Leipzig. Das 0:3 in Leipzig war eine verdiente Niederlage für den BVB, weil die Mannschaft ihre Stärken vermissen ließ. Ein Ex-Dortmunder wurde gefeiert.

Die Zuschauer wollten die Arena gar nicht verlassen – zumindest jener Teil der 47.069 Anwesenden, die es mit RB Leipzig hielten. „Ohne Marco gehen wir nicht nach Haus“, sangen sie, und dann noch: „Marco Rose, du bist der beste Mann.“ Und als der derart besungene Trainer noch einmal den Rasen betrat, um ein paar TV-Interviews zu geben, ging ein Jubelschrei durchs Stadion.

Leipzig gewinnt ein nicht ganz gewöhnliches Bundesligaspiel

Es wurde gefeiert, als sei gerade ein Titel eingefahren worden. Dabei war es nur ein Sieg in einem – allerdings zugegebenermaßen nicht ganz gewöhnlichen – Bundesligaspiel. Leipzig ist Borussia Dortmund ja längst zum Rivalen erwachsen, wobei der Saisonstart gehörig vermasselt wurde. Deswegen musste Domenico Tedesco am Mittwoch gehen, deswegen kam am Donnerstag Marco Rose als Trainer – ausgerechnet der Mann also, der im Sommer beim BVB hatte gehen müssen. Und der führte am erst dritten Tag seines Wirkens die Mannschaft zu einem hochverdienten 3:0 (2:0)-Sieg gegen Dortmund.

Dem derart gefeierten Trainer waren die Huldigungen fast schon unangenehm: „Das ist schön und ich verstehe das“, sagte Rose. „Aber nach dem ersten Spiel ist nicht der Zeitpunkt, sich mega feiern zu lassen.“ Und: „Dass die Jungs gut sind, ist klar. Ich habe keine Hand aufgelegt, ich bin kein Zauberer.“ Dass die Jungs gut sind, hatten sie aber lange nicht mehr gezeigt – gegen Dortmund aber wurden viel der verschütteten Qualitäten freigelegt. Die Gastgeber agierten druckvoll, aggressiv, sie liefen den Gegner hoch an und spielten nach Ballgewinnen rasant in die Tiefe.

Terzic: „Wir haben das nicht auf den Platz bekommen, was uns stark gemacht hat“

Kurz: Sie zeigten all das, was den BVB in den vergangenen Wochen ausgezeichnet hatte – und was diesmal fehlte bei den Dortmundern. „Am Ende war es zu wenig und eine verdiente Niederlage“, räumte Torhüter Alexander Meyer ein. „Wir haben das nicht auf den Platz bekommen, was uns stark gemacht hat“, sagte Terzic. „Aggressivität, Kompaktheit und eine gewisse Hilfsbereitschaft füreinander.“

In den ersten Minuten waren die Dortmunder gut, waren sie dominant, und bei den Leipzigern war die Verunsicherung durch die vielen Rückschläge der vergangenen Wochen zu sehen. Bis zur sechsten Minute, bis zu einem Eckball von Dminik Szoboszlai, den Willi Orban per Kopf über die Linie drückte – weil Nico Schlotterbeck ihn einfach hatte laufen lassen. Ein Tor, das dem Leipziger Selbstvertrauen gut tat: Nun waren die Gastgeber dominant, nun erdrückten sie die Gäste im Mittelfeld mit ihrer Wucht und ihrem Tempo.

Rätselhafte Fehler der Leistungsträger

Und die Dortmunder konnten dem Druck nicht standhalten, sie versäumten es, das Pressing auch mal lang zu überspielen. Sie passten klein-klein – und irgendwann dem Gegner in den Fuß. Leistungsträger der vergangenen Wochen wie Nico Schlotterbeck, Salih Özcan und Jude Bellingham leisteten sich rätselhafte Fehler und vorne kamen Marco Reus und Julian Brandt nie in das Kombinationsspiel, das zuletzt so gut funktioniert hatte. Statt schnell nach vorne zu spielen, ging es meist nach hinten und dann zu gemächlich wieder nach vorne – bis irgendein Leipziger irgendwo den Ball eroberte.

So wie kurz vor der Pause aus: Nach einem Fehlpass von Bellingham kam Szoboszlai vor dem Strafraum an den Ball, nahm aus 25 Metern Maß – und jagte den Ball in den Winkel (45.). Nach der Pause wurde es nicht wirklich besser, die großen Chancen auf weitere Treffer hatten die Leipziger. BVB-Trainer Terzic versuchte viel, er brachte Giovanni Reyna und Youssoufa Moukoko für Marco Reus und Julian Brandt und später noch den 21-jährigen Justin Njinmah, einen Mittelstürmer aus der U23, für den Abräumer Salih Özcan.

Modeste war überhaupt kein Faktor beim BVB-Spiel

Die Wechsel allerdings zeigten auch: Allzu viele Mittel hatte Terzic nicht, weil ihm wegen der grassierenden Verletzungssorgen auf viele Etablierte verzichten musste – unter anderem die schnellen Flügelspieler Donyell Malen und Karim Adeyemi. So war es schwierig, hinter die Leipziger Linien zu kommen, zumal Mittelstürmer Anthony Modeste überhaupt kein Faktor war. Folglich erzeugten die Schwarz-Gelben keine Gefahr mehr – und Amadou Haidara machte nach einem blitzsauberen Konter das 3:0 (84.).

Allein aufs fehlende Personal wollten die Dortmunder ihre Niederlage dann aber doch nicht schieben: „Natürlich sind uns ein paar Spieler weggebrochen“, sagte Meyer. „Aber wir haben genug Qualität im Kader, dass wir in jedem Spiel jeden Gegner schlagen können.“

Der Beweis kann schon bald erbracht werden: Am Mittwoch tritt der BVB bei Manchester City an, dem englischen Meister mit seinem unwiderstehlichen Passspiel – und der früheren Dortmunder Tormaschine Erling Haaland vorne, der all das mitbringt, was dem BVB in Leipzig fehlte: Wucht, Tempo, Zielstrebigkeit. „Das wird keine leichte Aufgabe“, meinte Terzic. „Wir müssen schnell den Schalter finden, diese Leistung abhaken und in Manchester deutlich besser auftreten.“