als mittlerweile gestandener Profi noch immer etwas Besonderes, vor dieser Kulisse Fußball zu spielen?

Klar. Es ist krass, dass unser Stadion auch unter der Woche immer ausverkauft ist, egal ob es nun ein Liga-Spiel ist oder die Champions League. Ich habe neulich erst gelesen, dass wir in der Hinrunde wieder die meisten Fans hatten. Hier zu spielen ist besonders, ich sage sogar außergewöhnlich. Daher freue ich mich auf jedes Spiel und hoffe, dass ich noch lange hier sein werde und wir als Mannschaft erfolgreich sein werden.

BVB: Nico Schlotterbeck über Licht und Schatten in der Hinrunde

Die bisherige Hinrunde hatte viel Licht in der Champions League, aber auch ganz viel Schatten in den nationalen Wettbewerben. Wie sehen Sie es?

Ich glaube, dass wir in der Champions League gut performt und gerade auswärts in Newcastle und Mailand zwei richtig gute Spiele gemacht haben. Aber ja, in der Liga haben wir es nicht hinbekommen. Eine einfache Erklärung dafür habe ich nicht. Die gibt es glaube ich auch nicht, sonst hätten wir sie schon gefunden. Es kommen einige Faktoren zusammen. Wir sind relativ gut gestartet, haben in den vergangenen Wochen aber nicht mehr regelmäßig gepunktet, zu häufig unentschieden gespielt. Wir haben zu viele Gegentore bekommen, zu wenige selbst erzielt – und dann verlierst du wichtige Punkte und gerätst in der Liga ins Hintertreffen. Daran müssen wir arbeiten und im neuen Jahr wieder angreifen.

Im Gespräch: BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck (l.) mit Reporter Christian Woop.
Im Gespräch: BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck (l.) mit Reporter Christian Woop. © Woop, Christian | Woop, Christian

Diese fehlende Konstanz zieht sich durch die vergangenen Jahre.

Ich glaube, unser erstes Halbjahr 2023 war schon sehr konstant.

Auch da gab es Spiele wie in Stuttgart oder im Pokal bei RB Leipzig, unerklärliche Rückschläge.

Du kannst ja nicht jedes Spiel gewinnen, auch wenn wir das am liebsten würden. Auf jedes einzelne Spiel einzugehen, führt jetzt zu weit. Klar ist, dass wir uns im neuen Jahr unbedingt wieder verbessern und Lösungen für unsere Probleme finden müssen.

Wie bewerten Sie ihre eigenen Leistungen?

Ich würde sie als relativ stabil beschreiben. Ganz fehlerfrei war meine Hinrunde nicht, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich in vielen Spielen meinen Teil zu unserem Erfolg beigetragen habe. Ich will dem Trainer das Vertrauen, das er in mich setzt, zurückgeben und auf dem Platz mit dafür sorgen, dass wir als Mannschaft in der Rückrunde wieder mehr Punkte sammeln.

BVB: Nico Schlotterbeck über ein Gespräch mit Bundestrainer Julian Nagelsmann

Es hat daher verwundert, dass Sie von Bundestrainer Julian Nagelsmann für die Länderspiele im Oktober und November nicht berücksichtigt worden sind. Wie haben Sie das aufgenommen?

Ich kann damit gut umgehen. Natürlich würde ich immer gerne dabei sein und war enttäuscht, dass es zuletzt nicht gereicht hat. Zu lange enttäuscht zu sein, hilft aber nicht weiter. Du musst Leistung im Verein bringen – und die war für den Bundestrainer vielleicht zuletzt nicht überzeugend genug. Das akzeptiere ich, aber sehe es gleichzeitig als Ansporn mich weiter zu verbessern. Dann bin ich schon selbstbewusst genug, um zu sagen, dass ich auch wieder im Kreis der Nationalmannschaft dabei sein werde.

Haben Sie das Gefühl, die Tür zum EM-Kader ist zu?

Die Tür ist für keinen Spieler zu, weil du dich jederzeit über gute Leistungen im Verein empfehlen kannst. Wenn ich die weiter konstant bringe, werde ich vielleicht auch wieder eingeladen.

Im DFB-Trikot: Nico Schlotterbeck im Juni 2023 im Spiel gegen die Ukraine.
Im DFB-Trikot: Nico Schlotterbeck im Juni 2023 im Spiel gegen die Ukraine. © DPA Images | Carmen Jaspersen

Gab es noch mal ein Gespräch mit Nagelsmann?

Der Bundestrainer hat mich angerufen und mit mir gesprochen. Das war ein guter Austausch. Ich weiß, was ihm wichtig ist und dass die Tür zum EM-Kader für mich keineswegs zu ist, nur weil ich zuletzt nicht dabei war.

Mehr Konstanz?

Ich hatte gute Spiele drin, einige waren nicht so gut. Aber wie gesagt: Ich kann damit umgehen. Ich versuche in jedem Spiel mein Bestes zu geben. Wenn es dann reicht, dann reicht es. Wenn es dann nicht reicht, dann reicht es leider nicht. Ich möchte es dem Bundestrainer so schwer wie möglich machen, mich nicht mitzunehmen.

BVB: Nico Schlotterbeck lobt Nuri Sahin und Sven Bender

Wie ist Ihr Eindruck von den beiden neuen Dortmunder Co-Trainer Nuri Sahin und Sven Bender?

Beide haben als Spieler hier eine Riesenkarriere gemacht. Bisher hinterlassen sie einen super Eindruck. Sie übernehmen viele Aufgaben in der Trainingsarbeit, erklären viel und haben sehr große Erfahrung in bestimmten Situationen, weil sie selbst unter sehr guten Trainern gespielt haben. Die ersten Tage in der neuen Konstellation unter Edin Terzic mit den beiden und Sebastian Geppert machen im Training Lust auf mehr. Wir werden in den kommenden Tagen weiter hart arbeiten, um mehr Konstanz in unsere Leistungen reinzubringen.

Was macht Sie optimistisch, dass erneut eine Aufholjagd gelingen kann?

Unsere Mannschaft. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Teamgeist haben und sehr viel Qualität in uns steckt. Die müssen wir wieder regelmäßig abrufen.

Ist es klüger, sich kleine Zwischenziele zu setzen?

Im Januar vergangenen Jahres hatten wir die ersten beiden Spiele gegen Augsburg und Mainz, wenn auch knapp, gewonnen. Dann kommst du in einen Flow und verlierst auf einmal kein Spiel mehr über Wochen. Das sieht man jetzt gerade an Bayer Leverkusen. Es geht für uns nun darum, wieder gut zu starten – alles andere liegt in weiter Ferne.

Wäre es denn zu leicht, nur darauf zu vertrauen, dass es schon wieder gut gehen wird?

Das wäre definitiv zu einfach. So naiv ist bei uns aber auch niemand. Wir müssen einfach wieder bessere Leistungen bringen. Und ich kann Ihnen sagen: Wir wissen, dass wir in der Bringschuld sind und liefern müssen.

BVB: Nico Schlotterbeck über Mats Hummels

Zwei Situationen sind identisch: Mats Hummels geht in sein letztes Vertragshalbjahr. Wünschen Sie sich, dass er noch einmal beim BVB verlängert?

Ja, auf jeden Fall.

Trotz Konkurrenz auf Ihrer Position?

Konkurrenz ist ja nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Sie treibt einen an. Mats macht es gut und ich freue mich, mit ihm zusammen zu spielen.

Innenverteidiger beim BVB: Mats Hummels (links) und Nico Schlotterbeck.
Innenverteidiger beim BVB: Mats Hummels (links) und Nico Schlotterbeck. © DPA Images | Tom Weller

Die andere: Ihr Bruder Keven ist erneut an den VfL Bochum verliehen, wohnt in Ihrer Nähe. Wie wichtig ist es, eine Bezugsperson im Profifußball zu haben?

Sehr wichtig. Ich freue mich, dass es gut bei ihm läuft. Er freut sich für mich andersherum.

Er hat mir mal erzählt, dass Sie sich in Ihrer Kindheit viele Duelle geliefert haben.

Das kennt man ja unter Geschwistern. Es geht es auch nicht nur um Fußball, sondern um Kleinigkeiten: Wer ist besser im Zocken, wer spielt besser Tennis? Natürlich stichelt man auch gerne gegeneinander. In den vergangenen fünf, sechs Jahren hat es sich aber gelegt. Wir merken: Wir sind erwachsener geworden. (lacht)

Wer gewinnt im Darts?

In seiner neuen Wohnung hat er noch keine Scheibe hängen, in Freiburg aber haben wir oft gegeneinander gespielt. Mein Bruder ist da ein bisschen fanatischer. Ich schaue Darts lieber im Fernsehen an als es selbst zu spielen, weil ich nicht ganz so gut darin bin. Ich muss also leider zugeben: Keven ist im Darts ein bisschen besser.