Dortmund. Michael Zorc tritt zum Saisonende beim BVB ab - nach 44 Jahren im Klub. Für Borussia Dortmund ist es eine Zäsur.
Vieles wird so sein wie immer: Michael Zorc wird auf der Bank sitzen, wenn das Auswärtsspiel von Borussia Dortmund bei Eintracht Frankfurt am Samstag (18.30 Uhr/Sky) angepfiffen wird. Danach wird er vielleicht jubeln, sich vielleicht ärgern, möglicherweise wird er ziemlich auf den Schiedsrichter schimpfen. Sicher ist: Er wird all dies zum letzten Mal im Frankfurter Stadion tun.
Denn mit der Rückrunde der Bundesliga beginnt die Abschiedstournee des Michael Zorc. Im Sommer ist Schluss, nach dann 24 Jahren als Verantwortlicher für die sportlichen Geschicke beim BVB – dem Klub, für den er schon in der Jugend und dann lange für die Profis spielte. Insgesamt 44 Jahre bei einem Klub, bei seinem BVB: Damit ist der 59-Jährige eine Ausnahmeerscheinung im modernen Fußball.
BVB: Sportdirektor Michael Zorc will Rückrunde bewusster erleben
Wie geht es ihm, nun, da der Ruhestand näher rückt? Gar nicht so leicht zu ergründen. Vor Saisonstart hat Zorc einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt gewährt, als er der FAZ sagte: „Ich versuche schon, mir manche Situationen vielleicht noch bewusster zu machen als in den Jahren zuvor, weil es in der Tat das letzte Mal sein wird, dass ich in bestimmte Stadien fahre oder dass wir gegen die eine oder andere Mannschaft spielen.“ Spricht man aber in diesen Tagen mit dem Sportdirektor, dann erklärt er, dass nun nicht der Zeitpunkt sei, um über seine persönliche Situation zu sprechen. Der Verein stehe im Vordergrund, deswegen beschäftige er sich nur mit der Rückrunde.
Westfälisch-zurückhaltend, so gibt sich Zorc am liebsten. Ohnehin hat er sich eine bisweilen spöttische Distanz zum medialen Zirkus rund um seine Branche gewahrt, in Fußballtalkshows ist er selten zu Gast.
Aubameyang, Lewandowski, Sancho - BVB-Sportdirektor Michael Zorc wurde Transferkönig
Er kann sich diese Distanz inzwischen leisten, sein Schaffen spricht für sich. Das war ganz anders am Anfang, 1998, als der langjährige Kapitän vom Fußballplatz hinter den Schreibtisch wechselte. Lange war Zorc umstritten, weil er nach der erfolgreichsten Ära des Klubs den finanziellen und in der Folge auch sportlichen Niedergang zu verwalten hatte, den andere dem Klub eingebrockt hatten. Bis ihm 2008 ein absoluter Glücksgriff gelang, bis er Jürgen Klopp als Trainer holte und es wieder aufwärts ging: 2011 die erste Meisterschaft, 2012 das Double, 2013 der Einzug ins Champions-League-Finale. Es waren rauschhafte Zeiten und Zorc erwarb sich den Ruf des Transferkönigs, der Toptalente mit seinem Scoutingteam früh erkannte, billig ein- und für viel Geld verkaufte: Shinji Kagawa, Robert Lewandowski, Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembélé, Jadon Sancho – die Liste ist lang und klangvoll.
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Am FC Bayern aber arbeitet sich der BVB seit 2012 vergeblich ab, mal scheiterte man knapp, mal deutlich am Traum vom nächsten Meistertitel. Das vergebliche Anrennen hat auch Zorc ermüdet. Es war ja eine ständige Sisyphusarbeit, immer wieder die besten Spieler zu ersetzen, eine neue Mannschaft aufzubauen. Und aktuell ist das Geschäft noch viel schwieriger: Teuer verkaufen geht kaum in Corona-Zeiten und einkaufen darf der BVB-Sportdirektor auch nicht. Deshalb macht Zorc ja schon ein Jahr später Schluss als ursprünglich geplant, damit sein Nachfolger Sebastian Kehl mehr Zeit zur Einarbeitung hat.
BVB: Sebastian Kehl folgt Michael Zorc
Ein großes Geschäft werden die beiden nun noch zusammen abwickeln: entweder den Verkauf von Topstürmer Erling Haaland, oder den Verbleib, der mit einem deutlich erhöhten Gehalt einhergehen soll. Danach, ab Sommer, ist Kehl allein in der sportlichen Verantwortung. Zorcs Netzwerk und Erfahrung kann der 41-Jährige natürlich noch nicht haben, das Vertrauen in den Nachfolger ist dennoch groß. Planspiele, ihm einen renommierten und erfahrenen Kaderplaner wie den früheren BVB-Scout und aktuellen Stuttgarter Sportdirektor Sven Mislintat an die Seite zu stellen, haben sich nach Informationen dieser Redaktion erledigt. Stattdessen wird es eine kleine Lösung, die Kehl selbst aussuchen kann und die nach aktuellen Planungen deutlich weniger Einfluss haben wird als er selbst. An den sogenannten Elefantenrunden mit Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Berater Matthias Sammer und dem Technischen Direktor Edin Terzic wird der neue Mann nach aktuellem Stand nicht teilnehmen. Es wird sich einiges ändern im Sommer in Dortmund.