San Diego. . Karim Adeyemi ist zurück beim BVB. Im großen Interview spricht der Dortmunder über seine Ziele, Enttäuschungen und Gerüchte aus Madrid.
Ist es nun reichlich spät? Oder doch sehr früh? Ansichtssache. Als Karim Adeyemi am Abend zum Interview im noblen Hotel Fairmond Grand Del Mar des BVB vor den Toren San Diegos zum Interview kommt, ist dem 21-Jährigen jedenfalls anzumerken, dass er einen langen Flug und neun Stunden Zeitunterschied in den Knochen hat.
BVB: Karim Adeyemi ist wieder fit
Unannehmlichkeiten, die der Flügelstürmer von Borussia Dortmund aber gerne in Kauf nimmt. Denn endlich kann der offensive Unterschiedsspieler wieder mitwirken, der 6:0 (2:0)-Testspielsieg gegen San Diego Loyal war sein erster Einsatz in dieser Saison. Eine Muskelverletzung hatte ihn wochenlang zu einer Pause gezwungen. Nun ist Adeyemi wieder bereit, sein großes Ziel zu verfolgen: die Meisterschaft zu holen. Ein Gespräch über Familie, Muskeln und Freiheiten.
Beneiden Sie eigentlich Ihren Mitspieler Julian Brandt, Herr Adeyemi?
Karim Adeyemi: Warum?
Er durfte eine Rolle als Synchronsprecher in Ihrer gemeinsamen Lieblingsserie übernehmen.
Karim Adeyemi: Ich habe es ihm gegönnt, weil ich ja weiß, wie sehr er One Piece, eine japanische Zeichentrick-Serie, mag. Anschließend habe ich ihn aber natürlich darüber ausgefragt, ich finde das sehr interessant. Wir sind mit der Serie aufgewachsen.
BVB-Profi Karim Adeyemi: "Ich bin in den Urlaub gefahren und musste direkt abschalten"
Was begeistert Sie daran, sodass Sie sich noch heute auf jede neue Folge freuen?
Karim Adeyemi: Ich finde, dass in der Serie viel passiert, das sich auf mein Leben übertragen lässt. Mein Lieblingscharakter heißt Raffy. Besonders an ihm ist, dass er manchmal Dinge einfach tut, ohne viel darüber nachzudenken. Familie und Freunde sind für ihn das Wichtigste, er vergisst sie nie, egal wie groß die Distanz zu ihnen gerade sein mag. Er verfolgt immer ein Ziel, lässt nicht locker – damit kann ich mich voll identifizieren.
Was bedeuten Ihnen Familie und Freunde?
Karim Adeyemi: Ohne sie wäre ich nicht hier. Sie sind ein Ort, an dem ich mich zurückziehen kann. Wo es nicht immer nur um Fußball geht. Sie geben mir Halt.
Brauchten Sie diesen Ort nach dem bitteren Saisonfinale, an dem der BVB die Meisterschaft verspielt hat – und Sie sich zu allem Überfluss am Oberschenkel verletzt haben?
Karim Adeyemi: Frustrierender als die Verletzung war definitiv, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben und letztlich auf dem zweiten Platz gelandet sind. Ich bin in den Urlaub gefahren und musste direkt abschalten. Aber ich bin noch jung, habe große Ziele – und eines davon ist weiterhin, mit Borussia Dortmund Deutscher Meister zu werden. Mir hilft, dass ich ein sehr gelassener Mensch bin, der sich nicht von einem oder mehreren schlechten Spielen aus der Ruhe bringen lässt. Sich Stress zu machen, hilft nicht weiter, sondern sorgt vielleicht sogar für Verletzungen.
Karim Adeyemi: "Das vergangene halbe BVB-Jahr lief sehr gut für mich"
Das ist ein gutes Stichwort. Sie haben sich in wenigen Monaten ja gleich zweimal am Oberschenkel verletzt. Sind sie als Flügelspieler zu schnell für ihre Muskeln?
Karim Adeyemi: Nein, das nicht. Wir haben gemeinsam mit den Ärzten und den Physios einen guten Plan ausgemacht. Ich muss einfach stärker in meinem Oberschenkel werden, im Krafttraining mal zwei Sätze mehr für die Muskulatur auf der Hinterseite machen, damit sie robuster wird. Wir sind auf einem guten Weg. Ich fühle mich sehr gut, bin hier in den USA voll im Training und habe die Verletzung nun vollständig auskuriert.
Wie nah waren Sie in der Rückrunde, als Sie oft der Unterschiedsspieler in der Offensive waren, an Ihrem Leistungsmaximum?
Karim Adeyemi: Das vergangene halbe Jahr lief sehr gut für mich – aber meine Rückrunde war noch längst nicht alles. Wir arbeiten daran, dass ich mein Potenzial noch besser ausschöpfen kann, dem Team mit Toren und Assists helfen kann.
Haben Sie sich eine bestimmte Marke gesetzt?
Karim Adeyemi: Nein, das ist nicht mein Ding.
Karim Adeyemi lobt BVB-Stürmer Sebastien Haller
Wie sehr kommt es Ihrem Spiel zugute, dass in Sebastien Haller ein Zielspieler wieder fit ist? Seine Rückkehr und Ihr Leistungsaufschwung fielen zusammen. Zufall?
Karim Adeyemi: Wir haben gesehen, dass es für die Innenverteidiger nicht einfach ist, gegen ihn zu spielen. Er ist ein großer, starker Stürmer, der sehr schlau im Strafraum agiert und mitgeholfen hat, dass wir eine super Rückrunde gespielt haben. Er hilft mir insofern, als dass er die Innenverteidiger bindet und mir so Platz freimacht. Ich kann dann in die Tiefe gehen. Er kann den Ball stark festmachen oder lässt ihn klatschen, damit Zehner, Achter oder die Flügelspieler durchstarten können.
Sie haben nicht nur mit dem BVB große Ziele. Im kommenden Sommer steht die Heim-Europameisterschaft in Deutschland an. Wie stehen Ihre Chancen, beim Turnier dabei zu sein?
Karim Adeyemi: Ich glaube sehr gut, wenn ich wieder eine gute Saison abliefere. Und das ist mein Ziel: Mit guten Leistungen beim BVB zu zeigen, dass ich auch für die Nationalmannschaft ein wichtiger Spieler sein kann.
BVB-Profi Karim Adeyemi kritisiert die deutsche Ausbildung
Ist es sogar ein Vorteil, dass Sie für die Länderspiele im Juni verletzungsbedingt absagen mussten? Formulieren wir es so: Auf Sie fallen die teils peinlichen Auftritte nicht zurück.
Karim Adeyemi: Von einem Vorteil würde ich nicht sprechen. Ich bin immer sehr gerne dabei, es ist schließlich eine Ehre für die Nationalmannschaft zu spielen. Jedes Team hat Phasen, in denen es nicht so läuft, aber ich bin davon überzeugt, dass wir stärker zurückkommen werden.
Mit Ihnen?
Karim Adeyemi: Es sind viele neue Spieler dazugekommen. Aber Hansi Flick kennt mich und meine Qualitäten und er weiß, was ich in ein Team miteinbringen kann. Wenn ich fit bin und gute Leistungen abrufe, dann bin ich überzeugt davon, dass ich auch der Nationalmannschaft mit meinen Fähigkeiten helfen kann.
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Warum gibt es nicht so viele Spieler mit Ihren Qualitäten?
Karim Adeyemi: Ehrlicherweise glaube ich, dass das an der Ausbildung in der Jugend liegt. Den Spielern wird heute meiner Meinung nach zu sehr vorgeschrieben, was sie auf dem Platz machen sollen. Sie erhalten nicht mehr den Freiraum, ins Dribbling zu gehen und sich entfalten zu können. Ich hatte den großen Vorteil, dass ich Trainer hatte, die zu mir gesagt haben: Tue, was du willst, Hauptsache du machst den Unterschied im Spiel aus – auch wenn ich dann dafür nicht so in die Defensivarbeit eingebunden gewesen bin. Ich habe damals versucht, diese Freiräume zu nutzen, um meine Stärken noch besser für meine Mannschaften einbringen zu können. Aber natürlich musst du dich als Spieler in allen Bereichen entwickeln. Und mittlerweile gehört ja auch die Defensivarbeit zu meinem Spiel.
Im Herrenbereich funktioniert das aber nicht immer so leicht…
Karim Adeyemi: Das stimmt. Aber auch da hatte ich viele Trainer, die meinten: Stehe defensiv, wo du stehen musst, aber mache vorne, was du willst. Ich finde es sehr wichtig, dass sich ein Spieler mit diesen Qualitäten nicht zu sehr einschränkt, auch mal mehr als zwei Ballkontakte macht und nicht nur einen, weil es in diesem Moment möglicherweise besser für das Team ist. Der auch mal das Eins-gegen-Eins annimmt, mal gegen zwei Gegenspieler in den Zweikampf geht – auch ruhig ein zweites Mal, wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat. Edin Terzic ist es wichtig, dass wir defensiv sicher stehen, gibt uns vorne aber unsere Freiheiten. Wir haben viele kreative Spieler, die das dann nutzen können.
Karim Adeyemi über ein angebliches Real-Madrid-Angebot: "Mein Fokus liegt auf dem BVB"
Qualitäten, die Sie beschrieben haben, sind gefragt. Angeblich soll Real Madrid vor Kurzem dafür bereit gewesen sein, 80 Millionen Euro für Sie in die Hand zu nehmen.
Karim Adeyemi: Das habe ich auch im Internet gelesen und war überrascht. Dass es diese Gerüchte gibt, gehört im Profifußball dazu.
Haben Sie denn einen Karriereplan über den BVB hinaus?
Darüber mache ich mir keinen großen Kopf. Mein Fokus liegt auf einer Sache: Mit Borussia Dortmund unsere Ziele zu erreichen.