Dortmund. . Jude Bellingham erinnert nach dem 2:3 des BVB gegen Bayern an den Wettskandal von 2005. Vorwürfe gegen Felix Zwayer kursieren schon lange.

Im Januar 2005 tapste BVB-Profi Jude Bellingham noch durch die Welt, die er seit gerade einmal anderthalb Jahren erkundete, während der Deutsche Fußball-Bund von einem der größten Skandale überrollt wurde. Der Schiedsrichter Robert Hoyzer hatte Spiele verschoben, dafür Geld von einer Wett-Mafia kassiert. Unter anderem Felix Zwayer arbeitete an der Aufklärung mit. Vergangenheit, könnte man meinen.

Doch seit dem denkwürdigen Topspiel am Samstag werden die Verstrickungen des Skandals wieder an die Oberfläche gezerrt. 2:3 verlor Borussia Dortmund gegen den FC Bayern. Die Partie war ein einziges Abenteuer, mal überwältigend, mal plump, immer aufregend. Die Borussen Julian Brandt (5.) und Erling Haaland (47.) faszinierten mit zwei wunderbaren Toren, Robert Lewandowski (9., 76./Handelfmeter) und Kingsley Coman (44.) antworteten. Der Rekordmeister führt die Bundesliga-Tabelle nun mit vier Punkten Vorsprung an.

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke stellt sich hinter Jude Bellingham

Jedoch, trotz all der Geschehnisse stand Schiedsrichter Zwayer nach dem Schlusspfiff im Zentrum der Debatten. Die Borussen schimpften über zwei Entscheidungen, die zu ihren Ungunsten ausgelegt wurden.

Erst wurde Marco Reus ein Foulelfmeter verweigert (53.). Dann zeigte Zwayer, nachdem er ein Handspiel von Mats Hummels auf dem Monitor studiert hatte, auf den Punkt. Lewandowski verwandelte den Strafstoß zum Sieg (76.).

Es folgte Entrüstung. So weit, so üblich – hätte Bellingham in einem Interview mit dem norwegischen TV-Sender Viaplay nicht alte Vorwürfe herausgekramt. „Du gibst einem Schiedsrichter, der schon in Spielmanipulationen verwickelt war, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?“, sagte der Engländer, erst 18 Jahre alt.

Wie kommt es, dass ein junger Fußballer an den lange zurückliegenden Wettskandal erinnert?

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Zunächst zu den Reaktionen. Der DFB teilte am Sonntag mit, dass er die Äußerung auf ihre sportstrafrechtliche Relevanz prüfen werde. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stärkte Bellingham den Rücken. „Ich springe Jude zur Seite! Das ist in diesem Moment der Emotion geschuldet. Jude Bellingham hat an etwas erinnert, was faktisch vorgefallen ist“, sagte Watzke dieser Redaktion. „Das geht natürlich schon einen gewaltigen Schritt zu weit“, kommentierte hingegen Bayerns Vorstands-Chef Oliver Kahn bei „Sky 90“. Watzke aber meinte: „Mein Gott, es gehört sicher auch für Herrn Zwayer dazu, zu seiner Vergangenheit zu stehen.“

Ein Urteil gegen Felix Zwayer, das verheimlicht wurde

Dass es überhaupt möglich ist, diese Vergangenheit aufzuarbeiten, liegt an einer Recherche der „Zeit“. 2014 deckte die Wochenzeitung auf, dass der DFB im Zuge des Hoyzer-Skandals auch ein hartes Urteil gegen Zwayer gesprochen hatte, dieses jedoch verheimlichte. Mittlerweile sind die Dokumente im Internet einsehbar, darin steht etwa, dass Zwayer „die ihm bekannten Spielmanipulationen des Robert Hoyzer über einen längeren Zeitraum hinweg nicht an den DFB gemeldet“ habe. Und dass der heute 40-Jährige im Mai 2004 vor dem Spiel Borussia Wuppertal gegen die Amateure von Werder Bremen 300 Euro von Hoyzer angenommen habe, um „als Schiedsrichter-Assistent kritische Situationen für den Wuppertaler SV zu vermeiden“. Zwayer wurde ein halbes Jahr gesperrt, durfte weiterpfeifen, geäußert hat er sich nie. Wie der Verband.

Anscheinend kursieren die Vorwürfe jedoch unter den Profis, selbst die Jüngsten wie Bellingham kennen sie. Ob ein Schiedsrichter dann Deutschlands wichtigstes Bundesliga-Spiel leiten sollte, müssten andere entscheiden, so Watzke. „Ich kann nur feststellen, dass er nicht seinen besten Tag hatte.“

2:2! Doch das Tor von Erling Haaland reicht nicht, der BVB verliert 2:3.
2:2! Doch das Tor von Erling Haaland reicht nicht, der BVB verliert 2:3. © firo

DFB meint: Handelfmeter gegen BVB-Profi Mats Hummels korrekt

Also zu den Aufregern, die die Beteiligten nach dem Schlusspfiff beschäftigten. Bei beiden blieb der Pfiff zunächst aus. Erst klatschte Reus nach einem Zusammenstoß mit Bayerns Hernandez im gegnerischen Sechzehnmeterraum auf den Rasen, dann berührte Hummels den Ball im eigenen Sechzehnmeterraum mit dem rechten Ellenbogen. Videoassistent Tobias Welz ließ Zwayer aber nur das Handspiel von Hummels auf dem Monitor überprüfen – mit den bekannten Folgen. „In Kombination geht es überhaupt nicht“, meinte Watzke. Jochen Drees, Projektleiter für den Videobeweis beim DFB, rechtfertigte die Entscheidung gegen Hummels am Sonntag, sie sei korrekt. Zudem habe Haaland vor dem möglichen Foul an Reus im Abseits gestanden.

In jedem Fall ging unter, welches Drama schon das sportliche Geschehen bot. Fünf Tore, zehn Minuten Nachspielzeit, ein Platzverweis für Dortmunds Trainer Marco Rose. Der BVB patzte in der Defensive (vor allem Hummels), stemmte sich allerdings gegen die Niederlage. Der beeindruckende Julian Brandt musste nach einem Zusammenprall mit Dayot Upamecano ins Krankenhaus gebracht werden, schon abends folgte die Entwarnung.

Weiter geht es für die Borussia am Dienstag (21 Uhr/Amazon) gegen Besiktas Istanbul.

„Unsere Mannschaft hat alle widerlegt, die immer behaupten, sie habe ein Mentalitätsproblem“, sagte Hans-Joachim Watzke. Und der BVB im Titelkampf? „Wir kämpfen darum, dass wir am Ende möglichst weit oben stehen.“