San Diego. Giovanni Reyna ist das präsente Gesicht bei der Werbetour des BVB in den USA, er fehlt allerdings verletzt im Training. Mal wieder.

Giovanni Reyna hatte es sich auf dem braunen Ledersitz bequem gemacht, mit bestem Blick auf das, was 10.000 Meter unter ihm lag – obwohl er dabei nicht viel Neues gesehen haben dürfte. Im hohen Bogen über Island, Grönland und Kanada segelte in der Nacht zu Dienstag (deutscher Zeit) ein Charter-Flugzeug mit Borussia Dortmunds Profimannschaft an Bord nach San Diego, an die Westküste der Vereinigten Staaten. Eine Strecke, die der 20-jährige US-Amerikaner ja schon dutzende Male in seinem Leben zurückgelegt hat – und diese Ortskenntnis will sich der BVB in den kommenden anderthalb Wochen zu Nutze machen.

Schon auf das Ankündigungsplakat der US-Tour, die am 3. August deutscher Zeit mit dem Spiel gegen den FC Chelsea in Chicago endet, hatten sie Reynas Konterfei groß den neben jenes von Marco Reus gedruckt, dem internationalen Aushängeschild des Klubs, das er auch ohne Kapitänsbinde um den Arm bleiben wird. Wenn man nur danach gehen würde, welchen sportlichen Stellenwert Reyna für den BVB dieser Tage hat, wäre die Auswahl kaum nachvollziehbar. Denn der ist gezwungenermaßen ziemlich gering und steht damit im starken Kontrast zum Werbewert des Dortmunder Posterboys in seinem Heimatland.

Giovanni Reyna fehlt dem BVB wegen einer Verletzung

Der BVB gibt als Grund für Reynas Abwesenheit im Mannschaftstraining eine nicht näher definierte Beinverletzung an, die er sich beim 2:0-Sieg im Finale der Concacaf-Nations-League gegen Kanada zugezogen hatte. Der Saisonstart ist gefährdet.

Reynas Muskeln und durch Verletzungen resultierender Trainingsrückstand zwangen den US-Amerikaner in seiner noch jungen Karriere immer wieder zu Pausen - weshalb seine Entwicklung stockt.

Vor allem die Saison 2021/22 ist als Seuchenjahr zu nennen. „Manchmal wollte ich nur in meinem Zimmer rumsitzen“, erinnerte sich der oft eingebremste Offensivwirbelwind mal in einem Interview an seine Leidenszeit. „Ich wollte nicht rausgehen und mit meinen Freunden reden.“ Auch in der vergangenen Saison war es der Muskel, der Sorgen bereitete.

Reyna war in eine bizarre Seifenoper im US-Verband verwickelt

Zum allem Überfluss geriet der junge Amerikaner auch noch in eine bizarre Seifenoper des Verbandes seines Heimatlandes geraten. Seine Mutter Danielle hatte eine pikante Geschichte aus dem Privatleben von Nationaltrainer Gregg Berhalter herausgekramt, die Jahrzehnte zurückliegt. Berhalter hatte damals seine spätere Ehefrau getreten. Er sah aber seinen schweren Fehler ein und bat um Entschuldigung. Warum Frau Reyna diese Intrige einfädelte? Weil Berhalter ihren Sohn bei der Weltmeisterschaft in Katar kritisiert und nur 52 Minuten eingesetzt hatte. Besonders pikant an der Geschichte ist, dass Claudio, Danielles Ehemann und Giovannis Vater, der ehemalige US-Nationalstürmer, Trauzeuge der Berhalters ist.

„Jeder hat schwere Zeiten in seinem Leben“, sagte Reyna Anfang des Jahres, als er beim 2:1 in Mainz zum zweiten Mal in Serie den Dortmundern einen späten Sieg als Einwechselspieler gerettet hatte. „Fußball kann mir dabei helfen, um daraus zu kommen. Ich will arbeiten und der Mannschaft helfen.“

Er konnte, zumindest ab und zu. Doch Reyna fehlte auch durch die regelmäßigen Rückschläge die Konstanz in seinen Leistungen. Und daher warten sie in Dortmund noch immer darauf, dass Reyna den nächsten Schritt macht. Vom Talent, das mit 17 in der Bundesliga debütierte, zum Stammspieler, der er nun mit 20 eigentlich schon hätte sein können.

Borussia Dortmund: Reynas Qualitäten sind unbestritten

Was also tun mit Reyna, einem dieser hochkarätigen Talente, das Dortmund schon als Schüler aus New York mit der Perspektive ins Ruhrgebiet gelockt hat, den Durchbruch im fernen Europa zu werden? Die Fähigkeiten, die in Reyna schlummern, sind unbestritten - nur lassen sich diese bloß freischaufeln, wenn er regelmäßig auf dem Fußballplatz sein würde. Stattdessen pendelt er zwischen Reha und Einwechselbank.

Reyna steht sinnbildlich für die Dortmunder Offensive, die vielleicht nur auf dem Papier in Spitze und Breite hochwertig besetzt ist: Karim Adeyemi (21) und Donyell Malen (24) plagen immer wieder Muskelverletzungen, Jamie Bynoe-Gittens (18) hat Probleme mit der Schulter, Edeltalent Julien Duranville (17) ist gerade erst zurückkehrt nach langer Pause. Und die Krankenakte von Marco Reus (34) ist sowieso legendär.

Bei einem passenden Angebot hätten die Dortmunder Reyna, mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet, daher ziehen lassen. Der Spieler selbst aber sieht seine Zukunft beim BVB: „Ich kann mir keinen besseren Klub vorstellen, für den ich spielen könnte“, sagte er bei ESPN. Es gebe „keine Steigerung von hier“, denn mit Dortmund könne er Meisterschaft, Pokal und die Champions League gewinnen. „Ich könnte für immer hier spielen.“ Dafür muss er aber fit werden.

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