Hamburg. Nach dem 1:2 auf St. Pauli zeigt sich BVB-Sportdirektor Michael Zorc schwer enttäuscht vom Team. Kritik an Trainer Marco Rose gibt es nicht.

Der Zorn ist auch am Tag danach noch nicht verraucht und so redet Michael Zorc nicht lange drumherum, als er nach den Gründen für die 1:2 (0:2)-Niederlage gefragt wird, die Borussia Dortmund am Abend zuvor im DFB-Pokal-Achtelfinale beim FC St. Pauli erlitten hat. „Die Niederlage ist leicht zu erklären: Das war ein komplett blutleerer Auftritt von unserer Seite“, sagt der BVB-Sportdirektor im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wir haben viel zu spät ins Spiel gefunden. Nach dem Anschlusstreffer hätte man erwarten können, dass wir zur Aufholjagd blasen - stattdessen wurde in dieser Phase sogar eher St. Pauli aktiver.“

Pokal-Blamage: BVB-Coach Rose angefressen nach "Nicht-Fight"

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    Und so hat der BVB die zweite heftige Enttäuschung der Saison eingefahren, nach dem Aus in der Champions League muss schon im Januar das zweite Saisonziel und die wohl größte Chance auf einen Titel abgeschrieben werden – und das bei einem Klub, der zwar Zweitliga-Spitzenreiter ist, aber eben immer noch ein Zweitligist. Allerdings: Der Klassenunterschied war nur in punkto Ballbesitz zu sehen. In Sachen Zielstrebigkeit war der vermeintliche Außenseiter mindestens gleichwertig, in Sachen Kampfgeist deutlich überlegen. Und von der hanseatischen Wucht schienen die Westfalen regelrecht überrascht, und so kippte das Spiel früh in eine Richtung, die so niemand erwartet hatte nach den zuletzt überzeugenden Auftritten in der Liga: Der BVB bekam am eigenen Strafraum keinen Zugriff, Marcel Hartel durfte erstaunlich freistehend flanken und Etienne Amenyido ähnlich unbedrängt einschieben (4.).

    Nach Dortmunds kurzer Drangphase war es schnell vorbei mit der Herrlichkeit

    Danach immerhin gab es eine kurze Dortmunder Drangphase, doch Thorgan Hazard (7./18.), Marco Reus (18.) und Erling Haaland (19./20.) ließen gute bis allerbeste Chancen aus. Und dann war es schnell auch wieder vorbei mit der Dortmunder Herrlichkeit – spätestens als ein Ballverlust in einer scharfen Flanke von Guido Burgstaller und einem Eigentor durch Axel Witsel mündete (40.).

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    Und wer erwartete, dass nach dem Anschlusstreffer durch Erling Haaland durch einen Handelfmeter (58.), noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft gehen würde, dass der Druck in der verbleibenden halben Stunde noch einmal deutlich zunehmen würde, sah sich getäuscht. „Ich war überrascht und enttäuscht, dass so wenig Schwung von uns kam“, schimpft Zorc einen Tag später.

    BVB-Boss Zorc stellt klar: Es gibt keine Diskussion über Marco Rose

    Und so passiert, was immer passiert, wenn der BVB gegen eine auf dem Papier unterlegene Mannschaft verliert: Der Mannschaft wird die Mentalität abgesprochen. Normalerweise ist das ungeliebte M-Wort ein Reizthema in Dortmund, diesmal aber bleibt der Widerspruch aus: „Es gibt nach dem Spiel wenig Argumente dagegen“, sagt Zorc. Auch Trainer Marco Rose tat sich gleich nach dem Spiel schwer, sich vor die Mannschaft zu stellen: „Ich möchte, dass wir an dem Thema arbeiten und dass wir die Abstände, in denen wir dieses Klischee bedienen und die Diskussionen immer wieder aufkommen, größer werden lassen“, sagte er. „Aber wir sind da zu inkonstant.“

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    Und obwohl die berühmten Gesetze der Branche es mit sich bringen, dass auch der Trainer in den Fokus gerät, wenn Saisonziele verpasst werden: Rose, den der BVB erst im Sommer für fünf Millionen Euro Ablöse von Borussia Mönchengladbach geholt hat, steht intern nicht zur Diskussion. Die Kritik richtet sich an die Spieler, intern fielen schon am Mittwoch deutliche Worte und weitere werden fallen. Und auch öffentlich lässt Zorc deutlich durchblicken, wo er die Verantwortung für den schwachen Auftritt auf St. Pauli sieht: „Auf alle notwendigen Elemente des Spiels wurde im Vorfeld deutlich hingewiesen, auf die Spielweise von St. Pauli, auf die Platzverhältnisse, auf alles“, sagt er. „Aber offensichtlich hat man nicht richtig hingehört.“

    BVB-Offensive bleibt deutlich hinter ihren Möglichkeiten

    Ohne den angeschlagenen Mahmoud Dahoud fehlte es dem BVB-Spiel an Dynamik und Vertikalität, Axel Witsel war kein gleichwertiger Ersatz. Aber der Belgier spielte das, was er eben noch spielen kann im Herbst der Karriere und nach einem Achillessehnenriss. Die Offensivkräfte Thorgan Hazard, Julian Brandt, Erling Haaland und auch Marco Reus dagegen blieben deutlich unter ihren Möglichkeiten.

    Insbesondere die Offensive um Stürmer-Star Erling Haaland enttäuschte beim BVB auf ganzer Linie.
    Insbesondere die Offensive um Stürmer-Star Erling Haaland enttäuschte beim BVB auf ganzer Linie. © firo

    Und so steht der BVB schon zu Beginn des Jahres am Scheideweg: Zwei Saisonziele sind verpasst, in der Liga sind die Abstände nach oben und nach unten groß. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Mannschaft die Saison nun austrudeln lässt? „Das würde ich ihr nicht raten“, sagt Zorc. „Wir werden weiter und noch intensiver arbeiten.“

    Es bleibt aus Dortmunder Sicht zu hoffen, dass diesmal genau hingehört wird.