Bad Ragaz. Den Dortmunder Keeper ärgern die vielen Gegentore. Im Gespräch erklärt er, was sich nun unter Trainer Edin Terzic verbessern muss.
Abends in Bad Ragaz, Gregor Kobel (24) schlendert mit Donyell Malen (23) und Jude Bellingham (19) vom Essenssaal in Richtung Hotel-Terrasse. Hier möchte Kobel sprechen über das Trainingslager von Borussia Dortmund in der Schweiz, seinem Heimatland, seine erste Saison als BVB-Torhüter mit vielen Gegentoren und über seinen strengen Vater. Überschattet wurde das Gespräch von der Nachricht, dass bei Stürmer Sebastien Haller (28) ein Hodentumor gefunden wurde.
Herr Kobel, Sie scheinen befreundet zu sein mit Malen und Bellingham. Wissen Sie, was sich eigentlich in Deutschland über Torhüter erzählt wird?
Gregor Kobel: Dass sie ein bisschen speziell, verrückt sind?
Genau. Was für ein Typ sind Sie?
Also auf dem Platz habe ich natürlich auch einen kleinen Knacks, das gehört dazu. Ich muss mich in die Bälle reinwerfen, ich habe absichtlich Schmerzen - und mir macht das auch noch Spaß (lacht). Ansonsten bin ich aber, denke ich, ein relativ normaler Typ, der einfach versucht, sich hier in Dortmund so gut wie möglich einzubringen.
Wie haben Sie den Tumorfund bei Sebastien Haller aufgenommen?
Das war ein Schock für uns alle. Wir sind alle in Gedanken bei Sébastien, hoffen, dass er vollständig gesund wird und wir ihn bald wieder in unserer Mitte haben werden.
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Was haben sich die Spieler trotzdem für die kommende Saison vorgenommen?
Als Borussia Dortmund wollen wir jedes Spiel gewinnen, wollen in allen Wettbewerben so weit kommen, wie es nur geht. Wichtig wird sein, die Neuen auf allen Ebenen - nicht nur im Team, auch im Staff - schnell zu integrieren. Wir müssen zu einer Einheit werden.
In Dortmund sehnen sich die Menschen nach der Meisterschaft.
Wir Spieler auch, das ist doch klar.
Wie schätzen Sie denn die Chancen ein?
Es ist jetzt noch schwer einzuschätzen, wie groß unsere Qualität ist. Wir brauchen definitiv Zeit, um das auf den Platz zu bringen, was von uns erhofft wird. Trotzdem müssen wir von Anfang an da sein, Ergebnisse liefern. Ein Spagat, aber wir bekommen das hoffentlich hin.
Trainer Marco Rose musste gehen. Hat Sie die Entlassung überrascht?
Das kam für mich sehr überraschend, ich war schon im Urlaub, habe es da erfahren. Ich habe gerne mit Marco Rose zusammengearbeitet, doch das gehört dazu. Wir haben in der vergangenen Saison speziell in den internationalen Wettbewerben nicht unsere Ziele erreicht, auch im DFB-Pokal war es enttäuschend, es gilt daher, in dieser Saison einiges besser zu machen.
Kann das mit Edin Terzic gelingen?
Er macht das bislang gut, führt viele Einzelgespräche. Ich habe ihn im vergangenen Jahr schon kennengelernt, er hat ja im Verein gearbeitet, wir haben öfter mal gesprochen. Gerade eben im Trainingslager fühlt es sich sehr anstrengend an, aber auch das muss wohl so sein (lacht).
Ein Problem waren die vielen Gegentore – das muss Sie als letzten Mann wahnsinnig gemacht haben, oder?
Stimmt, das kotzt mich als Torhüter an. In Augsburg habe ich auch sehr viele Gegentore kassiert, das war richtig ekelhaft. Doch mit den Gegentoren muss ich gleichzeitig leben, wir wollen ja ausdrücklich einen attraktiven, mutigen Fußball spielen, dazu gehört das ein oder andere Gegentor. Was uns am meisten Energie gekostet hat, waren die zu vielen, oft auch zu frühen Ballverluste – gerade in der eigenen Hälfte. Es waren sehr viele.
Hat es Sie deswegen erleichtert, dass in Niklas Süle und Nico Schlotterbeck zwei neue Innenverteidiger verpflichtet wurden?
Nicht nur sie, auch Salih Özcan als Kämpfer auf der Sechs. Das sind alles sehr starke Zweikämpfer, sie bringen eine Riesenqualität mit. Als Team müssen wir jetzt eine Chemie entwickeln, ein Spielverständnis.
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Sie haben in Stuttgart gespielt. In Augsburg. Jetzt beim Vizemeister. Ist der Druck in Dortmund größer?
Ich kenne beide Seiten. In Stuttgart mussten wir aufsteigen, es war natürlich ein anderes Level in der Zweiten Liga, trotzdem mussten wir wie beim BVB jedes Spiel gewinnen. In Augsburg wiederum ging es darum, überhaupt einmal zu gewinnen, das hat auch an den Nerven gezehrt. Mir hilft all das, als Torhüter weiterzukommen.
Wo müssen Sie sich verbessern?
Ich kann mich überall verbessern, mit dem Ball, bei Schüssen, bei Flanken. Ich habe, glaube ich, nicht einen Riesenschwachpunkt, ansonsten würde ich nicht bei Borussia Dortmund halten. Zufrieden darf ich trotzdem nicht sein.
Und jeder Fehlpass von Ihnen kann gravierende Folgen haben.
Als Torhüter muss ich das Risiko immer abschätzen. Wir wollen Fußball spielen, wir wollen den Ball haben. Ich will Angriffe einleiten, mithelfen, unser Spiel zu strukturieren. Es kann aber auch mal sein, dass wir einfach einen schlechten Tag haben und nur die drei Punkte zählen, dann kann ich auch mal 30 Bälle nach vorne knallen.
Warum sind Sie Torhüter geworden?
Gute Frage. Ich hatte einfach große Lust darauf. Ich habe mich schon sehr früh ins Tor gestellt, mir hat es Spaß gemacht, mich in die Bälle zu schmeißen. Und schnell habe ich gemerkt, dass ich mich ganz gut anstelle. Für mich war klar, dass ich es bis oben schaffen kann.
Ihr erster Jugendtrainer hat uns einmal erzählt, dass Ihr Vater Peter Kobel sehr streng gewesen sein soll.
Manchmal schon, er kommt selbst aus dem Profisport, war Eishockeyspieler. Eigentlich wollte er nicht, dass ich Profi werde, aber er meinte: ‚Wenn Du es versuchst, dann auch richtig.‘ Natürlich war es manchmal anstrengend, doch es hat mich weitergebracht.
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Was bedeutet Ihnen die Heimat?
Meine ganze Familie lebt noch in der Schweiz, ich bin hier fest verwurzelt. Allerdings lebe ich nun schon mein neuntes Jahr in Deutschland, ich habe dort viele Freunde. Deutschland ist der Ort, an dem ich erwachsen geworden bin.
Wie würden Sie Dortmund und Zürich vergleichen?
Es ist natürlich in vielerlei Hinsicht anders, aber ich mag die Leute in Dortmund. Wenn ich ein Café besuche, werde ich von fremden Leuten angesprochen, die mir ihre Geschichten erzählen; manchmal erkennen sie mich dabei gar nicht. Und die Fußballbegeisterung ist natürlich einzigartig. Egal wo ich mich in der Stadt bewege, überall sehe ich Borussia, es ist ein besonderes Gefühl, in so einer Stadt auf dem Rasen zu stehen.
Am Ende dieses Jahres findet die WM in Katar statt. Was erhoffen Sie sich?
Ich schaue erst mal auf unsere Saison. Natürlich möchte ich bei der Weltmeisterschaft spielen, aber ich denke, die Aufteilung ist relativ klar, ich sitze derzeit auf der Bank. Doch ich werde versuchen, mich in Dortmund für mehr zu empfehlen.
In Deutschland wird über die Menschenrechtslage in Katar diskutiert. Wie sehen Sie das?
Es ist immer sehr schwer, sich als Sportler dazu zu äußern. Ich möchte den Leuten, die sich damit auskennen, die Verantwortung übergeben, sich damit zu beschäftigen. Viele bezeichnen die Vergabe als Fehler, ich bin nun mal aber kein Politik-Experte, ich reise für den Sport dorthin.
Ihr Vertrag gilt bis 2026. Sie sind jung genug, um eine eine Ära prägen zu können.
Ich fühle mich jedenfalls superwohl in Dortmund. Wenn ich meine ganze Karriere hier verbringe, dann bin ich sehr happy.
Und was soll sich über den Torhüter Gregor Kobel erzählt werden?
Die Leute sollen sagen, dass ich mich nicht verbiege und alles aus mir heraushole. Ich bin noch jung, kann noch viel dazulernen. Je mehr ich erlebe, desto besser werde ich. Bis ich so alt bin, dass ich die Handschuhe an den Nagel hängen muss. Zum Glück kann man als Torhüter, wenn alles gut läuft, aber sehr lange spielen.