Dortmund. . BVB-Profi Jude Bellingham fühlt sich ausgelaugt. Doch Zeit zum Durchpusten bleibt in diesem Oktober nicht. Was sind die Folgen?
Man könnte Jude Bellingham vermutlich nachts wachklingeln, wenige Augenblicke später würde er auf dem Fußballplatz stehen. Von der Hingabe des Engländers schwärmen sie beim BVB, doch nach dem trostlosen Auftritt gegen Sevilla (1:1) räumte der 19-Jährige ein: „Die Belastung fordert ihren Tribut bei mir persönlich. Ich habe mich vor der Partie nicht gut gefühlt. Nach dem Spiel war ich sehr, sehr müde.“
Dazu muss man wissen, dass Bellingham bislang unter Trainer Edin Terzic nicht eine Minute gefehlt hat. Selbst in der englischen Nationalmannschaft ackerte der Mittelfeldspieler im September zweimal über die volle Spielzeit, insgesamt kommt er bereits auf 1.440 Minuten. Borussia Dortmunds Nummer 22 gehört zu den belastbarsten Profis der Bundesliga, trotzdem schlägt Bellingham jetzt Alarm. „Es ist eine Freak-Saison“, sagt er.
BVB spürt die Geister, die der Fußball rief
Dem Fußball erscheinen anscheinend die Geister, die er rief. In diesen Oktober quetschen sich aufgrund der Winter-Weltmeisterschaft die Termine. Mannschaften, die international antreten, bleibt kaum Zeit, um einmal durchzupusten. Und schon Mitte November packen die Nationalspieler ihre Koffer, um nach Katar zu reisen. Der Ball rollt weiter und weiter.
Dass der Weltverband Fifa das größte Turnier an das arabische Land vergeben hat und den Beteiligten erst danach aufgefallen ist, dass die Sonne in der Wüste zu sehr brennt, um im Sommer dort Fußball zu spielen, bleibt ein Skandal. Die Folgen sind schon jetzt spürbar. Durch die Verlegung in die kältere Jahreszeit drängelt sich die WM mitten in die Saison, die Klubs hetzen durch den Spielplan.
BVB-Profi Jude Bellingham: "Ich fühle mich sonst nutzlos"
„Du bist irgendwann auch mental nicht mehr mit geschärften Sinnen dabei wie im vorherigen Spiel“, erklärte Bellingham. Dies kann die Qualität beeinträchtigen, dies kann die Gesundheit gefährden. Liverpools Trainer Jürgen Klopp warnte schon vor einiger Zeit im Kicker: „Es gibt nur eine Richtung, wohin das führt – und das ist gegen die Wand.“ Oliver Glasner, Trainer des Champions-League-Teilnehmers Eintracht Frankfurt, meinte: „Die Grenze ist überschritten.“ Und Leipzigs Marco Rose sagte: „Wenn man unsere Nationalspieler sieht, dann muss man natürlich sagen, dass das für die Jungs zu viel ist und sie irgendwann auch mal an ihre Grenzen stoßen.“
BVB-Ziele: Jedes Spiel ist wichtig
Die Befürchtung liegt nahe, dass sich dies auch auf die Weltmeisterschaft auswirken könnte. „Fußball ist nur richtig schön, wenn die Besten auf dem Feld sind“, sagte Jürgen Klopp. Fallen diese verletzt aus, leidet die Anziehungskraft. Auf den ersten Blick könnte man zwar meinen, dass es von Vorteil sei, dass das riesige Sportereignis nicht am Ende einer langen Saison, sondern in der Mitte stattfindet. Allerdings lichtet sich der Spielplan vor einer regulären WM, wenn es auf den Sommer zugeht, weil einige Klubs im Europokal ausscheiden. Zudem liegt normalerweise zwischen dem Ende einer Spielzeit und einem Turnier eine längere Pause, diesmal beginnt der Wettbewerb nur eine Woche nach der Liga-Unterbrechung. Vorher müssen die Ziele der Klubs verfolgt werden.
Dortmund etwa möchte im Titelrennen mitmischen, im DFB-Pokal weiterkommen, in der Champions League ins Achtelfinale springen. „Ich persönlich regeneriere ziemlich gut, aber wenn ich manche Jungs am Trainingsgelände oder nach den Spielen sehe, muss ich sagen, dass das schon hart an der Grenze ist“, sagte Julian Brandt. „Es ist nicht meine Art zu sagen, dass ich aussetzen will“, erklärte Jude Bellingham. „Ich will helfen. Ich fühle mich sonst nutzlos.“
Natürlich spürt jeder Profi die Belastung dabei anders. Das hängt von der Spielweise ab, vom körperlichen Zustand, von der Position. Rani Khedira, Mittelfeldspieler bei Europa-League-Teilnehmer Union Berlin, meinte: „Ich denke schon, dass ein Profi drei Spiele in einer Woche machen kann.“ Zuletzt seien die drei Auswärtsspiele der Berliner in Serie für ihn durch die Reisen aber mental schwierig gewesen.
Am Sonntag spielt Union nun im eigenen Stadion (17.30 Uhr/DAZN), der Tabellenführer empfängt den BVB. „Es ist gut, dass wir bis Sonntag etwas mehr Zeit haben“, sagte Julian Brandt. „Die müssen wir nutzen, weil es ein extrem wichtiges Spiel ist.“
Wie jedes Spiel.
Immerhin können sich deutschen Klubs, also auch der BVB, auf eine lange Winterpause freuen. Nach der Unterbrechung geht es erst am 24. Januar weiter. Frankreich startet am 28. Dezember, Spanien rund um Silvester, Italien am 4. Januar. In England wird die Saison sogar bereits am 2. Weihnachtsfeiertag durch den traditionellen Boxing Day fortgesetzt. Man kann sich vorstellen, was Jürgen Klopp darüber denkt.