Dortmund. Beim 2:3 gegen Leipzig zeigt der BVB leichte Besserung, verliert aber dennoch. Was Sportdirektor Sebastian Kehl nun fordert.

Mats Hummels verließ die Mannschaftskabine von Borussia Dortmund mit als Erster, er hatte ja auch viel Zeit zum Duschen gehabt. Der Innenverteidiger hatte im Bundesligaspiel gegen RB Leipzig die wohl entscheidende Szene des Tages geliefert, was bei Abwehrspielern meist nichts Gutes heißt: Hummels war schon nach einer Viertelstunde vom Platz geflogen, nach vollkommen missratener Grätsche gegen Lois Openda, und natürlich war das ein wesentlicher Faktor für die 2:3 (1:1)-Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten im Kampf um die Champions-League-Plätze.

Hummels hatte die Schuld sofort nach Abpfiff auf sich genommen, das Foul war ja auch absolut unstrittig, Schiedsrichter Sven Jablonski hatte den Tatort allerdings zunächst im Strafraum gesehen und dafür Elfmeter gegeben und Gelb verhängt. Der Videoassistent aber griff ein, das bedeutete Freistoß und Rot. Für den BVB und insbesondere für Hummels war das vermutlich die schlechtere Entscheidung an diesem Tag, denn damit war klar: Diese Aufgabe mit einer zuletzt tief verunsicherten Mannschaft gegen einen unbequemen Gegner würde noch einmal sehr viel schwieriger werden. „Egal wo, ich darf da niemals so grätschen“, sagte Hummels, von dieser Redaktion auf die Szene angesprochen, als er nun zu einem wartenden Kleinbus stapfte.

Hummels‘ Grätsche und der Platzverweis hatte nicht nur dem BVB das Leben schwer gemacht, sondern auch allen Beobachtern. Was sollte man bitte anfangen mit dieser Partie? Sollte man die Mannschaft dafür loben, dass sie das Spiel sehr knapp gehalten hatte, obwohl sie inklusive der Nachspielzeiten 80 Minuten in Unterzahl agierte? War es nicht aller Ehren wert, dass man fast noch zum Ausgleich gekommen wäre? So hielt es Trainer Edin Terzic: „Bis zur Roten Karte waren wir die bessere Mannschaft“, meinte er und lobte die engagierte Leistung seiner Mannschaft.

BVB-Sportdirektor Kehl sieht deutliche Fortschritte

Oder aber man sah die Dinge wie Torhüter Gregor Kobel: „Wir können uns nichts kaufen vom Kampf heute, wenn wir am Ende mit null Punkten vom Platz gehen“, sagte der. „Es gab sicher positive Dinge, die Einstellung und wie wir gekämpft haben, das war alles sehr gut. Aber das nutzt uns nicht viel, wir haben null Punkte.“ Sportdirektor Sebastian Kehl versuchte tags darauf, beides zu vereinen: „Das Spiel war in weiten Teilen ein deutlicher Fortschritt gegenüber den beiden Partien zuletzt, wir haben mutigeren und besseren Fußball gespielt“, sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wir haben inklusive der Nachspielzeiten fast 85 Minuten in Unterzahl gespielt und hatten mehr Ballbesitz und ein paar gute Möglichkeiten, da hätten wir einen Punkt verdient gehabt. Aber am Ende haben wir null Punkte und eine erneute Niederlage, das macht die Situation in der Liga nicht einfacher.“

Schlägt die Hände vors Gesicht: BVB-Verteidiger Niklas Süle nach seiner vergebenen Chance in der Nachspielzeit. Hinten: Salih Özcan.
Schlägt die Hände vors Gesicht: BVB-Verteidiger Niklas Süle nach seiner vergebenen Chance in der Nachspielzeit. Hinten: Salih Özcan. © dpa | Bernd Thissen

Das nämlich war bei allen Fortschritten das Problem: Am Ende hatte Leipzig drei Tore geschossen und der BVB nur zwei. Ramy Bensebaini war per Kopf nach einem Eckball ein ungewöhnliches Eigentor unterlaufen (32.), Niklas Süle hatte aber mit einem feinen Volley ausgeglichen (45.+6). Christoph Baumgartner (54.) und Yussuf Poulsen (90.+1) erhöhten durch Konter, bei denen Dortmunds Hintermannschaft nicht gut aussah, Unterzahl hin oder her. Aber der BVB gab sich nicht geschlagen, Niclas Füllkrug gelang noch der Anschlusstreffer (90.+3) und Süle vergab eine gewaltige Chance auf den Ausgleich. Die Leistung war deutlich besser als zuletzt, sie war aber längst noch nicht über alle Zweifel erhaben. Hinten blieb es bei unnötigen Aussetzern, vorne bei unerklärlichen Ballverlusten.

Sorge um die Champions League

So blieben null Punkte, die gegen einen direkten Konkurrenten besonders wehtun: Auf den Tabellenvierten Leipzig hat man nun vier Punkte Rückstand, das wichtigste Saisonziel Champions-League-Qualifikation wackelt. In der Liga hat man von den vergangenen sechs Spielen ein einziges gewonnen, für eine Spitzenmannschaft ein unterirdischer Wert. Er sei beunruhigt, gab Keeper Kobel zu, und Sportdirektor Kehl ergänzte: „Wir können die Tabelle ganz gut lesen und wissen natürlich auch, dass wir in der Bundesliga in den letzten beiden Spielen gefordert sind.“ Punkten ist Pflicht in den anstehenden Partien gegen den FC Augsburg und Mainz 05. „Aber“, sagt Kehl, „wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf Mittwoch und die Champions League, denn ein Gruppensieg würde es eventuell im Achtelfinale ein wenig einfacher machen.“

Fürs Achtelfinale ist man ja schon qualifiziert, während man durch die Liga stolpert, das passt ja zum Rätselraten rund um diese Mannschaft. Einfach wird es dennoch nicht, weder am Mittwochabend gegen Paris Saint-Germain (21 Uhr/DAZN) noch in den Tagen danach: Die Personalnot ist groß, wenngleich Außenverteidiger Marius Wolf und Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer zurückkehren könnten. Dafür wird Mats Hummels in der Liga bis zum Winter sicher fehlen, zwei Spiele Sperre dürfte sein Platzverweis nach sich ziehen. Die Mannschaft muss ohne einen ihrer Besten das Gewinnen wieder lernen.