Las Vegas/Chicago. Der BVB soll helfen, die Bundesliga in den USA bekannter zu machen. International ist der deutsche Klubfußball jedoch längst abgeschlagen
„Guter Sieg für euch gestern Abend, ja?“ Es reicht offensichtlich schon, einen schwarzen Kaffee und einen Frühstücksbagel mit Frischkäse und Lachs zu bestellen, um in den USA als Deutscher aufzufallen – klar, der Akzent ist nicht zu überhören, und wer versucht, ihn zu überspielen, macht es nur noch unangenehmer.
Fußball-Wissen ist in den USA eher die Ausnahme
Aber Stephen, der fragende Bar-Mann im in die Jahre gekommenen Hotel Park MGM, zieht eine Verbindung, wie es kaum jemandem in Las Vegas gelingen würde: Die Germans müssen mit Borussia Dortmund hier sein. Wer bei Stephen genauer hinhört, erkennt ebenso einen Akzent. Das U in Dublin spricht er wie U, statt wie A aus. Er ist also Ire, nennt Fußball nicht Soccer, sondern Football und kennt sich gut aus in der Bundesliga – und bildet damit in den USA (noch) eine Ausnahme.
Borussia Who?, so wirkt es manchmal, hat am Sonntagabend im futuristischen Allegiant Stadium gegen Manchester United gewonnen und es ist fraglich, wer das in der skurrilen Wüstenstadt überhaupt mitbekommen hat. Als Fan von Manchesters Rivalen FC Liverpool freute sich Stephen jedenfalls über das 3:2.
Ihm gegenüber sitzen Aaron und Luis, die aus Dallas, Texas, extra eingeflogen sind, um Fußball zu schauen. In erster Linie nicht den BVB, sondern Manchester United, den englischen Top-Klub - obwohl sie eigentlich Liverpool-Fans sind. Die Logos beider Klubs flackerten tagelang auf den riesigen LED-Werbetafeln am Las-Vegas, dennoch war Schwarz-Gelb auf den Straßen unauffällig: Die meisten Menschen trugen in der schillernden wie glitzernden Stadt rote Trikots mit dem United-Logo: „Für die Bundesliga interessiert sich niemand“, meint Aaron, der Mann aus Dallas.
„Was ist eigentlich mit Giovanni Reyna?“, fragt er dann. Der 20-jährige Mittelfeldspieler ist mal wieder verletzt. „Wenn sich jemand für Dortmund interessieren soll, muss er spielen. Die Amerikaner verfolgen im Ausland nur Amerikaner“, meint Aaron. Luis schaltet sich ein und glänzt mit Fachwissen. „Sein Vater hat mal für Wolfsburg gespielt.“ Wolfsburg, wer kennt in den USA bitte Wolfsburg? „Siehst du“, antwortet Luis, „das ist der Punkt.“
Die englische Premier League ist international längst enteilt
Aber es muss doch auch andere Möglichkeiten geben, als Spieler aus den Staaten zu verpflichten, um populärer zu werden. Über die Frage, welche, zerbrechen sich die Bosse der Bundesliga den Kopf. Die höchste deutsche Spielklasse muss bekannter werden im Ausland, diese Entwicklung hat sie lange verschlafen. Die englische Premier League ist daher längst enteilt „und treibt uns in den Wahnsinn“, gesteht Karl-Heinz Rummenigge, Mitglied des Aufsichtsrates von Bayern München. 800 Millionen Euro pro Jahr wollte die deutsche Liga mal aus der Auslandsvermarktung erlösen, derzeit sind es knapp 200 Millionen angekommen. Die Engländer streichen knapp zwei Milliarden pro Saison ein.
Werbetour des BVB für die Bundesliga
Daher sind die Bayern und der BVB in diesem Sommer in die weite Welt aufgebrochen, um als Aushängeschilder die Liga bekannter zu machen. Die Münchener touren durch Asien, Dortmund ist überwiegend im Westen der USA unterwegs, in dem Land, für das rund um die WM 2026 in Nordamerika ein Fußball-Boom prognostiziert wird. Das Problem der Bundesliga: Andere Marken als Bayern und Dortmund ziehen hier kaum, selbst auf dem Heimatmarkt steht man ja vor dem Dilemma, dass immer mehr Vereine in den Kreis der besten 18 Klubs stoßen, die sich diese Ehre zwar sportlich erarbeitet haben, doch über die eigenen Stadtgrenzen hinaus nicht gerade für Kribbeln sorgen.
USA-Reise erscheint als ein notwendiges Übel
Der BVB wollte das nun in den USA auslösen, doch die Werbetour ist auch mit großen Anstrengungen verbunden und wird daher intern kritisch beäugt. Tausende Kilometer legen die Profis in anderthalb Wochen per Chartermaschine zurück, spielen in zwei Zeitzonen und müssen extreme klimatische Bedingungen meistern – Temperaturen von weit über 40 Grad wurden in Las Vegas überschritten. Ihre Testspiele bestreiten sie tief in der Nacht deutscher Zeit. Sie stehen auf, wenn im Ruhrgebiet Kaffee- und Kuchenzeit ist. Lohnt sich das?
Kurz und knapp: Die Reise in die Staaten ist ein notwendiges Übel, für das der BVB allerdings mit rund 5,5 Millionen Euro entschädigt wird.
Man muss dabei aber differenzieren zwischen dem Stress in Las Vegas und Chicago und dem Mini-Trainingscamp in San Diego. Von Montag bis Samstag übte die Mannschaft von Trainer Edin Terzic in Südkalifornien. Die Bedingungen an der Pazifik-Küste waren ideal, die Sport-Anlage einer Privatschule in einem perfekten Zustand, die Wege zum noblen Hotel kurz – trotzdem schleppte das Team mehrere Tage einen Jetlag mit sich herum, was Terzic überhaupt nicht passte und was es so in den Schweizer Alpen, sonst Ort von Dortmunds Sommervorbereitung, folglich nicht gegeben hätte.
Seltener Starkult im Herzen der USA
Marketingtermine waren für die weit außerhalb der Stadt residierenden Profis die Ausnahme und das ist auch der Grund dafür, warum man beim Smalltalk in Taxis oder Restaurants in fragende Gesichter blickte, wenn man von Borussia Dortmund erzählte. Der BVB aber hat durchaus Fans in den USA, das ist unbestritten. Wie Steve Bruns, der vor rund 20 Jahren mal ein Spiel im Westfalenstadion besuchte und seitdem sein Herz an den Klub verloren hat. Er wohnt in Prescott, Arizona, und hat sich vor Kurzem einen gelben Oldtimer gekauft und BVB-Logos draufgedruckt. „Die meisten Leute in Prescott haben keinen Schimmer davon, was der BVB ist“, sagte er bei der öffentlichen Trainingseinheit in San Diego, wo er seinen alten Oldtimer parkte, „aber diejenigen, die sich jemand mit Fußball auskennen, sprechen mich auf das Auto an.“
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Es soll bald noch viele mehr geben, die den Verein kennen – und bereit sind, Geld dafür auszugeben, seine Spiele im Fernsehen zu schauen und Trikots kaufen. Dortmund hat schon jetzt zig Fan-Klubs in den USA, auch in San Diego und noch größere im nur zwei Autostunden entfernten Los Angeles. Zum Testspiel im Snapdragon Stadium gegen San Diego Loyal kamen auch viele in gelben Trikots.
Ausgerechnet der US-Posterboy des BVB fehlt verletzt
Doch die Arena des Zweitligisten war nur ein gutes Drittel gefüllt. Auch in Las Vegas, wo der BVB am Samstagabend doch recht unbemerkt von der Öffentlichkeit im High-Roller-Riesenrad sein neues Pokal-Trikot präsentierte, blieben 15.000 Plätze unbesetzt. Und die Leute, die kamen, trugen Rot. Wie es in Chicago sein wird? Dort dürfte mehr los sein, die Autogrammstunde in einem Sportartikelgeschäft nach Ankunft war immerhin gut besucht. Bitter aber für Dortmund in diesen Tagen bleibt vor allem, dass der verletzte Giovanni Reyna in der Heimat nur an Marketing-Terminen teilnehmen kann und nicht selbst auf dem Platz mitwirken kann – denn die Präsenz des 20-Jährigen zieht.
Er verpasst bis zur Abreise nach Deutschland am kommenden Donnerstag ein straffes Programm. Fliegen, regenerieren und zwischendurch mal ein Training – alles andere als optimal, wenn schon in zwei Wochen das erste Pflichtspiel im DFB-Pokal bei Regionalliga-Aufsteiger TSV Schott Mainz ansteht, in dessen Vorfeld der nächste Jetlag droht. Aber vermeintlich nötig, um als Bundesliga im internationalen Vergleich nicht völlig den Anschluss zu verlieren.
Es braucht gewiss noch Zeit, bis die Bundesliga in den USA begeistert - falls das überhaupt möglich ist. Doch Fußball funktioniert hier. Stephen in Las Vegas, Aaron und Luis in Dallas, Millionen weiterer Menschen schalten ja in aller Herrgottsfrühe den Fernseher an – aber bislang eben nur, um den FC Liverpool zu sehen.