Dortmund. Marco Rose schwebt beim BVB ein mutiger Fußball vor. Immer wieder hat seine Mannschaft Probleme beim hohen Verteidigen. Braucht es Änderungen?
Marco Rose verschränkt die Arme, schaut nach links. Gesten, die darauf hindeuten, dass der Trainer des BVB gerade keine große Freude verspürt, die Fragen der Journalisten zu beantworten. Ehe er am Freitag ausführt, was er schon häufig betont hat, dass er nicht glaube, dass es eine Systemfrage sei. Denn: „Es geht darum, wie man Dinge interpretiert.“ Und: „Man bekommt auch mit einem Sechser Räume geschlossen, die man schließen möchte.“
BVB gegen Bayer Leverkusen: Große Lücken, viele Gegentore
Nur hat seine Mannschaft bei der 2:5-Niederlage gegen Bayer Leverkusen jene Räume eben nicht verriegelt, sondern sie dem Gegner fast ohne Gegenwehr überlassen, wodurch sich vor dem Spiel am Sonntag beim Tabellenvierten Union Berlin (15.30 Uhr/DAZN) nun doch die Frage stellt, ob das System, das Rose spielen lassen möchte, eigentlich zu seinen Profis passt?
Der Trainer schiebt seine Elf meist weit nach vorne, sie soll die gegnerische Mannschaft erdrücken, zu Fehlern zwingen. Was in manchen Phasen gelingt, in anderen schiefgeht, große Lücken klaffen dann meist im Mittelfeld. Wie gegen Leverkusen.
Mahmoud Dahoud als BVB-Sechser gegen Leverkusen überfordert
Das hohe Verteidigen sei jedoch nicht das Kernthema, meint Rose. „Wir haben gegen Leverkusen acht, neun Szenen, in denen wir den Gegner zustellen und er nicht über die Mittellinie kommt.“ Das Problem sei viel mehr, dass die Restverteidigung bei Ballverlusten nicht gut genug organisiert gewesen sei. „Dadurch haben wir vier Umschaltgegentore kassiert.“
Womit man wieder bei der Frage nach der Aufteilung im Mittelfeld landet. Gegen Leverkusen sollte Mahmoud Dahoud als alleiniger Sechser auf der einen Seite das Aufbauspiel antreiben, auf der anderen Seite Lücken schließen, wenn Pässe misslingen.
Der 26-Jährige war überfordert, trotzdem veränderte Rose das System während des Spiels nicht, stellte Dahoud keinen zweiten Mitspieler an die Seite. Stattdessen sollte der BVB weiter vorne attackieren, trudelte so von einem Missgeschick zum nächsten. Nicht zum ersten Mal, schon von Ajax Amsterdam (0:4) wurde die Borussia durchgerüttelt. Die vielen Gegentore bleiben die große Schwachstelle, 36 sind es schon in der Bundesliga, der Tabellenführer FC Bayern hat erst 21 kassiert.
Der BVB-Kader soll angepasst werden
Kann der BVB also überhaupt den Überfallfußball umsetzen, der Rose vorschwebt?
Zumindest gibt es Zweifel, ob Offensivspieler wie Julian Brandt, Thorgan Hazard oder Marco Reus in der Lage sind, über 90 Minuten ihren Gegenspielern auf den Füßen zu stehen. Das braucht es, wenn ein mutiges Pressing funktionieren soll. Zudem fehlt es in vielen Teilen an Tempo, um bei Ballverlusten zurückzueilen. Auch deswegen nehmen die Verantwortlichen Niklas Süle vom FC Bayern ab dem kommenden Sommer unter Vertrag, der zum Spielstil von Marco Rose passt. Der Trainer selbst deutet immer wieder an, dass er sich Veränderungen im Kader wünscht, er jedoch wisse, dass Investitionen aufgrund der Corona-Pandemie schwierig seien.
Zunächst muss Rose ohnehin die verbleibenden Ziele mit dem bestehenden Kader erreichen. In der Europa League lockt ein Titel (so können Fans das Spiel gegen die Glasgow Rangers verfolgen), den der Klub in seiner Vereinsgeschichte noch nicht gewonnen hat. In der Bundesliga soll der zweite Platz gehalten werden, fünf Punkte beträgt der Vorsprung auf den Dritten Bayer Leverkusen. Was bislang verhindert, dass der Gegenwind trotz der Rückschläge heftiger wird.
Erling Haaland fehlt dem BVB weiterhin
Bitter ist, dass in Berlin erneut Erling Haaland fehlen wird. Den Stürmer plagt eine Muskelverletzung, seine Rückkehr bleibt ungewiss. Zudem fallen Thomas Meunier (Probleme am Muskel) und Marius Wolf (Innenbanddehnung) aus. Giovanni Reyna könnte erstmals nach seiner langen Verletzungspause in die Startelf rücken. Auf der Rechtsverteidigerposition beginnt möglicherweise Felix Passlack.
Und vielleicht verändert Marco Rose auch doch das BVB-System. Zumindest mache er sich Gedanken, berichtet der Trainer und lächelt anschließend – das einzige Mal bei dieser Pressekonferenz.