Augsburg. Der Traum vom Titel ist für den BVB zum Greifen nah. Die Emotionen in Dortmund sind groß – und müssen nun klug kanalisiert werden.

In diesem Moment war es auch um Sebastian Kehl und seine Beherrschung geschehen. „YEEESSS!“, brüllte er, als er vom Spielfeld in Richtung Kabine ging, nein: stürmte. Und wer sich ihm in den Weg stellte, musste fürchten, ein paar gebrochene Rippen oder einen ausgekugelten Arm davonzutragen, so energisch wurden Umarmungen verteilt und Hände geschüttelt.

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Es war ein ungewohnter Gefühlsausbruch eines Mannes, der als Spieler einst zwar ein Heißsporn sein konnte, als Sportdirektor von Borussia Dortmund aber stets um einen besonnenen, reflektierten Auftritt bemüht ist. Aber es musste eben einiges raus an diesem besonderen Tag: 3:0 (0:0) hatte der BVB beim FC Augsburg gewonnen und damit die Steilvorlage genutzt, die der FC Bayern tags zuvor durch seine 1:3-Niederlage gegen RB Leipzig geliefert hatte: Am 33. Spieltag ist Dortmund nun tatsächlich Tabellenführer, das Ziel ist ganz nah, nur noch ein Schritt zu gehen.

Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl.
Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl. © firo

BVB wäre der Depp der Nation gewesen - wieder einmal

„Das ist ein großer Moment, den wir uns hart erarbeitet haben“, sagte Kehl, als er die Emotionen etwas heruntergepegelt hatte. „Der Druck vor dem Spiel war schon groß.“ Denn die Dortmunder wären für lange Zeit die Deppen der Nation gewesen, wenn sie nicht durch die Tür gegangen wären, sondern sich am Türrahmen den Kopf eingerannt hätten.

Die Erfahrung hatten sie im Laufe der Saison ja schon einige Male gemacht: Aus einer 2:0-Führung gegen Werder Bremen wurde binnen weniger Minuten in der Nachspielzeit eine 2:3-Niederlage. Aus einem 2:0-Vorsprung gegen zehn Stuttgarter wurde ein 3:3. Und vor drei Wochen schenkte der BVB die eben erst eroberte Tabellenführung durch ein 1:1 beim VfL Bochum wieder her.

Borussia Dortmund jubelte am Sonntag nach dem 3:0 beim FC Augsburg.
Borussia Dortmund jubelte am Sonntag nach dem 3:0 beim FC Augsburg. © firo

Das ständige Auf und Ab war eine Erklärung für die überschwappenden Emotionen. Denn während Kehl schnell zur Nüchternheit zurückfand, sah es im Stadion noch ganz anders aus, wo die vielen, vielen Fans in schwarz-gelben Trikots ausgelassen sangen und feierten. Und auch in der Kabine wurde gegrölt und gefeiert angesichts des wichtigen Erfolgs in Augsburg.

BVB-Chef Watzke freut sich auf das Finale vor 81.000 Zuschauern

Der war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Der FC Augsburg präsentierte sich als der erwartet unangenehme Gegner mit einem hervorragend aufgelegten Torhüter Tomas Koubek, der BVB vergab im ersten Durchgang beste Chancen. Ein Platzverweis gegen Felix Udoukhai kurz vor der Pause sorgte für noch größere Dominanz, der erlösende Treffer aber wollte erst in der 59. Minute fallen: Der bärenstarke Sebastien Haller eroberte im gegnerischen Strafraum den Ball und zog blitzschnell aus der Drehung ab. In der 85. Minute ließ er einen Abstauber zum 2:0 folgen, der gute Julian Brandt stellte bei einem Konter in der Nachspielzeit das finale Ergebnis her (90.+3).

„Jetzt freuen wir uns natürlich aufs Finale zu Hause vor 81.000 Fans, die sicher aus dem Häuschen sein werden“, sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, als er äußerlich ruhiger als zuvor Kehl, aber nicht weniger erfreut auf dem Weg in die Kabine war – und schob in Richtung der Journalisten nach: „Wenn wir im Januar in Marbella prophezeit hätten, dass wir nach dem 33. Spieltag mit zwei Punkten Vorsprung Tabellenführer sind, hättet ihr uns wieder einmal für bescheuert erklärt.“ Im November nämlich, als die WM-Pause begann, lag der BVB auf Platz sechs, neun Punkte hinter dem FC Bayern. Der Traum von der Meisterschaft war auch intern längst begraben, der Druck auf Trainer Terzic und Sportdirektor Kehl groß – aber das erwähnte Watzke nun lieber nicht.

BVB will möglichst viel Normalität ausstrahlen

Stattdessen schaute er nach vorne, auf die spezielle Woche, die nun ansteht und auf die er kurz nach Anpfiff in der Kabine auch die Mannschaft eingeschworen hatte: „Ich habe gesagt, dass wir jetzt noch eine Woche durchziehen müssen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste“, berichtete der BVB-Boss. Die Kunst wird nun daraus bestehen, einerseits den Schwung aus Augsburg mitzunehmen, andererseits im Training serös zu arbeiten und den Fokus auf die auch nicht immer einfach zu bespielenden Mainzer zu legen. „Das beginnt jetzt schon“, sagte Kehl noch in Augsburg. „Wir versuchen, die Dinge zu relativieren und einzuordnen.“

Ein emotionaler Edin Terzic feiert nach dem 3:0 in Augsburg mit den BVB-Fans.
Ein emotionaler Edin Terzic feiert nach dem 3:0 in Augsburg mit den BVB-Fans. © dpa

Ganz bewusst soll an den Abläufen in der kommenden Woche nichts geändert werden, Trainer und Sportdirektor wollen so viel Normalität wie möglich ausstrahlen. Nur der freie Tag ist gestrichen, alles soll getan werden für das große Ziel.

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Der Glaube, dieses zu erreichen, ist spätestens nach dem Augsburg-Spiel unerschütterlich. „Ich weiß immer noch nicht, wie die Geschichte ausgeht“, sagte Trainer Terzic, kurz bevor sich der BVB auf den Rückweg nach Dortmund machte. „Aber ich habe das Gefühl, dass wir in dieser Saison alles erlebt haben, um auf dem Platz die richtige Antwort zu finden, einen Heimsieg zu feiern und endlich, endlich die Meisterschale in der Hand zu halten.“